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Der Westen will unabhängig von Energieträgern aus Russland werden

Europa ist stark abhängig von Energieträgern aus Russland. Die EU verbietet den Kauf von Kohle und plant ein Ölembargo. Vor allem Deutschland bleibt auf Gaslieferungen angewiesen.

Von Hans-Jürgen Wittmann | Berlin

Russland ist der drittgrößte Ölförderer der Welt und Europas wichtigster Lieferant. Rund ein Viertel der in der Europäischen Union (EU) jährlich verbrauchten 500 Millionen Tonnen Erdöl kommen aus dem größten Flächenland der Welt. Deutschland bezog 2021 rund 35 Prozent seiner Öleinfuhren aus Russland und senkte diesen Anteil bis Ende April 2022 auf 12 Prozent, sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck. Im Jahr 2021 importierte die Bundesrepublik Rohöl im Wert von 9,7 Milliarden Euro, meldet das Statistische Bundesamt. Für die USA ist Russland mit einem Marktanteil von 8 Prozent der drittgrößte Öllieferant. Insgesamt exportierte Russland 2021 Öl im Wert von rund 152 Milliarden Euro und erzielte damit rund 45 Prozent seiner Ausfuhrerlöse.

Deutschland senkt Anteile Russlands an den Importen von Energieträgern

Energieträger

Anteil russischer Energieträger an den deutschen Importen

Jahr 2021

April 2022

Erdgas

55%

35%

Erdöl

35%

12%

Steinkohle

50%

8%

Quelle: Bundeswirtschaftsministerium vom 28. April 2022

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Europäische Union plant Ölembargo

Die EU-Kommission arbeitet am 6. Sanktionspaket gegen Russland, das ein Ölembargo enthalten soll. Deutschland will seine Ölimporte aus Russland bis Ende 2022 vollständig einstellen. Doch die Sache ist nicht ganz einfach. Ein Ölembargo gegen Russland hätte gravierende Folgen für Ostdeutschland. Die USA, Kanada, Australien und Großbritannien haben bereits Anfang März 2022 ein vollständiges Verbot neuer Käufe von russischem Öl verhängt.

Während der Ölpreis an den Rohstoffbörsen mit Kriegsbeginn auf rund 140 US-Dollar (US$) pro Barrel Brent stark angestiegen war, sank der Preis am 11. April auf 98,48 US$ und somit in etwa auf das Niveau vor Beginn der russischen Ukraine-Invasion. Inzwischen sind die Preise jedoch wieder gestiegen durch das bevorstehende Ölembargo der EU. Am 27. April kostete Brent 105,32 US$ pro Barrel, WTI 102,02 US$ pro Barrel und Urals 73,01 US$ pro Barrel.

Die OPEC senkte die Prognose der russischen Fördermenge auf 11,2 Millionen Barrel pro Tag (bpd). Im April 2022 förderte Russland mit 1,372 Millionen Tonnen bereits 9 Prozent weniger Rohöl als im März.

Ersatz könnte aus Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) kommen. Beide Länder verfügen über freie Förderkapazitäten und könnten den Rückgang der russischen Ölexporte teilweise kompensieren, lehnen bislang aber eine außerplanmäßige Erhöhung der Fördermengen ab. Zur Erinnerung: Im Mai 2020 hatten die OPEC+-Länder als Reaktion auf die COVID-19-Krise neue Bedingungen des Abkommens beschlossen und die Ölproduktion um 9,7 Millionen Barrel pro Tag reduziert. Seit August 2021 erhöht die OPEC+ die Produktion kontinuierlich um 400.000 Barrel pro Tag. Bei diesem Tempo beabsichtigen die OPEC+-Länder, die Produktion bis September 2022 zu steigern und alle reduzierten Produktionsmengen vollständig auf den Markt zurückzugeben.

Die westlichen Ölkonzerne Exxon Mobil, BP, Shell, Total, Equinor und Eni kündigten an, sich aus gemeinsamen Projekten mit russischen Ölkonzernen zurückzuziehen und nicht mehr in neue Vorhaben zu investieren. Die Vitol Group will den Handel mit russischem Öl bis Ende 2022 einstellen. Russland bietet sein Öl daher mit einem Preisabschlag von rund 30 US$ pro Barrel auf dem Weltmarkt an. Ende März 2022 schloss Indien einen Importvertrag für 3,5 Millionen Barrel mit einem Preisnachlass von rund einem Drittel. Auch der staatliche indonesische Ölkonzern Pertamina erwägt den Kauf von russischem Rohöl.

Europa kann russische Gasimporte kurzfristig nicht ersetzen

Russland ist eines der wichtigsten Gasförderländer der Welt. Die EU deckt rund 40 Prozent ihres Gasverbrauchs von rund 500 Milliarden Kubikmetern pro Jahr aus dem größten Flächenstaat. Die EU-Kommission legte den Mitgliedsstaaten einen Plan vor, um die Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen zu reduzieren. Bis Ende 2022 sollen die Gasimporte aus Russland um zwei Drittel im Vergleich zum Vorjahr sinken. Um die Versorgungssicherheit für den kommenden Winter zu gewährleisten, schreibt die EU-Kommission zum 1. Oktober 2022 für die Gasspeicher eine Mindestfüllmenge von 90 Prozent vor.

Deutschland bezog vor Kriegsbeginn rund 55 Prozent seines Gases aus Russland und hat diesen Anteil inzwischen auf 35 Prozent gesenkt, sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck am 28. April 2022. Als Reaktion auf den Angriff Russlands auf die Ukraine setzte die Bundesregierung die Zertifizierung der Pipeline Nord Stream 2 aus. Ein Embargo auf Gaslieferungen über die bestehenden Pipelines wird bislang von der Bundesregierung abgelehnt, doch der Druck auf Deutschland wächst. Bis Mitte 2024 will Deutschland weitgehend unabhängig von russischem Gas werden, erklärte Habeck.

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Aserbaidschan bietet sich als Ersatz an und will seine jährliche Lieferung nach Europa durch den südlichen Gaskorridor 2022 auf 9,1 Milliarden Kubikmeter erhöhen. Zudem könnten Flüssiggasimporte (LNG) aus den USA, Algerien oder Katar Abhilfe schaffen. In der EU sind aktuell 26 LNG-Terminals in Betrieb, die 25 Prozent des gesamten Gasbedarfs decken. Die Bundesrepublik verfügt derzeit über kein Regasifizierungsterminal für LNG. Zwei Projekte sollen mit Hochdruck an der Nordseeküste realisiert werden.

Russland ergreift Gegenmaßnahmen und fakturiert seit Anfang April 2022 Gaslieferungen nur noch auf Rubelbasis. Europäische Energiekonzerne bezahlen jedoch weiter in Euro. Die Bundesregierung sorgt für die Einstellung der Gaslieferungen vor. Ende März 2022 rief Robert Habeck die Frühwarnstufe des Notfallplans Gas aus. Im Ernstfall übernimmt die Bundesnetzagentur (BNetzA) die Entscheidung, wer mit Gas versorgt wird. Zur Sicherstellung der Befüllung der Gasspeicher, fungiert die BNetzA seit 4. April 2022 auch als Treuhandverwaltung der Gazprom Germania GmbH.

Erreichten die Preise nach Beginn der russischen Invasion in die Ukraine präzedenzlose Höchststände - Gas kostete auf dem niederländischen Terminmarkt TFF zeitweise rund 3.900 US$ pro 1.000 Kubikmeter - sank der Gaspreis Mitte April 2022 wieder auf den niedrigsten Stand seit Kriegsbeginn. Die europäischen Gaspreise am TTF-Hub stiegen am Morgen des 27. April um 21 Prozent auf 125 Euro pro MWh, nachdem Gazprom seine Lieferungen nach Polen und Bulgarien eingestellt hatte. Doch später stabilisierte sich der Preis für Gas Futures bei 110 Euro pro MWh.

Wintershall Dea kündigte an, sich nicht mehr an neuen Projekten zur Förderung von Öl und Gas in Russland zu beteiligen. Die bestehenden Aktiva an den Gasfeldern Juschno-Russkoje und Atschimowskoje will der deutsche Konzern hingegen behalten. Der Energiekonzern Uniper will weiterhin russisches Gas im Rahmen bestehender Verträge beziehen.

EU verbietet Kauf von Kohle aus Russland

Russland ist der weltweit drittgrößte Exporteur von Kohle. Im Jahr 2021 nahm das größte Flächenland mit der Ausfuhr von rund 227 Millionen Tonnen des Energieträgers rund 18 Milliarden US$ ein. Die EU deckt rund 45 Prozent ihres jährlichen Bedarfs von rund 50 Millionen Tonnen mit Importen aus Russland. Der Anteil von Kokskohle liegt bei rund 30 Prozent, der Anteil von Kraftwerkskohle bei 60 Prozent. Die Bundesrepublik bezog vor Kriegsbeginn die Hälfte (50 Prozent) der Kohleimporte aus Russland und senkte diesen Anteil bis Ende April 2022 auf 8 Prozent. China deckt rund 5 Prozent seines Kohlebedarfs über russische Einfuhren ab.

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Die EU stellte Anfang April 2022 zum Stichtag 10. August 2022 den Einkauf, die Einfuhr sowie den Transport russischer Kohle unter Sanktionen. Die Bundesregierung will bis Ende Herbst 2022 vollständig auf russische Kohle verzichten, erklärte Robert Habeck. Als alternative Lieferländer kommen die USA, Kolumbien und Südafrika in Frage. Doch könnten sie die hochwertige und schwefelarme russische Kokskohle nur teilweise ersetzen.


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