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Branchen | Russland | Nahrungsmittel

Markttrends

In Russland werden jedes Jahr Nahrungsmittel und Getränke für rund 200 Milliarden Euro verkauft. Auch in Krisenzeiten wächst der Markt stabil. 

Von Gerit Schulze | Moskau

Lebensmittel sind krisenrobuste Produkte. Während der Coronapandemie stieg ihr Anteil am Einzelhandelsumsatz in Russland um einen Prozentpunkt auf 49 Prozent. Auf Rubelbasis legten die Verkäufe seit 2012 um die Hälfte zu.

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Der Absatz wichtiger Grundnahrungsmittel entwickelte sich Rosstat zufolge auch 2020 positiv: Bei Gemüse wurde mit 3,6 Millionen Tonnen ein Zuwachs von 19 Prozent erzielt, bei Milch mit 17,2 Millionen Tonnen ein Plus von 6 Prozent und bei Fleisch mit 12,2 Millionen Tonnen (Lebendgewicht) eine Steigerung von 5 Prozent.

Ein Teil des Marktwachstums ist auf die Inflation zurückzuführen. Laut Steuerdatendienst OFD lagen die Preise für Roggenbrot im Januar 2021 rund 12 Prozent über dem Vorjahreswert, für Weizenmehl 25 Prozent, für Sonnenblumenöl 47 Prozent und für Zucker 68 Prozent. Die Regierung versucht daher, die Preise für Grundnahrungsmittel zu regulieren. Bei Zucker und Sonnenblumenöl mussten sich Hersteller und Händler Ende 2020 zu Maximalpreisen für die Endverbraucher verpflichten, was zu Engpässen bei der Versorgung führte. 

Ein Drittel der Haushaltsausgaben für Lebensmittel

Nach Angaben der russischen Statistikbehörde geben die Haushalte durchschnittlich 35 Prozent ihres Einkommens für Essen und Trinken aus. Pro Kopf und Monat sind das rund 90 Euro für die wichtigsten Grundnahrungsmittel. Der Verbrauch von Milchprodukten und Fleisch liegt noch deutlich unter westeuropäischen Werten.

Pro-Kopf-Ausgaben russischer Haushalte für Lebensmittel (pro Monat, 2019)

Produktgruppe

Ausgaben in Rubel

Ausgaben in Euro *)

Fleisch- und Fleischprodukte

1.938

26,75

Milch- und Milchprodukte

1.088

15,02

Brot und Brotwaren

972

13,42

Gemüse (einschließlich Melonen)

699

9,65

Obst und Beeren

617

8,52

Fisch- und Fischprodukte

480

6,62

Zucker und Süßwaren

400

5,52

Kartoffeln

127

1,75

Eier

117

1,61

Pflanzliche und andere Öle

92

1,27

*) Umgerechnet zum Jahreswechselkurs der EZB für 2019: 1 Euro = 72,4553 RubelQuelle: Rosstat

Ein starkes Wachstumssegment ist der Onlinehandel mit Lebensmitteln. Laut Branchendienst InfoLine erreichte der Umsatz 2020 rund 1,7 Milliarden Euro und könnte bis 2023 auf 7 Milliarden Euro wachsen. Der Anteil am Lebensmittelhandel liegt bisher unter einem Prozent.  

Backwaren: Immer mehr Verbraucher verzichten auf Brot

Dem Markt für Backwaren fehlen die Impulse. Die Produktion von frischem Brot schrumpft seit zehn Jahren in Folge und lag 2020 mit 5,4 Millionen Tonnen rund ein Fünftel unter dem Niveau von 2010. Das Marktforschungsunternehmen Credinform beziffert den jährlichen Pro-Kopf-Verbrauch an Brot und Backwaren auf 115 Kilogramm. 

Vor allem der Trend zu gesünderer Lebensweise lässt den Verbrauch sinken. Bereits jeder achte Russe konsumiert überhaupt kein Brot. Wachstum erzielen können aber spezielle Brotwaren, etwa kalorienarme oder mit zusätzlichen Nährstoffen angereicherte Sorten. 

Molkereiprodukte: Hohes Wachstum bei Käse und Speiseeis

Für 2020 ermittelte Rosstat bei der Milchproduktion einen Zuwachs von 3 Prozent auf 32,2 Millionen Tonnen. Für das laufende Jahr erwartet der Branchenverband Sojusmoloko einen weiteren Anstieg um 3,5 Prozent. In den letzten fünf Jahren wurden in Russland 1.200 Rinderfarmen neu gebaut oder modernisiert. Die Milchproduktion konnte so jedes Jahr um bis zu 300.000 Tonnen gesteigert werden, berichtete das Landwirtschaftsministerium. Dabei legten die Exporte überdurchschnittlich zu. Vor allem China kauft immer mehr russische Milch.

Ein wichtiges Wachstumssegment ist die Käseproduktion, die 2020 um 5 Prozent auf 566.000 Tonnen anstieg. Laut Sojusmoloko verbrauchen die Russen pro Kopf und Jahr 5,5 Kilogramm Käse und damit nur ein Drittel des europäischen Durchschnittswertes.

Russlands Käsehersteller planen nach Angaben von Streda Consulting in den nächsten drei bis fünf Jahren den Ausbau ihrer Kapazitäten um 150.000 Jahrestonnen.

Auch bei Joghurt rechnen Experten 2021 mit Wachstum. Der Pro-Kopf-Verbrauch soll wieder auf 5,7 Kilogramm steigen und damit das Vorkrisenniveau erreichen, prognostiziert die Rosselchosbank.

Erhebliche Engpässe werden 2021 bei Speiseeis erwartet. Grund ist die digitale Pflichtkennzeichnung der Eisverpackungen ab 1. Juni. Mitte Mai 2021 gaben 40 Prozent der russischen Hersteller an, die Anlagen zum Aufbringen der QR-Codes nicht rechtzeitig installieren zu können. Unilever (10 Prozent Marktanteil) hatte deshalb angekündigt, seine Anlagen in Omsk und Tula für zehn Tage anzuhalten. Der russische Markt für Speiseeis hatte 2020 nach Angaben des Branchenverbands ein Volumen von 450.000 Tonnen. Der jährliche Pro-Kopf-Verbrauch liegt bei 3,1 Kilogramm. Für 2021 wird ein Plus von 1 Prozent erwartet.

Getränke: Bierausstoß steigt trotz geschlossener Bars

Die Schließung von Bars und Restaurants im Coronajahr 2020 hatte erhebliche Auswirkungen auf den Getränkemarkt. Entfielen vor der Pandemie noch 11 Prozent des Bierabsatzes auf Hotels und Restaurants, so waren es 2020 nur noch 8 Prozent. Vor allem die kleineren Craft-Brauereien hatten darunter zu leiden.

Die Bierproduktion stieg Rosstat zufolge 2020 dennoch um 3 Prozent auf 79,5 Millionen Hektoliter. Alkoholfreie Sorten und Biermixgetränke erzielten überdurchschnittliche Zuwachsraten. Mit dem Ende der Beschränkungen im Restaurant- und Tourismusgeschäft sind ab 2021 höhere Absatzvolumina zu erwarten.

Die geplante Einführung der digitalen Pflichtkennzeichnung für Bier wird nach Einschätzung von Experten zur einer weiteren Konsolidierung führen, weil kleinere Anbieter vom Markt verschwinden.

Auch für verpacktes Mineralwasser ist eine Kennzeichnung mit QR-Codes vorgesehen. Nach Angaben der russischen Steuerbehörde entfällt ein Drittel der Mineralwasserverkäufe auf den Graumarkt. Diesen Absatzkanal soll die Warenkennzeichnung austrocknen.

Fleisch: Rekordwert beim Pro-Kopf-Verbrauch

Das Jahr 2020 brachte für Russlands Fleischmarkt einige Rekordmarken. Mit 11,2 Millionen Tonnen deckte die einheimische Produktion theoretisch den Inlandsbedarf. Das gilt jedoch nicht für alle Fleischarten. Für 2021 prognostiziert das Zentrum für Agroanalytik einen weiteren Anstieg der Produktion auf 11,5 Millionen Tonnen.

Der Pro-Kopf-Verbrauch erreichte 77 bis 78 Kilogramm, berichtete die Fachzeitschrift Agroinvestor. Laut Landwirtschaftsministerium konnte Russland seine Fleischexporte 2020 um 55 Prozent gegenüber dem Vorjahr steigern. Insgesamt wurden 500.000 Tonnen ins Ausland geliefert, vor allem nach China, Vietnam und in die Ukraine. 

Verteilung der russischen Fleischproduktion 2020 (in Millionen Tonnen)

Fleischart

Produktion *)

Geflügelfleisch

5,0

Schweinefleisch

4,1

Rindfleisch

1,7

Lammfleisch

0,2

*) SchlachtgewichtQuelle: Zeitschrift Agroinvestor nach Daten der Analyseagentur IMIT

Beim Fleischkonsum ändern sich die Vorlieben der Verbraucher. Der Verbrauch von Rindfleisch sank 2020 um 2,8 Prozent auf 1,86 Millionen Tonnen, der Geflügelkonsum um 0,2 Prozent auf 5,02 Millionen Tonnen. Dagegen stieg die Nachfrage nach Schweinefleisch laut Nationaler Union der Schweinezüchter um 5,8 Prozent auf 4,15 Millionen Tonnen. Der Verband sieht bei Schweinefleisch bereits erste Anzeichen von Überkapazitäten. Große Hersteller investieren daher eher in die Logistik und in Marketingmaßnahmen statt in neue Produktionsstätten.

Süßwaren: Steigende Rohstoffpreise dämpfen die Stimmung

Der russische Süßwarenmarkt schrumpfte 2020 um 4 Prozent auf ein Volumen von 3,5 Millionen Tonnen, schätzt der Branchenverband ASKOND. Besonders kleine Hersteller kämpfen mit hohen Rohstoffpreisen, die sie nicht an die Verbraucher weitergeben können. Experten rechnen deshalb mit einer weiteren Konsolidierung des Marktes.

Wie in anderen Nahrungsmittelsegmenten verstetigt sich bei Süßwaren der Trend zu gesünderen Produkten, etwa Reiswaffeln oder Vollkornsnacks. Der durchschnittliche Zucker- und Kaloriengehalt von Süßwaren sinkt kontinuierlich. Die Hersteller verwenden mehr natürliche Inhaltsstoffe. Außerdem steigt die Bedeutung von Eigenmarken der Handelsketten.

Stand: Juni 2021

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