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Branchen | Russland | Elektronik & Mikroelektronik

Kleine Bauteile mit großer Wirkung auf die Wirtschaft

Russland ist seit Beginn des Krieges gegen die Ukraine weitgehend abgeschnitten von Mikroelektronik. Die zuvor gestartete Importsubstitution kann die Verluste nicht ausgleichen.

Von Gerit Schulze | Berlin

Eine der wirksamsten Sanktionen gegen Russland ist das Lieferverbot für Elektronik. Es trifft Moskaus Bemühungen, Staat und Verwaltung effizient zu digitalisieren, eine Marktführerschaft bei künstlicher Intelligenz anzustreben und Produktionsprozesse zu automatisieren. Die absehbare Verknappung bei Halbleitern trifft auch Wirtschaftszweige wie den Maschinenbau, die Fahrzeugindustrie, Elektrotechnik und die Energiewirtschaft empfindlich. Der größte Autobauer AvtoVaz hat die Produktion ausgewählter Modelle bereits eingestellt.

Washington und Brüssel verhängen Exportverbote 

De Facto ist Russland zurzeit weitgehend abgeschnitten von ausländischen Hightech-Lieferungen. Die Vereinigten Staaten verhängten ab 24. Februar 2022 ein weitgehendes Exportverbot unter anderem für Computertechnik, Sensoren und Telekommunikationsausrüstung. US-Unternehmen, die solche Produkte nach Russland verkaufen wollen, brauchen eine Genehmigung (Lizenz), die in der Regel nicht erteilt wird.

Außerhalb der Vereinigten Staaten hergestellte Waren unterliegen ebenfalls den Ausfuhrbestimmungen EAR (Export Administration Regulations), wenn sie mit US-Technologie oder mit US-Software produziert wurden. Dazu gehören die Bereiche Elektronik, Computer, Kommunikationstechnik und Informationssicherheit. Russische Firmen, die auf der Liste des Bureau of Industry and Security (BIS) stehen, dürfen auch vom Ausland aus nicht mehr beliefert werden. Gelistet sind dort zum Beispiel wichtige russische Hersteller von Mikroelektronik wie Baikal Electronics, MZST (Chipmodell Elbrus) und MTZ Elvis (mobile Prozessoren Skif).

Mikrochips und Speicher im Fokus

Die Europäische Union hat mit der Verordnung 2022/328 nachgezogen. Sie legt Exportrestriktionen unter anderem für Elektronik, Informationstechnologien, Telekommunikation und Sensoren fest. Im Anhang VII der Verordnung sind Mikroprozessoren, Datenspeicher, Schaltkreise und Ausrüstungen für die Fertigung von Elektronikbauelementen genannt, die nicht mehr nach Russland geliefert werden dürfen. Dem Exportverbot hat sich das Vereinigte Königreich angeschlossen.

Die russische Halbleiterindustrie wird den Verlust nicht kompensieren können. Einheimische Chipentwickler wie Baikal Electronics haben keine ausreichenden Produktionskapazitäten und sind abhängig von ausländischen Auftragsfertigern wie TSMC (Taiwan), Samsung (Südkorea) oder Intel (USA). Diese stellten ihre Kooperation mit Russland jedoch ein.

China wird die Lücke nicht füllen können

Ob China in diese Lücke springt, ist fraglich. Die Volksrepublik hat selbst nicht genügend Kapazitäten für moderne Chips. Außerdem drohte Washington damit, Chinas Halbleiterindustrie von amerikanischer Software und Ausrüstung abzuschneiden, sollte sie Russland weiter mit Mikroprozessoren versorgen. Ein Teil des Bedarfes an Mikroelektronik könnte Moskau allerdings über Grauimporte aus Indien, China oder Belarus ausgleichen. Die lange Landgrenze zu China erschwert die Kontrolle solcher Lieferungen.

Nach Einschätzung des US-Branchenverbands Semiconductor Industry Association (SIA) ist Russland kein bedeutender direkter Verbraucher von Halbleitern. Das gesamte Marktvolumen für IT- und Telekommunikationsausrüstung schätzte SIA für 2019 auf 25 Milliarden US-Dollar (US$). Laut dem Branchenportal Techmonitor.ai hat Russland nur einen Anteil von 0,1 Prozent am Weltmarkt für Mikroprozessoren. Einer der wichtigsten Kunden ist die Rüstungsindustrie.

Ukraine-Krieg führt zu Engpässen bei Herstellern von Displays und Halbleitern

Künstliche Saphire

Das Unternehmen Monokristall im südrussischen Stawropol ist ein wichtiger Hersteller von synthetischen Saphiren. Diese kommen vor allem bei der Produktion von Leuchtdioden und Unterhaltungselektronik zum Einsatz, etwa bei Smartphone-Displays. Nach eigenen Angaben exportiert Monokristall 98 Prozent seiner Saphire an 200 Abnehmer in 25 Ländern. Auch Apple soll in der Vergangenheit zu den Kunden gezählt haben. Das russische Industrieministerium plant bislang aber keine Exportbeschränkungen für diese Produkte.

Edelgase für Hochleistungslaser kommen aus der Ukraine

Auswirkungen hat der Krieg in der Ukraine ebenso auf die Produktion von Halbleitern im Ausland. Denn Hochleistungslaser, mit denen Halbleiter-Bauelemente hergestellt werden, benötigen Neon. Unter anderem Südkorea hatte das Edelgas, das als Nebenprodukt der Stahlindustrie entsteht, auch aus Russland und der Ukraine bezogen. Seoul rechnet nun mit Lieferengpässen und hebt zum 1. April 2022 die Importzölle für die drei Gassorten Neon, Xenon und Krypton auf.

Russland verbietet Ausfuhr von Elektronikprodukten

Moskau hat auf den Hightech-Bann des Westens reagiert und am 9. März 2022 ein Ausfuhrverbot für rund 200 Produktkategorien verhängt. Das soll die Abwanderung ausländischer Firmen und Technologie stoppen.

Laut der Regierungsverordnung Nr. 311 dürfen elektronische Produkte nicht mehr in Länder außerhalb der Eurasischen Wirtschaftsunion (EAWU) ausgeführt werden. Das gilt auch für gebrauchte Waren und Lagerbestände. Damit will Russland die Versorgung mit Monitoren, Mikroprozessoren, Schaltungen, Dioden, Transistoren sowie mit Glasfaserleitungen, Lasergeräten und weiteren Warengruppen aufrecht erhalten. Ausländische Unternehmen, die ihr Russlandgeschäft einstellen, können ihre Hardware also nicht mehr außer Landes bringen. Als Umweg bleibt eventuell die Verbringung in ein anderes EAWU-Land.

Gleichzeitig hat die EAWU die Einfuhrzölle für bestimmte Produktgruppen temporär abgeschafft. Dazu gehören Ausrüstungen für die Elektronikindustrie und digitale Technologien. Russland ist das größte Mitgliedsland der EAWU.

Krieg führt zu Exodus von Spezialisten 

Ob es Moskau gelingt, die fehlenden Hightech-Importe mit inländischer Technik zu kompensieren, ist mehr als fraglich. Denn die Abwanderung von IT-Talenten beschleunigt sich. In den ersten Wochen nach Russlands Einmarsch in die Ukraine verließen bereits 50.000 bis 70.000 Spezialisten das Land, teilte der Russische Verband für elektronische Kommunikation (RAEK) mit. In einer zweiten Welle erwartet die Branchenvereinigung bis Ende April den Verlust von weiteren 100.000 IT-Fachkräften.

Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine haben die meisten internationalen Hersteller von Elektronikausrüstung ihr Russlandgeschäft eingestellt. Chinesische Anbieter nutzen die Gelegenheit für hohe Preisaufschläge von bis zu 50 Prozent, berichten Marktteilnehmer. Die starke Abwertung des Rubel macht Halbleitertechnik für viele russische Unternehmen derzeit unerschwinglich.

Einige Elektronikkonzerne halten trotzdem an ihrem Russlandgeschäft fest. Dazu zählen laut Liste der Yale School of Management die taiwanesischen Hardwarehersteller Asus, Acer und MSI sowie Lenovo aus der VR China.

Moskau versucht seit Jahren, die Importabhängigkeit bei Mikroelektronik zu verringern. Behörden und Staatsbetriebe sind angehalten, einheimische Halbleitertechnik zu kaufen. Diese ist aber häufig nicht kompatibel mit der gängigen Standardsoftware oder liefert zu geringe Rechenleistung.  

Welche Elektronikkonzerne haben ihr Russlandgeschäft eingeschränkt?

Unternehmen

Produkte

Aktion

AMD

Mikroprozessoren

Einstellung der Verkäufe

Apple

Smartphones, Computer, Software

Einstellung der Verkäufe

Cisco

Netzwerkausrüstungen

Einstellung der Geschäftstätigkeit

Cogent

Internet-Netzwerkinfrastruktur

Einstellung der Geschäftstätigkeit

Dell

Computer

Einstellung der Verkäufe

Ericsson

Netzwerkausrüstungen, Telekommunikation

Einstellung der Verkäufe

HP

Computer, Peripheriegeräte

Lieferungen nach Russland eingestellt

IBM

Software und Hardware

Einstellung der Geschäftstätigkeit

Intel

Mikroprozessoren

Einstellung der Verkäufe

NEC

Mikrochips, Computer, Bildschirme, Peripheriegeräte

Nimmt keine neuen Aufträge mehr an, stellt Investitionen ein

Nokia

Netzwerkausrüstungen, Telekommunikation

Einstellung der Verkäufe

Nvidia

Grafikkarten

Einstellung der Verkäufe

Qualcomm

Mikroprozessoren

Einstellung der Verkäufe

Samsung

Smartphones, Haushaltselektronik, Mikrochips

Einstellung der Verkäufe

Sony

Spielkonsolen

Einstellung der Verkäufe

TSMC

Auftragsfertiger für Halbleitertechnik

Einstellung der Verkäufe

Quelle: Tageszeitung Kommersant; Yale School of Management, Pressemeldungen

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