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Russlands Medizintechnikmarkt bleibt auf Wachstumskurs. Die Regierung stellt mehr Mittel im Kampf gegen Corona zur Verfügung. Absatzchancen bieten Projekte zum Bau neuer Kliniken.
21.12.2020
Von Hans-Jürgen Wittmann | Moskau
Zwischen den Jahren 2015 und 2019 stieg das Marktvolumen auf Rubelbasis um etwa zwei Drittel auf 305 Milliarden Rubel (etwa 4,7 Milliarden US-Dollar (US$), Jahresdurchschnittskurs der Zentralbank 2019: 1 US$ = 64,66 Rubel). Auf US-Dollarbasis beträgt der Zuwachs hingegen nur etwa ein Fünftel. Bis 2030 erwartet das Industrieministerium ein Marktwachstum auf etwa 8,4 Milliarden US-Dollar. Der Bedarf an neuer medizinischer Ausrüstung ist hoch. In den kommenden Jahren müssen etwa 20.000 medizinische Geräte modernisiert werden. Dies wird nicht ohne Importe - darunter aus Deutschland - möglich sein, die mittelfristig notwendig bleiben.
Bild vergrößernDie zweite Welle der Coronapandemie bringt das Gesundheitswesen an seine Belastungsgrenze. Anfang Dezember 2020 betrug der Bettenbestand für Covid-19-Patienten etwa 276.000, von denen landesweit etwa 80 Prozent belegt waren, berichtete Gesundheitsminister Michail Muraschko. In Windeseile entstanden im Frühjahr Behelfskliniken, die - nachdem sie im Sommer leer standen - mit Beginn der zweiten Welle schnell wieder in Betrieb genommen wurden.
Russlands Hersteller von Medizintechnik haben seit Beginn der Pandemie ihre Kapazitäten deutlich ausgeweitet. Pro Tag werden etwa 20 Millionen Masken, 500.000 Atemschutzmasken, 220.000 Schutzanzüge und 380.000 Liter Antiseptika hergestellt. Seit März 2020 wurden mehr als 12.000 Beatmungsgeräte, 5.000 Wärmebildkameras und 20.000 Luftdesinfektionsgeräte produziert.
Die Regierung steigert die Ausgaben im Kampf gegen die Pandemie, um Krankenhäuser besser mit Medizintechnik auszurüsten, und individuelle Schutzausrüstung sowie Testsysteme für das medizinische Personal zu beschaffen. Zudem hat die Regierung Ende April 2020 neun Hersteller von Medizintechnik und medizinischen Produkten zu systemrelevanten Unternehmen erklärt. Diese erhalten staatliche Hilfen zur Aufrechterhaltung ihres Geschäftsbetriebs.
Russlands Medizintechnikmarkt unterliegt zu etwa 80 Prozent der staatlichen Beschaffung, die wiederum den strengen Anforderungen an Lokalisierung und Importsubstitution Rechnung tragen muss. Die restlichen 20 Prozent entfallen auf private medizinische Einrichtungen. Im Jahr 2019 stieg der Umsatz der etwa 3.300 privaten medizinischen Organisationen um 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr auf etwa 204,4 Milliarden Rubel (etwa 3,2 Milliarden US$).
Um ihre Verkaufsmengen zu erhöhen und neue Märkte in den Regionen zu erschließen, setzen ausländische Anbieter meist auf Distributoren. Damit lassen sich Ausgaben für Transport, Personal und Logistik minimieren.
Im Zuge der Modernisierung der medizinischen Grundversorgung fließen Mittel in den Bau neuer Krankenhäuser und Polikliniken sowie Sanitätsstationen. Allein die Hauptstadt Moskau wird bis 2023 sämtliche 135 städtischen Polikliniken renovieren, kündigte Bürgermeister Sergei Sobjanin an. Auch in den Regionen entstehen neue Krankenhäuser, Onkologiezentren sowie Kinderkliniken.
Deutsche Medizintechnikhersteller investieren in lokale Produktionen. Der Medizintechnikproduzent Sarstedt errichtet bis 2022 in Sankt Petersburg ein Werk zur Herstellung von Einweg-Blutentnahmesystemen für etwa 21 Millionen Euro. B. Braun hat Ende Oktober 2020 in Kirow im Gebiet Wladimir ein weiteres Dialysezentrum eröffnet.
Projekt | Investitionssumme | Anmerkung | Internetadresse |
Bau eines Onkologiezentrums / Region Krasnodar | 223,9 | Geplante Fertigstellung: 2026 | |
Bau eines Palliativzentrums und zweier Onkologieabteilungen / Sankt Petersburg | 211,3 | k.A. | Schwabe Holding (gehört zu Rostec) |
Bau eines nuklearmedizinischen Zentrums / Gebiet Kaluga | 196,7 | Geplante Fertigstellung: 2026 | |
Bau des Innovationszentrums für Medizintechnik "Baltijskaja Dolina" / Gebiet Kaliningrad | 166,2 | Geplante Fertigstellung: 2024 | |
Modernisierung des nationalen medizinischen Forschungszentrums NIMZ / Gebiet Tomsk | 133,3 | Geplante Fertigstellung: 2023 | |
Bau einer Kinderklinik / Balaschicha, Gebiet Moskau | 120 | Projektierung; geplante Fertigstellung: 2022 | |
Bau einer Kinderklinik / Krasnogorsk, Gebiet Moskau | 116,6 | Geplante Fertigstellung: 2022 | |
Ausbau der Meschalkin-Klinik (u.a. Bau eines Zentrums für Positronen-Emissions-Tomographie) / Gebiet Nowosibirsk | 110 | Projektierung | Schwabe Holding (gehört zu Rostec) |
Bau eines Zentrums für Protonentherapie / Gebiet Moskau | 105,6 | k.A. | |
Bau einer multifunktionalen Klinik / Nischnewartowsk, Gebiet Tjumen | 93,3 | Geplante Fertigstellung: 2021 | |
Bau eines Onkologiezentrums / Gebiet Saratow | 71,1 | Geplante Fertigstellung: 2023 | |
Bau einer Radiologieabteilung, Ostsibirischen Onkologiezentrum / Gebiet Irkutsk | 68 | Geplante Fertigstellung: 2022 | Rusatom Healthcare (gehört zu Rosatom) |
Bau eines Zentrums zur PET-Diagnostik / Region Primorje | 66,6 | Geplante Fertigstellung: 2022 | |
Bau eines Infektionskrankenhauses / Region Perm | 66,6 | Geplante Fertigstellung: 2021 | |
Bau eines Kinderkrankenhauses / Gebiet Twer | 50,3 | Geplante Fertigstellung: 2023 | RT-SozStroj (gehört zu Rostec) |
Ein wichtiger Entwicklungstreiber für die Medizintechnikbranche ist die Umsetzung des nationalen Projekts „Gesundheitsfürsorge“, das Präsident Putin 2018 angestoßen hatte. Bis 2024 fließen insgesamt rund 19,5 Milliarden Euro zur Senkung der Sterberaten bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs. Für die Jahre 2021 bis 2023 sind 7,8 Milliarden Euro im föderalen Haushalt eingeplant. Insgesamt stehen für die Finanzierung des Gesundheitswesens in den kommenden drei Jahren etwa 36,6 Milliarden Euro zur Verfügung.
Ein weiterer Fokus des nationalen Projekts liegt auf der Modernisierung der primären Gesundheitsversorgung, deren Start wegen der Coronapandemie auf den 1. Januar 2021 verschoben wurde. Bis 2025 stehen etwa 5,5 Milliarden Euro zur Modernisierung medizinischer Einrichtungen und zur Ausrüstung mit Medizintechnik und Krankenwagen zur Verfügung.
Fachbereich | Anzahl |
---|---|
Polikliniken/Ambulanzen | 20.228 |
Krankenhäuser/Spitale | 5.257 |
Sanatorien und Erholungsheime | 1.755 |
Anfang Dezember 2020 genehmigte die Regierung einen Aktionsplan zur Umsetzung der „Strategie zur Entwicklung des Gesundheitswesens bis 2025“. Der Plan sieht Maßnahmen zur Einführung neuer Technologien, der Erhöhung der Verfügbarkeit medizinischer Versorgung, der Modernisierung von Krankenhäusern und Kliniken, der Entwicklung der Palliativversorgung, sowie der Verhinderung der Ausbreitung gefährlicher Krankheiten vor.
Indikator | Wert |
---|---|
Einwohnerzahl (2019 in Mio.) | 146,7 |
Bevölkerungswachstum (2019 in % p.a.) | -0,1 |
Altersstruktur der Bevölkerung (2018) | |
Anteil der unter 14-Jährigen (in %) | 17,7 |
Anteil der über 65-Jährigen (in %) | 15 |
Durchschnittliche Lebenserwartung bei Geburt (2019 in Jahren) | 73,4 |
Durchschnittseinkommen (2019 in Euro) 1) | 485,8 |
Gesundheitsausgaben pro Kopf (2019 in Euro) 1) | 358,0 |
Anteil der Gesundheitsausgaben am BIP (2019 in %) | 3,5 |
Ärzte/100.000 Einwohner (2018) | 479 |
Zahnärzte/100.000 Einwohner (2018) | 43 |
Krankenhausbetten/100.000 Einwohner (2018), davon | 799 |
privat | 12 |
öffentlich | 787 |
Die Pandemie sorgt für einen steigenden Bedarf an Telemedizinlösungen. Die Nachfrage nach E-Health-Anbietern hat sich von März bis November 2020 verzehnfacht, meldet der Online-Bezahldienst CloudPayments. Die staatliche VEB-Bank rechnet mit jährlichen Zuwachsraten von 16 Prozent. Bis 2025 soll das Marktvolumen auf etwa 1,1 Milliarden Euro steigen.
Der Russische Fonds für Direktinvestitionen (RDFI), die IT-Firma Zifromed (gehört Rostelecom und Rostec) und der Online-Beratungsdienst Doctis entwickeln eine digitale medizinische Plattform auf Basis der Klinikkette Mat i Ditja (Mutter und Kind). Zudem hat sich Doctis im August 2020 in das soziale Netzwerk "Odnoklassniki" (gehört zur Mail.ru Group) integriert, um damit mehr Kunden ansprechen zu können.
Russlands Gesundheitssystem wird digitaler. Der Krankenversicherungsfonds vernetzt das Informationssystem der gesetzlichen Krankenversicherung (OMS) mit dem staatlichen Gesundheitsinformationssystem (EGISZ). Im Zuge des Föderalen Projekts „Digitale Region“, wird Rostelecom ab 2021 die digitale Medizin in den Regionen weiterentwickeln.
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