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Markttrends

Die Regierung erhöht den Druck auf Autobauer, ihre Produktion stärker zu lokalisieren. Sie fördert die Umrüstung von Kfz auf Gasantriebe und die Entwicklung des autonomen Fahrens.

Von Hans-Jürgen Wittmann | Moskau

Regierung erhöht Entsorgungsabgabe zunächst nicht

Industrieminister Denis Manturow erklärte Ende Dezember 2021, dass die bereits mehrfach angekündigte Anhebung der Entsorgungsabgabe für Pkw und Lkw im Jahr 2022 vorerst vom Tisch sei. Davon profitieren vor allem Importeure. Sie erhalten keine Industriesubventionen und damit de facto keine Erstattung der Entsorgungsabgabe - im Gegensatz zu lokalisierten Produzenten mit einem Sonderinvestitionsvertrag (SPIK 1.0).

Seit 1. Januar 2022 koppelt Russland die Industriesubventionen vollständig an den Lokalisierungsgrad. Erst ab einem bestimmten Anteil lokal erbrachter Wertschöpfung haben Autobauer Ansprüche auf staatliche Unterstützung. Der lokalen Anteil der Produktion wird über ein Punktesystem bestimmt. Für das Schweißen und Lackieren der Karosserie werden 900 Punkte vergeben, für die Motorenfertigung 25 Punkte und für die lokale Produktion elektronischer Steuergeräte 50 Punkte. Im Jahr 2022 müssen mindestens 2.000 Punkte erreicht werden, 2023 steigt die Vorgabe auf 2.567 Punkte.

Staat verschärft Kontrolle des Lokalisierungsgrades

Um die strengen Lokalisierungsanforderungen zu überprüfen, will sich das Industrieministerium künftig nicht mehr nur auf Angaben der Hersteller verlassen. Stattdessen sollen Kfz "Made in Russia" zerlegt werden, um die lokal erbrachten Prozessschritte wie Schweißen, Lackieren oder Montage nachvollziehen zu können. Zudem müssen Bauteilelieferanten mit unangekündigten Kontrollbesuchen rechnen.

Die Regierung lockt ausländische Autobauer mit Subventionen und Vergünstigungen. Daneben bewirbt das Industrieministerium die im Vergleich zur Europäischen Union niedrigeren Kosten für Energie und die im Vergleich zu China um rund 30 Prozent günstigeren Personalkosten als wichtige Standortvorteile. Der Erfolg der Lokalisierungspolitik bleibt jedoch fraglich: Aufgrund einer unzureichend entwickelten Zulieferlandschaft bleiben Einfuhren von Komponenten unerlässlich. Teilweise sind die Preise der vor Ort gefertigten Modelle sogar höher als von Importwagen. 

Im Jahr 2022 soll der Absatz von Gebrauchtwagen im Vergleich zum Vorjahr um 10 Prozent steigen auf rund 6,7 Millionen Stück, schätzt der Branchenexperte Sergej Burgasliew. Der Durchschnittspreis für einen Gebrauchten legte um etwa 12 Prozent auf rund 1,2 Millionen Rubel zu.

Im Vorjahr 2021 stieg der Absatz gebrauchter Pkw im Jahresvergleich um ein Viertel auf rund 6,1 Millionen Stück, meldet der Branchendienst Awtostat-Info. Damit ist der Markt für Gebrauchtwagen im Vergleich zu Neuwagen rund viermal größer. Vor allem die kurzen Modernisierungszyklen bei Carsharing- und Taxidiensten sind für die Dynamik verantwortlich. So kommen jährlich viele Jahreswagen auf den Gebrauchtwagenmarkt. Das Defizit an Neuwagen steigert zudem die Nachfrage nach Gebrauchtfahrzeugen.

Nachfrage nach Gasantrieben steigt

Russlands Kfz-Flotte, die mit Autogas (LPG) fährt, wuchs von 2018 bis 2021 um rund 250 Prozent auf 227.000 Fahrzeuge. Im Verhältnis zum gesamten Fuhrpark sind dies aber nur rund 1 Prozent. Das Land will die Zahl der Kfz mit Gasantrieb ausweiten. Dafür stellt das Industrieministerium Subventionen für die Umrüstung von Verbrennern auf Autogas bereit sowie Zuschüsse für die Anschaffung neuer gasbetriebener Fahrzeuge.

Russlands Kfz-Hersteller entwickeln Fahrzeugmodelle, die mit LPG betrieben werden können. Russlands Lkw-Branchenprimus Kamaz plant die Serienproduktion moderner Lkw der K5-Generation mit Autogas. Der Nutzfahrzeughersteller GAZ produziert seit März 2021 das gasbetriebene Busmodell LIAZ-5292 in Likino-Dulewo im Gebiet Moskau. Die Stadt Sankt Petersburg will bis Mai 2022 rund 2.800 Busse verschiedener Hersteller kaufen, davon größtenteils mit Gasantrieb.

Die Zahl der Autogastankstellen stieg von 2018 bis 2021 um mehr als das Doppelte auf 650 Einheiten. Kamaz und Tatneft werden bis Ende 2022 weitere 14 LPG-Tankstellen an den föderalen Autobahnen M5, M7 und M10 eröffnen. Novatek will mit der Tochtergesellschaft Novatek SPG Topliwo ein landesweites Einzelhandelsnetz für LPG aufbauen.

Autonomes Fahren erhält neuen Schub

Die Regierung entwickelt das autonome Fahren. Sie rechnet damit, dass der Anteil des fahrerlosen Güter- und Passagierverkehrs in großen russischen Städten bis 2030 auf 5 Prozent steigt. Dazu fließen rund 10 Milliarden Euro in die Branche. Rund die Hälfte der Mittel sollen aus privater Hand über öffentlich-private Partnerschaften (ÖPP) kommen. Rund 4,5 Milliarden Euro sind allein für die Entwicklung der Infrastruktur für autonome Straßenfahrzeuge vorgesehen, darunter auf der Autobahn M11 Moskau - Sankt Petersburg, der Moskauer Ringautobahn ZKAD und der Autobahn M12 von Moskau nach Kasan. Weitere 1,8 Milliarden Euro fließen in den Ausbau eines Lade- und Tankstellennetzes für den unbemannten Straßenverkehr.

Vorreiter beim autonomen Fahren ist Kamaz. Russlands größter Lkw-Hersteller entwickelt das Sattelschleppermodell 54901 mit Autonomieklasse 3+. Bis 2025 soll das Modell 54907 "Kontinent" der Autonomieklasse 4 auf den Markt kommen. Das Forschungsinstitut NAMI stellte Ende 2021 einen autonom fahrenden Prototyp des Lada Vesta vor. Die Sberbank-Tochter SberAutoTech entwickelt das autonome Taxi FLIP. Neben Lithium-Ionen-Batterien kann das Fahrzeug auch mit Erdgas oder Wasserstoff betrieben werden.

Zum Einsatz im Normalbetrieb sollen die autonomen Fahrzeuge künftig vor allem auf der Autobahn M11 kommen. Das Verkehrsministerium und das Logistikunternehmen Delowyje Linii planen bis 2024 auf der rund 670 Kilometer langen Trasse einen Transportkorridor für fahrerlose Lkw zu errichten. Bis 2030 sollen bereits rund 19.500 Kilometer föderaler Straßen mit digitaler Infrastruktur ausgerüstet werden. Die Kosten werden auf rund 100 Millionen Euro geschätzt.


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