Die russische Regierung will die Häfen am Nordmeer, der Ostsee, dem Schwarzen Meer und im Fernen Osten auf Vordermann bringen, um mehr vom globalen Frachtstrom nach Russland zu leiten.
Der Güterumschlag in russischen Seehäfen sank in den ersten neun Monaten 2020 um 2,7 Prozent (im Vergleich zum Vorjahreszeitraum) auf 611,5 Millionen Tonnen. Es war der erste Rückgang seit 24 Jahren. Ursache ist der rückläufige Welthandel infolge der Coronapandemie. Weniger Fracht wurde an den Häfen der Arktis, der Ostsee und des Schwarzen Meeres verladen. Die Häfen des Kaspischen Meeres und im Fernen Osten konnten ihren Umsatz hingegen steigern.
Die größten Verluste verzeichnete der Umschlag von Flüssigfracht wie Rohöl (-12,9 Prozent auf 181 Millionen Tonnen) und Ölprodukte (-4,0 Prozent auf 106,3 Millionen Tonnen). Die größten Zuwächse erzielte der Umschlag von Trockenladungen wie Getreide (+22,2 Prozent auf 34,4 Millionen Tonnen), Erzen (+47,8 Prozent auf 9,9 Millionen Tonnen) und Kohle (+4,0 Prozent auf 138,1 Millionen Tonnen).
Regierung will Russlands Häfen bis 2030 modernisieren
Das Verkehrsministerium hat Mitte September 2020 eine überarbeitete Projektliste zur Modernisierung der Häfen bis 2030 vorgestellt, die in den „Plan zur Modernisierung der Infrastruktur“ aufgenommen werden soll. Bis 2030 soll die Umschlagkapazität um 353,3 Millionen Tonnen steigen. Zur Realisierung der Pläne sind Investitionen von etwa 9,1 Milliarden Euro notwendig. Davon fließen etwa 2,1 Milliarden Euro aus dem föderalen Budget.
Zu den Vorhaben gehören der universelle Umschlagskomplex Primorsk im Gebiet Leningrad und der Hafen Korsakow auf der Insel Sachalin. Daneben sollen die Häfen in Temrjuk, Anadyr und Narjan-Mar modernisiert, sowie die Häfen Noworossijsk und Wanino ausgebaut werden. Auch Projekte zur Errichtung von LNG-Umschlagterminals des Gaskonzerns Novatek in Murmansk und vor der Halbinsel Kamtschatka werden berücksichtigt.
Um den Ausbau und die Modernisierung der Infrastruktur zu finanzieren, plant das Verkehrsministerium ab Januar 2021 an 13 Häfen eine Investitionssteuer von ausländischen Frachtschiffen bei der Einfahrt in einen russischen Hafen zu erheben. Pro Jahr sollen etwa 55 Millionen Euro zusätzlich eingenommen werden.
Nördlicher Seeweg benötigt moderne Hafenanlagen
Präsident Wladimir Putin hat Ende Oktober 2020 die Strategie zur Entwicklung der Arktis gebilligt. Bis 2035 möchte die Regierung die Schifffahrt entlang des Nördlichen Seewegs (Nordostpassage) entwickeln, um mehr globale Handelsströme nach Russland umzuleiten. Zum wichtigsten Drehkreuz der Arktis soll der ganzjährig eisfreie Hafen in Murmansk werden. Dort sollen neue Terminals und Umschlagkapazitäten sowie ein Transportknotenpunkt entstehen.
Derzeit gibt es entlang des Nördlichen Seewegs zu wenige Häfen, die den Anforderungen für große Handelsschiffe gerecht werden. Das Unternehmen Nord Star investiert bis 2022 etwa 32 Millionen Euro in die Modernisierung des Hafens Witino bei Kandalakscha im Gebiet Murmansk. Die Holding AEON baut für 800 Millionen Euro einen ganzjährig eisfreien Hafen an der Barentssee bei Indiga im Autonomen Bezirk der Jamal-Nenzen.
Neue Terminals für Russlands Ostseehäfen
Russische Reedereien laufen statt der Häfen in den baltischen Staaten verstärkt Terminals an der russischen Ostseeküste an. Entsprechend steigt der Bedarf an modernen Umschlagkapazitäten für Flüssigfracht und Trockenladungen. Das Unternehmen Baltijski Sernowoj Terminal (gehört zur Holding Sodruschestwo) investiert etwa 384 Millionen Euro in den Bau eines Logistikterminals mit Meerzugang im Gebiet Leningrad. Novatek modernisiert und erweitert das Umschlagterminal für Gaskondensat im Hafen Ust-Luga. Die Projektierung übernimmt Salawatgasoneftechimprojekt. Ewrochim errichtet in Ust-Luga ein neues Terminal für den Umschlag von Düngemitteln.
Häfen am Kaspischen Meer sollen Frachtumsatz steigern
Der Hafen Olja soll das Zentrum der geplanten Hafen-Sonderwirtschaftszone (SWZ) im Gebiet Astrachan werden. Die deutsche LUNO-Gruppe aus Hamburg übernimmt die Projektberatung und erstellt eine Machbarkeitsstudie. Die Hafen-SWZ soll dazu beitragen, das Frachtaufkommen auf dem Nord-Süd-Transitkorridor auf dem Kaspischen Meer zu erhöhen. Die Portowo-Logistitscheskaja Kompania „Kaspii“ investiert etwa 822 Millionen Euro in den Bau eines Containerterminals in der Hafen-SWZ.
Im ganzjährig eisfreien Hafen von Machatschkala in der Republik Dagestan soll die Fahrrinne vertieft werden, damit Tankschiffe mit einer Tragfähigkeit von 13.000 Tonnen einlaufen können. Bei der Stadt Lagan in der Republik Kalmykien ist der Bau eines neuen Seehafens mit 32 Verladeterminals mit einer Kapazität von 12,5 Millionen Tonnen pro Jahr geplant.
Häfen in Fernost müssen Feinstaubbelastung verringern
Die Regierung plant, den Umschlag von Kohle in Häfen, die mit modernen Anlagen zur Staubunterdrückung ausgestattet sind, durch Anreize zu fördern. Eine entsprechende Anordnung hat Vize-Premierministerin Viktoria Abramtschenko Anfang Oktober 2020 erlassen.
Die Kohleumschlaghäfen in der Region Primorje investieren bereits etwa 26 Millionen Euro in die Beschaffung von Staubunterdrückungssystemen. Der Bergbaukonzern Mechel wird 2021 den Kohlehafen Posyat mit solchen Systemen ausstatten. Der Kohlekonzern SDS-Ugol erweitert die Umschlagkapazität des Hafens Suchodol in der Region Primorje bis 2022 auf 12 Millionen Tonnen. Eine dritte Ausbaustufe sieht eine Kapazitätserhöhung um weitere 8 Millionen Tonnen vor. Die Staatsbanken VTB und VEB finanzieren das 388 Millionen Euro teure Projekt. Das Unternehmen FGUP Rosmorport investiert etwa 22 Millionen Euro in den Bau eines neuen Kohlehafens in der Region Primorje.
Das Unternehmen Remstal und die Entwicklungsgesellschaft des Fernen Ostens haben Mitte August 2020 eine Vereinbarung zum Bau eines Umschlagterminals für Flüssiggas im Hafen Sowjetskaja Gawan in der Region Chabarowsk geschlossen. Die Projektierung übernimmt die Firma Prompribor. Im Hafen Korsakow auf der Insel Sachalin soll bis 2025 für mehr als eine Milliarde Euro ein multifunktionaler Hafen mit einem Logistik-Technopark entstehen.
Ausgewählte Großprojekte im russischen Hafeninfrastrukturbau
Projektbezeichnung | Investitionssumme (Mrd. Euro) | Projektstand | Investor |
Universeller Umschlagkomplex / Hafen Primorsk, Gebiet Leningrad; u.a. Kohle-, Mineraldünger-, Getreide-, Container- und Stückgutterminals, Lagerlogistikzentrum | 2,4 | im Bau; geplante Fertigstellung: 2022 | OOO Primorski UPK, https://upkprimorsk.com |
Tiefseehafen Archangelsk / Gebiet Archangelsk | 2,1 | geplante Fertigstellung: 2023 | Arktis-Transportknoten (ATPU) Archangelsk, www.atpu.ru |
Murmansker Transportknotenpunkt (Kohleterminals und Eisenbahninfrastruktur) mit ganzjährig eisfreiem Hafen / Gebiet Murmansk | 2,0 | im Bau; geplante Fertigstellung: 2021 | Stroygazconsulting, www.sgc.ru; im Rahmen einer öffentlich-privaten Partnerschaft |
Ausbau des Hafens Noworossijsk / Region Krasnodar; geplant u.a. neue Umschlagterminals für Container, Düngemittel und Pflanzenöl | 1,5 | Absichtserklärung von Tatneft; geplante Projektdauer: 2020-2029 | Tatneft, www.tatneft.ru |
Tiefwasserhafen Indiga / Autonomer Kreis der Jamal-Nenzen | 0,8 | im Bau; geplante Fertigstellung: 2025 | AEON Holding, www.aeoncorp.ru |
Projekt „Lugaport“, Hafenausbau und Bau von Terminals zum Umschlag von Getreide und Nahrungsmitteln im Hafen Ust-Luga / Gebiet Leningrad | 0,7 | im Bau; geplante Fertigstellung: 2024 | GK Novotrans, www.novotrans.com; GT Morstroy, www.gtmorstroy.com; www.lugaport.com |
Kohleterminal, Hafen Wanino / Region Chabarowsk | 0,4 | im Bau; geplante Inbetriebnahme der 2. und 3. Ausbaustufe: 2023-2030 | Rosmorport, www.rosmorport.ru; Sachatrans, www.sahatrans.ru; Kolmar, www.kolmar.ru; im Rahmen einer PPP |
Ausbau der Hafen-SWZ /Astrachan | 0,2 | Fertigstellung: 2024 | PLK Kaspij; Regierung des Gebiets Astrachan, www.astrobl.ru; Staatliche und private Investitionen |
Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest
Von Hans-Jürgen Wittmann
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