Rekordjahr für Start-ups

Portugal spielt seit etwa 2017 eine wachsende Rolle als Standort für Start-ups. Rund um diese Unternehmen ist ein umfangreiches Ökosystem mit privaten und öffentlichen Beteiligten entstanden. 

Vor allem die beiden größten Städte Lissabon und Porto ziehen Gründungen an. Lissabon rückt auch als Veranstaltungsort des Web Summit einmal jährlich ins internationale Rampenlicht. Viele Start-ups sind im weiteren Sinne dem Technologiesektor zuzurechnen. Für die meisten neu gegründeten Unternehmen in Portugal liegt der Fokus auf dem B2B-Geschäft. Bis Oktober 2022 hat das Land sieben "Einhörner" hervorgebracht, Firmen, die mit mindestens einer Milliarde US-Dollar bewertet werden.

Besonders viele hohe Einzelinvestitionen im Jahresverlauf 2021

Das Netzwerk Startup Portugal ermittelte für 2021 einen Rekord an Risikokapitalzuflüssen. Über alle Entwicklungsstufen hinweg konnten sich die Unternehmen 5,5 Milliarden Euro frisches Kapital sichern. Dieser Betrag entsprach den gesamten Investitionen der Jahre 2018 bis 2020. Auffällig war 2021, dass besonders viele Finanzierungsrunden mit mehr als 250 Millionen Euro Volumen abgeschlossen wurden. Das spricht für den gewachsenen Reifegrad vieler Start-ups in Portugal.

Bislang knüpft das Jahr 2022 noch nicht an den Vorjahresrekord an. In einem schwierigeren Gesamtumfeld errechnete Startup Portugal von Januar bis Oktober Investitionen von 1,5 Milliarden Euro. Größere Transaktionen in den letzten zwei Monaten des Jahres können diese Summe noch nach oben treiben. Ebenso werden viele kleinere Deals erst mit einer Verzögerung von bis zu einem Jahr erfasst.

In der Betrachtung nach Branchen zeigen sich 2022 klare Schwerpunkte. Bis Oktober floss das meiste Risikokapital in Start-ups aus dem Fintech-Sektor und der Personalrekrutierung. Die beiden übrigen Schwergewichte waren Energie und Transport.

Bedeutung des Technologiestandorts Portugal nimmt zu 

In den vergangenen zehn Jahren entschieden sich immer mehr Technologieunternehmen für den Standort Portugal. Darunter fielen beispielsweise Forschungs- und Entwicklungszentren von Automobilzulieferern. Zudem wurden innerhalb des Landes neue Unternehmen mit technologischen Geschäftsfeldern gegründet. In der jüngeren Vergangenheit ließen sich auch junge ausländische Technologieunternehmen in Portugal nieder. Alle drei Trends tragen zu vielfältigen Innovationen bei. 

Eine wesentliche Bedingung dafür ist die Verfügbarkeit von Fachkräften. Laut den neuesten Zahlen von 2018 entfielen 34 Prozent der gesamten Master-Abschlüsse auf Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. Da solche Profile in Portugal und dem Ausland begehrt sind, besteht allerdings auch eine starke Konkurrenz um die besten Köpfe.

An einigen Stellen kann trotz der schwungvollen Entwicklung in den vergangenen Jahren noch nachjustiert werden. Gemäß den Resultaten des European Innovation Scoreboard 2022 sind unter anderem zwei Bereiche ausbaufähig. Darunter fallen die Pro-Kopf-Ausgaben für Innovationen gemessen an der Zahl der Beschäftigten. Zudem könnten Kooperationsmöglichkeiten innovativer kleiner und mittelständischer Unternehmen mit anderen intensiver genutzt werden.

Portugal reift zu einer internationalen Drehscheibe für Start-ups heran

Bei Portugal handelt es sich um einen international ausgerichteten Start-up-Standort. Insbesondere fachlich spezialisierte Gründungen treffen auf einen eher überschaubaren Binnenmarkt. Darum geht der Blick oft in Richtung Ausland. Die Internationalisierung und Skalierbarkeit werden entsprechend bei vielen Geschäftsmodellen gleich mitbedacht.

Vertreter ausländischer Unternehmen und Institutionen loben häufig die Fremdsprachenkenntnisse in Portugal. Hier ist vor allem Englisch zu nennen. Im English Proficiency Index 2021 erreichte Portugal den siebten Rang unter 112 betrachteten Ländern. Zudem zählen Spanisch, Französisch und auch Deutsch zu den verbreiteten Fremdsprachen. Die Ansiedlungen ausländischer Jungunternehmen tragen ebenfalls zum internationalen Flair des Start-up-Sektors in Portugal bei. 

Das größte Forum für lokale und internationale Start-ups und Technologieunternehmen ist der jährliche Web Summit in Lissabon. Der Termin der diesjährigen Veranstaltung ist der 1. bis 4. November 2022. Schätzungen gehen von rund 70.000 Gästen, 2.600 Start-ups, 1.120 Investoren und 1.040 Redebeiträgen aus. 

Der im Oktober 2022 gegründete Portugal Tech Hub dient ebenfalls der Vernetzung. Die Plattform soll eine Anlaufstelle für internationale Unternehmen und ein Schaufenster für portugiesische Anbieter sein. Hinter dem Portugal Tech Hub steht eine Reihe von privaten und öffentlichen Partnern.

Die Inselregion Madeira möchte in ihrer Freizone Zona Franca da Madeira ebenfalls einen starken Akzent auf Technologie legen. Das neue Förderregime soll entsprechend ausgerichtet werden. Dazu müssen inhaltliche Einigungen bei der Erstellung des portugiesischen Staatshaushalts erzielt und Verhandlungen mit der Europäischen Union abgeschlossen werden. 

Inhalt des neuen Start-up-Gesetzes für Ende 2022 erwartet

Die portugiesische Regierung zielt darauf ab, die Rahmenbedingungen für Start-ups im Land auf dem aktuellen Stand zu halten. Dazu befand sich im Oktober 2022 ein neues Gesetz in Vorbereitung, wie die Wirtschaftszeitung Jornal de Negócios erfuhr. Bei der Erarbeitung sollen internationale Trends berücksichtigt werden. Konkret geht es um Neuerungen bei der Förderung und Veränderungen beim fiskalischen Rahmen für Start-ups. Das Ziel lautet, den Inhalt bis Ende 2022 festzuschreiben. Dann muss das Gesetz noch den Weg durch das Parlament nehmen.

Bislang existieren laut dem Netzwerk StartupHub Portugal 2.236 Start-ups. Diese sind in ein Ökosystem aus 165 Inkubatoren und Akzeleratoren eingebettet. Für genauere Informationen existiert mit dem Dashboard ein Werkzeug, um Daten zu sortieren und zu filtern. Damit kann zum Beispiel nach neuen Unternehmen und aktuellen Finanzierungsrunden gesucht werden.