Branchen | Russland | Automobilsektor
Marktchancen Automobil- und Kfz-Teile-Produktion
Der Halbleitermangel bremst 2022 das Wachstum der Kfz-Fertigung. Pkw- und Lkw-Hersteller erweitern ihr Portfolio. Die Regierung unterstützt den Aufbau lokaler Bauteilefertigungen.
28.02.2022
Von Hans-Jürgen Wittmann | Moskau
Regierung fördert Aufbau lokaler Halbleiterproduktion
Die Produktion von Pkw und Kleintransportern (LCV) erholte sich 2021 von den Pandemiefolgen und stieg im Vergleich zum Vorjahr um 10 Prozent auf rund 1,5 Millionen Einheiten, so Industrieminister Denis Manturow. Die Perspektiven für 2022 sind durchwachsen. Zwar bleibt die Nachfrage nach neuen Pkw auf hohem Niveau. Doch sind aufgrund der weltweiten Ausbreitung der Omikron-Variante des Coronavirus weitere Produktionsengpässe bei Elektronikbauteilen und Unterbrechungen in der Fertigung zu erwarten. Lieferengpässe bei Elektronikkomponenten dürften das Defizit an Neuwagen im 1. Halbjahr 2022 weiter verlängern.
Kategorie | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 |
---|---|---|---|---|
Pkw | 1.565.000 | 1.525.000 | 1.259.000 | 1.364.000 |
Lkw | 157.000 | 156.000 | 142.000 | 186.000 |
Busse | 47.800 | 16.100 | 13.800 | 14.500 |
Die Auswirkungen des weltweiten Defizits an Halbleitern werden Russlands Autobauer mindestens bis in die 2. Jahreshälfte 2022 begleiten, schätzen Branchenexperten von Awtostat. Der Produktionszyklus von Mikrochips beträgt rund sechs Monate. Der Lagerbestand der Autobauer ist jedoch durchschnittlich nur für maximal zwei Monate ausgelegt. Mitte Januar 2022 standen die Bänder bei AwtoVAZ zeitweise still.
In Russland ansässige lokale Hersteller von Elektronik, Mikrochips oder Halbleitern wie Mikron, die Kremnyj El Gruppe oder Angstrem-T können die von der Automobilindustrie geforderten hohen Qualitätsstandards nicht ohne Weiteres erfüllen. Dafür wäre erst eine aufwändige Umrüstung der Produktionsanlagen notwendig. Zudem dauert die Integration neuer Bauteile in die bestehenden Lieferketten der Autobauer bis zu zwei Jahre. Einzig der Konzern NPP ITELMA beliefert derzeit lokale Autobauer mit Elektronikkomponenten, und zwar mit dem russischen GPS-Ersatz Glonass.
Um die Lokalisierung von Kfz-Elektronik zu vertiefen, gewährt das Industrieministerium Herstellern, die eine lokale Fertigung aufbauen und Exportverpflichtungen eingehen, Subventionen. Diese Initiativen werden jedoch frühestens 2024 Früchte tragen, schätzen Branchenkenner. Bis dahin dürfte sich die weltweite Chipkrise abgeschwächt haben.
Autobauer erweitern ihr Produktportfolio
Russlands Autofabriken werden 2022 neue Modelle ausliefern. Der Branchenprimus AwtoVAZ produziert ab März 2022 ein Facelift des Lada-Modells Vesta. Der Premiumhersteller Aurus startet ab Herbst mit der Serienproduktion des Crossover-Modells „Komendant“ in Alabuga in der Republik Tatarstan. Der Automobilkonzern Stellantis wird ab Ende 2022 das Fiat-Modell Scudo lokalisieren und im PSMA-Werk in Kaluga fertigen. UAZ (gehört zu Sollers) plant, bei der Entwicklung seiner Modelle mit internationalen Autobauern zusammenzuarbeiten. Gemeinsam mit dem neu gegründeten Unternehmen Promfininvest will UAZ ausländische Investoren anlocken.
Hyundai hat 2018 einen Sonderinvestitionsvertrag (SPIK 1.0) geschlossen und verdreifacht seine Investitionen auf rund 635 Millionen Euro. Die Mittel fließen in den Ausbau der lokalen Produktionsflächen in Sankt Petersburg und in die Erweiterung der Modellpalette. Diese umfasst die Modelle Tucson, Palisade sowie den Kia Sportage. Letzteren montiert der Auftragsfertiger Awtotor im Gebiet Kaliningrad noch nach der Semi-Knocked-Down (SKD)-Methode. Branchenexperten erwarten, dass Hyundai künftig E-Mobile in Sankt Peterburg fertigen wird. Im Jahr 2022 bringt der südkoreanische Original Equipment Manufacturer fünf neue Modelle auf den Markt, darunter den E-Crossover Ioniq 5.
Awtotor baut auf seinen Sonderinvestitionsvertrag (SPIK 1.0) aus dem Jahr 2019 auf und investiert rund 235 Millionen Euro. Das Unternehmen erweitert seine Produktpalette um Elektromotoren, Antriebsbatterien und Wechselrichtern und will E-Mobile herstellen. Darüber hinaus baut der Auftragsfertiger seine Zusammenarbeit mit BMW weiter aus. Der bayerische Autobauer zog 2021 seine Pläne zum Bau eines eigenen Pkw-Werks in Russland endgültig zurück.
Vorhaben / Region | Investitionssumme (Mio. Euro) | Projektstand | Projektbetreiber |
Ausbau der lokalen Produktion, Erweiterung der Modellpallette, Produktion von E-Mobilen / Sankt Petersburg | 635 | Im Rahmen des 2018 geschlossenen Sonderinvestitionsvertrags; geplante Fertigstellung: 2027 | |
Bau einer Batteriezellenfertigung / Gebiet Kaliningrad | 258,6 | Geplante Inbetriebnahme: 2025 | Renera (gehört zu Rosatom) |
Produktion von Elektromobilen und Bauteilen / Gebiet Kaliningrad | 242,4 | Im Rahmen des 2019 geschlossenen Sonderinvestitionsvertrags; geplante Inbetriebnahme: 2023 | |
Ausbau der Produktion von Reifen / Gebiet Jaroslawl | 95,7 | Geplante Inbetriebnahme: 2026 | |
Erweiterung der Motorenproduktion um den 1,4 Liter TSI-Motor / Gebiet Kaluga | 70 | Im Rahmen des 2019 unterzeichneten Sonderinvestitionsvertrages; geplante Inbetriebnahme: 2024 |
Kamaz, Russlands Branchenprimus bei Lkw, investiert 2022 rund 210 Millionen Euro und damit etwa 40 Prozent mehr als im Vorjahr. Die Mittel fließen unter anderem in die Entwicklung der Modellpalette sowie den Ausbau der Produktion des Reihensechszylindermotors P6. Zudem plant Kamaz mit dem chinesischen Unternehmen JAC die lokale Fertigung des Lieferwagenmodells Compass in Nabereschnyje Tschelny.
Der Lkw-Produzent Ural will 2022 seine Fertigung um rund 8 Prozent auf 9.400 Einheiten erhöhen und ein Fünftel davon exportieren.
Regierung fördert Ausbau der lokalen Bauteileproduktion
Russlands Autobauer sind weiterhin auf importierte Komponenten angewiesen. Einfuhren bleiben vor allem bei technologisch anspruchsvollen Bauteilen wie Brems- und Lenksystemen sowie Motor- oder Getriebeteilen mittelfristig unerlässlich. Bei Bauteilen aus Glas, Gummi oder Plastik hingegen werden einheimische Lieferanten immer konkurrenzfähiger.
Die Regierung unterstützt den Aufbau lokaler Fertigungen sowie die Ansiedlung ausländischer Bauteileproduzenten. Hersteller erhalten über den Fonds zur Entwicklung der Industrie (FRP) Subventionen sowie vergünstigte Darlehen, wenn sie in den Aufbau einer lokalen Fertigung von Kfz-Komponenten und Baugruppen investieren. Häufig behindern fehlende lokale Zulieferer und die zu geringe Größe des russischen Kfz-Markts die Lokalisierung.
Mehrere deutsche Zulieferer entscheiden sich dennoch für den Aufbau einer lokalen Produktion. ZF Kama (Joint Venture von ZF und Kamaz) errichtet für 12,5 Millionen Euro eine Fertigung von Automatikgetrieben in Nabereschnyje Tschelny. Der deutsche Zulieferer für Nutzfahrzeuge SAF-Holland baut 2022 in Moskau ein Werk zur Fertigung von Scheiben- und Trommelbremsen für Lkw.
AwtoVAZ will 40 Prozent der Anteile des Bauteileherstellers OAT übernehmen, der zu Kamaz gehört. Der Föderale Antimonopoldienst (FAS) gab bereits grünes Licht. Zu OAT gehören derzeit zehn Bauteilehersteller, darunter das Dmitrowgradski Awtoagregatnij Sawod (DAAZ), Awtoswet oder Rosawtoplast. OAT liefert rund 90 Prozent seines Produktportfolios an Lada.
2020 | Veränderung 2020/2019 | aus Deutschland | |
---|---|---|---|
SITC 778.3 Kfz-Elektrik | 932,3 | -13,4 | 61,9 |
SITC 784 Karosserien, Stoßstangen etc. | 9.1967 | -16,6 | 1.321 |
SITC 773.13 Zündkabelsätze | 226,4 | -7,1 | 131,6 |
SITC 713.2 Motoren | 1.734,1 | -13,1 | 313,5 |
Summe | 12.089 | -15,7 | 1.828 |