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Branchen | Rumänien | Wasser- und Abwassermanagement

Ohne Kanalisation: Ein Viertel der Bevölkerung nutzt die Latrine

In den ländlichen Regionen Rumäniens lebt ein Großteil der Menschen ohne Kanalisation. Der Investitionsstau für Wasser- und Abwassersysteme beträgt rund 31 Milliarden Euro. 

Von Dominik Vorhölter | Bukarest

Knapp die Hälfte der rumänischen Haushalte auf dem Land sind nicht an eine Kanalisation angeschlossen - nämlich 47 Prozent, wie die Europäische Föderation der nationalen Wasserverbände (EurEau) berichtet. Damit hat Rumänien verhältnismäßig einen sehr niedrigen Anschlussgrad innerhalb der Europäischen Union (EU) an Wasser- und Abwassernetzen. Das Nationale Statistikinstitut (ISN) beziffert die Anzahl der betroffenen Haushalte auf 9 Millionen. Rund ein Viertel der Bevölkerung muss gar noch eine Latrine beziehungsweise eine Toilette außerhalb der Wohnung benutzen. Um die europäischen Standards einzuhalten, müssen Staat und private Haushalte nun massiv investieren. 

Die Regierung beziffert den Investitionsstau der vergangenen 30 Jahre bei der Modernisierung und beim Ausbau der Wasserleitungen und der Kanalisation auf rund 30,8 Milliarden Euro. Diese Summe veranschlagt das Ministerium für Europäische Fonds und Infrastruktur im Plan für Infrastrukturprojekte bis 2027. "In allen Rankings zur Wasserwirtschaft steht Rumänien an der Spitze der Liste bezüglich des Investitionsbedarfs und an letzter Stelle auf der Liste der getätigten Investitionen“, sagt Ilie Vlaicu, Präsident des rumänischen Wasserverbandes (ARA).

Haushalte müssen jetzt Versäumnisse der Regierung richten

Wenn Rumänien es nicht schafft, sich um eine nachhaltige und gesunde Versorgung der Bevölkerung mit Trink- und Abwasser zu kümmern, droht dem Staat eine Verurteilung vor dem Europäischen Gerichtshof. Um einen Prozess zu verhindern, verpflichtete der Gesetzgeber die Haushalte im Juni 2022, die Klärgruben zu erneuern. Dafür haben die Betroffenen lediglich bis Juni 2023 Zeit. Sie müssen sich zudem bei ihrer Gemeindeverwaltung in ein Register eintragen, das individuelle Abwassersysteme erfasst. 

Der rumänische Staat droht bei Nichteinhaltung gar mit einem Bußgeld von 10.000 Lei (umgerechnet rund 2.000 Euro). Die Anschaffungskosten einer modernen Sickergrube belaufen sich laut Branchenexperten je nach Haushaltsgröße auf 1.500 bis 2.500 Euro.

Rumänien hält die EU-Richtlinien nicht ein

Rumänien hat Probleme mit der Behandlung von kommunalem Abwasser und Abfall. Das Land hält die dafür geltenden EU-Vorschriften nicht ein, deswegen droht die EU mit einem Gerichtsverfahren.


Und die Regeln werden voraussichtlich noch strenger: Die EU-Kommission fordert nun, eine bessere Qualität des Klärschlamms und eine Stärkung der Kreislaufwirtschaft. Sie will auch Hersteller von Kosmetika und anderen sensiblen Produkten, die Schadstoffe ins Abwasser leiten, stärker in die Pflicht nehmen. Ziele sind unter anderem eine kosteneffiziente, umweltgerechte und schadstofffreie Abwasserbehandlung und weniger Mikroplastik im Wasser. Dafür erarbeitet die Kommission Gesetzesvorhaben mit konkreten Zielen, die ab 2030, 2040 oder 2050 in Kraft treten sollen. 

Einkommensschwache Haushalte, deren Einkommen niedriger ist als der garantierte Mindestlohn von 2.550 Lei brutto (rund 520 Euro), können eine Beihilfe beantragen. Dies ist in der Zeit vom 1. November bis zum 15. Dezember 2022 möglich, gab das Umweltministerium am 14. Oktober 2022 bekannt. Die Höhe der Beihilfe für die Modernisierung der Klärgruben beträgt maximal 1.900 Euro pro förderfähigem Haushalt und wird nach Bewilligung direkt an das beauftragte Unternehmen ausgezahlt. Insgesamt stellt das Umweltministerium dafür 13,2 Millionen Euro bereit. Bild vergrößern

Wasserqualität auf dem Land ist schlecht

Nur 14 Prozent der ländlichen Bevölkerung in Rumänien hat Zugang zur Kanalisation. In den Städten beträgt die Zugangsrate zur Kanalisation 92 Prozent, berichtet das Nationale Statistikinstitut (INS). In den Regionen Süd-Muntenien, Nordost und Süd-West-Oltenien leben im Schnitt die meisten Menschen ohne Anschluss an die öffentliche Kanalisation. Aufgrund der schlechten Anbindung an Wasser- und Abwassernetze ist in den ländlichen Regionen nur 67 Prozent des Wassers als Trinkwasser brauchbar, stellte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) fest.

Regierung plant Ausbau der Abwasser- und Wassersysteme

Die Gelder fließen im Rahmen der bewilligten EU-Fördermittel aus der Resilienz- und Aufbaufazilität. Daraus kann der Staat im Zeitraum bis 2027 insgesamt 1 Milliarde Euro für den Ausbau der Wasser- und Abwassersysteme im Land abrufen. Mit dem EU-Fördergeld plant die Regierung, 1.600 Kilometer Wassernetze und 2.500 Kilometer Abwassernetze in Städten mit mehr als 2.000 Einwohnern und 400 Kilometer Kanalisation in Städten mit weniger als 2.000 Einwohnern zu finanzieren. Damit sollen künftig rund 88.400 Haushalte an die öffentliche Wasserversorgung und Kanalisation angeschlossen werden. 

Mittel für moderne Kanalisation fließen aus verschiedenen Fördertöpfen

Bereits im Jahr 2020 hatte die EU-Kommission Rumänien ein Budget aus dem Kohäsionsfonds der vergangenen Förderperiode (2014 bis 2021) in Höhe von 370 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, um die Sammlung und Behandlung von Abwasser zu optimieren. Ziel ist die Modernisierung von Kläranlagen und Transportsystemen. Die Projekte sollen ab 2023 in den Kreisen Constanta, Calarasi, Dambovita, Ialomita, Brasov und Ilfov starten.

Die Städte Sibiu und Brasov planen zudem, das Kanalisationsnetz zu modernisieren und zu erweitern sowie Pumpstationen zu erneuern. Sie veranschlagen dafür eine Investitionssumme von 70 Millionen Euro. Dieses Geld fließt im Rahmen des Operationellen Programms für große Infrastrukturen, welches das Ministerium für europäische Fonds und Infrastruktur verwaltet. Das Programm speist sich aus EU-Mitteln des Kohäsionsfonds und dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung. 

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