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Digital Health

Die Telemedizin in Russland boomt. E-Health-Ökosysteme werden immer beliebter. Anbieter entwickeln den Einsatz von Big Data und künstlicher Intelligenz zur Ferndiagnostik weiter.

Von Hans-Jürgen Wittmann | Moskau

Corona kurbelt Entwicklung der Telemedizin an

Die Nachfrage nach Telemedizindienstleistungen verzeichnet während der Pandemie ein Rekordwachstum. Der Marktführer privater medizinischer Dienstleistungen, Medsi (gehört zu AFK Sistema), verzeichnet pro Quartal ein Wachstum von 30 Prozent auf seiner Plattform SmartMed. Ende 2021 nutzte bereits jeder zehnte Einwohner E-Health-Dienste. Rund 60 Prozent sind potenziell bereit, Telemedizindienste zu nutzen, fand die Boston Consulting Group (BCG) heraus. Bis 2030 soll bereits die Hälfte aller Arztbesuche online erfolgen, schätzt das Digitalministerium.

Telemedizinanbieter entwickeln ihre Plattformen zu E-Health-Ökosystemen weiter und bieten ihr Dienstleistungsspektrum verstärkt über Applikationen an: Über die Auswahl der bevorzugten Klinik und des Arztes bis hin zur Speicherung der Krankengeschichte, der Testergebnisse und der Rezepte können Kunden heute beinahe alles über das Mobiltelefon erledigen. Im Jahr 2021 verzeichnete Medsi rund die Hälfte mehr Zugriffe auf sein Angebot über die Applikation, als im Vorjahr.

Gute Perspektiven bietet die Online-Konsultation von Analyseergebnissen. Branchenkenner rechnen damit, dass in den kommenden fünf Jahren rund zwei Drittel der Behandlungen von Krebspatienten in der Primärversorgung über Telemedizinplattformen erfolgen wird. Bei der langfristigen Nachsorge und Behandlung soll rund die Hälfte der Krebspatienten online beraten werden.

Im Kommen ist die Einbindung von Big-Data-Lösungen und künstlicher Intelligenz (KI). Das European Medical Center entwickelt ein System zur Vorhersage von Krankheitsverläufen, um die medizinische Behandlung zu optimieren.

Der größte Hemmschuh der Entwicklung der Telemedizin ist die strenge gesetzliche Regulierung. Derzeit muss die Erstberatung noch persönlich beim Arzt erfolgen, eine Ferndiagnose ist nicht zulässig. Auch die Verschreibung von Medikamenten unterliegt bestimmten Einschränkungen. Um die Wettbewerbsfähigkeit der Branche zu erhöhen, schlug das Wirtschaftsministerium Ende 2021 die Einführung eines experimentellen Rechtsregimes vor. Zudem soll eine Regelung zum Schutz personenbezogener Daten die Verwendung medizinischer Informationen für wissenschaftliche und kommerzielle Zwecke kommen. Diese Vorstöße nähren die Hoffnung auf ein weiteres rasantes Wachstum der Branche.

Regierung entwickelt Gesundheitsinformationssystem

Die digitale Transformation des russischen Gesundheitswesens setzt sich 2022 fort. Im Fokus stehen die weitere Entwicklung des einheitlichen staatlichen Gesundheitsinformationssystems (EGISZ) und die Integration privater medizinischer Einrichtungen in dieses System.

Bis 2024 sollen in Russland alle medizinischen Dokumente elektronisch verfügbar sein, fordert das Gesundheitsministerium. Behandlungsdaten sollen bei Bedarf jeder medizinischen Organisation zur Verfügung stehen. Doch vor allem private medizinische Einrichtungen haben noch Nachholbedarf bei der Umstellung auf ein elektronisches Dokumentenmanagement. Klinikeigentümer müssen die digitale Transformation auf eigene Kosten durchführen und haben keine Eile. Doch eine Reihe in Kraft getretener Vorschriften erhöht den Druck zur Digitalisierung. So ist die Integration in das EGISZ-System unter anderem Voraussetzung dafür, die Lizenz nicht zu verlieren.

In die Einführung eines neuen IT-Systems (GIS) für die gesetzliche Pflichtversicherung (OMS) steckt das Gesundheitsministerium rund 30 Millionen Euro. Damit soll der Austausch von Informationen zwischen Versicherungen und Anbietern medizinischer Dienstleistungen erleichtert werden. Das IT-System wird ein einheitliches Versichertenregister umfassen. Rostelecom rollt den Online-Dienst "Moje Zdorowje - Meine Gesundheit" zur Vergabe von Arztterminen in den Regionen aus.

Ein weiterer Entwicklungsschwerpunkt liegt auf dem Einsatz der künstlichen Intelligenz (KI) im Gesundheitswesen. Das Gesundheitsministerium startet 2022 ein zweijähriges Pilotprojekt zur Ferndiagnose von Patienten mit chronischen Krankheiten wie Bluthochdruck und Diabetes. Getestet werden Software- und KI-Parameter. Dazu wird eine eigene Plattform geschaffen, die in das EGISZ-System integriert werden soll. Bis 2024 soll jeder zehnte Patient mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes online überwacht werden. Kostenpunkt: rund 115 Millionen Euro.

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