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Mit Absatzförderprogrammen will die Regierung die Pkw-Verkäufe ankurbeln. Dabei wird die Modellpalette immer kleiner. Infrastrukturprojekte befeuern den Absatz von Nutzfahrzeugen.
01.03.2021
Von Hans-Jürgen Wittmann | Moskau
Der russische Automarkt wird 2021 um 2,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahr wachsen, schätzt die Association of European Businesses (AEB) - unter der Bedingung, dass kein weiterer Lockdown verhängt wird. Dabei dürften vor allem verschobene Beschaffungen aus dem Vorjahr die Nachfrage ankurbeln. Etwa 80 Prozent der aktuellen Kaufinteressenten planen eine Anschaffung in diesem Jahr, erklärt Aleksej Tokarew, Vorstandsvorsitzender der RosGosStrach-Bank. Und das trotz steigender Preise infolge der Rubelabwertung und der höheren Entsorgungsabgabe.
Um die schwächelnde Inlandsnachfrage anzukurbeln, verlängert die Regierung die Absatzfördermaßnahmen direkt bis 2023. Für das Jahr 2021 stehen etwa 100 Millionen Euro für Autokreditprogramme wie „Familienauto“ oder „erstes Auto“ zur Verfügung. Bei einem Kaufpreis von bis zu 1,5 Millionen Rubel wird das Modell mit 10 bis 25 Prozent der Summe begünstigt. Weiterhin stehen etwa 43 Millionen Euro für das vergünstigte Autoleasing bereit. Mit Hilfe dieser Maßnahmen möchte die Regierung etwa 93.000 Kfz zusätzlich an den Käufer bringen.
Im Jahr 2020 brach der Absatz von Pkw und LCV im Vergleich zum Vorjahr um 9,1 Prozent auf etwa 1,6 Millionen Einheiten ein. Weil andere Länder noch stärkere Rückgänge verzeichneten, kletterte Russlands Automarkt auf Rang vier in Europa.
Kategorie | 2019 | 2020 | Veränderung 2020/19 |
---|---|---|---|
Pkw *) | 1.759.532 | 1.598.825 | -9,1 |
Lkw | 80.657 | 74.120 | -7,4 |
Busse | 13.910 | 13.270 | -4,4 |
Zuwächse verzeichneten vor allem Hersteller von Sport Utility Vehicles (SUV) und Premiummodellen. Marktführer bleibt Lokalmatador AwtoWAZ (Lada) vor Kia und Hyundai. Erfolgreichster deutscher Konzern ist Volkswagen auf Platz fünf.
Hersteller | Absatz | Veränderung 2020/19 | Marktanteil 2020 |
AwtoWAZ (Lada) | 343.512 | -5 | 21,5 |
KIA | 201.727 | -11 | 12,6 |
Hyundai | 163.244 | -9 | 10,2 |
Renault | 128.408 | -11 | 8,0 |
Volkswagen | 100.171 | -4 | 6,3 |
Skoda | 94.632 | 7 | 5,9 |
Vor allem im Premiumsegment hat sich Russlands Automarkt schnell von den Folgen der Pandemie erholt. Für betuchte Käufer spielen die höheren Preise infolge der Rubelabwertung und der steigenden Entsorgungsabgabe nur eine untergeordnete Rolle. Der deutsche Premiumhersteller BMW verzeichnete 2020 einen neuen Absatzrekord und konnte seine Verkäufe im Vergleich zum Vorjahr um 3 Prozent auf 42.700 Einheiten steigern. Mercedes-Benz musste hingegen im Vergleich zum Vorjahr einen Absatzrückgang von 8 Prozent auf 38.800 Kfz hinnehmen.
Für die Autokäufer in Russland wird die Auswahl an Neufahrzeugen kleiner. Im Jahr 2020 standen 275 verschiedene Pkw-Modelle zum Kauf zur Verfügung, berichtet der Branchendienst Autostat - ein Drittel weniger als 2014. Häufig betroffen sind Pickups, Minivans und Kleinwagen aus lokaler Fertigung sowie bestimmte importierte Premiumkarossen. Allein im Jahr 2020 wurden 23 Pkw-Modelle aus dem Sortiment genommen, darunter der Roadster Mercedes AMG GT und der Arteon von Volkswagen. Hauptgrund für die Angebotsverknappung sind die sinkende Rentabilität und die geringe Marktgröße. Oft lohnt sich der Aufwand für die Zertifizierung und die Überführung bestimmter Modelle auf dem rückläufigen Markt nicht.
Statt auf Neuwagen zuzugreifen, erwerben Autokäufer verstärkt gebrauchte Modelle. Im Jahr 2020 wurden etwa 5,5 Millionen Gebrauchtwagen verkauft, schätzt der Branchendienst Autostat - ein Plus von 1,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die Verkäufe gebrauchter SUV-Modelle stiegen im Jahresvergleich gar um 10 Prozent auf etwa 1,3 Millionen Exemplare. Auf einen Neuwagen kamen 2020 vier gebrauchte. Auf russische Marken entfielen etwa 30 Prozent der Verkäufe. Am beliebtesten waren Lada-Modelle des Herstellers AwtoWAZ. Auf den Plätzen zwei und drei folgten Modelle japanischer (20 Prozent) und deutscher Hersteller (15 Prozent).
Der Altersdurchschnitt von Kfz auf Russlands Straßen ist sehr hoch und wächst seit 2014, dem Beginn der Rubelabwertung, stetig an. Die etwa 53 Millionen Kfz, darunter 46 Millionen Pkw (Stand: 1. Juli 2020), hatten zum 1. August 2020 im Schnitt stolze 13,6 Jahren auf dem Blechbuckel, meldet die Analyseagentur Autostat. Das entspricht einem Zuwachs um 1,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Entsprechend hoch ist der Verschleiß, sodass die Nachfrage nach Ersatzteilen steigt. Der älteste Autobestand ist auf der Halbinsel Kamtschatka mit 23,4 Jahren zu finden, der jüngste in der wohlhabenden Republik Tatarstan mit zehn Jahren.
Der russische Markt für Lkw wird 2021 um bis zu 6 Prozent wachsen, schätzt die Agentur Russian Automotive Market Research. Wachstumstreiber Nummer eins sind große Infrastrukturprojekte. Marktführer Kamaz plant, den Absatz auf 32.000 Einheiten zu steigern.
Im Jahr 2020 gingen die Verkäufe von Lkw über 3,5 Tonnen Gewicht im Vergleich zum Vorjahr um 7,4 Prozent auf etwa 74.000 Einheiten zurück, meldete der Branchendienst Autostat. Marktführer Kamaz verzeichnete ein leichtes Absatzplus und konnte mit 27.800 verkauften Einheiten seinen Platz an der Spitze verteidigen. Die GAZ Gruppe auf Platz zwei musste hingegen ein herbes Minus von 23,1 Prozent hinnehmen und verkaufte nur 6.800 Lkw. Auf Platz drei lag Scania mit 4.900 Einheiten, 12,4 Prozent weniger als im Vorjahr.
Moderne Mercedes-Lkw können in Russland von staatlichen Subventionen für das Leasing von Spezialtechnik profitieren. Das Industrieministerium hat Ende November 2020 die Regeln für das Vorzugs-Leasing auf Fahrzeuge der Abgasnorm Euro-6 erweitert. Das Joint-Venture Daimler-Kamaz Rus ist derzeit der einzige Hersteller von Lkw mit Euro-6-Motoren und kann somit pro Lkw einen Leasing-Rabatt von 20 Prozent der Kaufsumme beantragen.
Der russische Markt für leichte Nutzfahrzeuge (LCV) wird 2021 um etwa 7,8 Prozent zulegen, erwartet Russian Automotive Market Research. Im Jahr 2020 gingen die Verkäufe im Vergleich zum Vorjahr um 7 Prozent auf etwa 104.000 Einheiten zurück. Marktführer bleibt die GAZ Gruppe mit 44.500 Einheiten, einem Minus von 12 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Auf Platz zwei folgt UAZ mit 14.500 Verkäufen (minus 16 Prozent).