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Metallurgie bleibt wichtigster Wirtschaftszweig in Tscheljabinsk
Die Uralregion ist einer der wichtigsten Metallproduzenten des Landes. Metallurgiekombinate investieren in die Steigerung ihrer Produktivität und die Senkung des CO2-Ausstoßes.
20.01.2022
Von Hans-Jürgen Wittmann | Moskau
Die Erzeugung von Metall steht für mehr als 60 Prozent der Industrieproduktion des Gebiets Tscheljabinsk. Jede vierte Tonne Walzgut sowie rund 12 Prozent der gesamten russischen Stahlrohrproduktion kommen aus der Uralregion, darunter auch rund zwei Drittel der Ausfuhrware. Die Perspektiven sind gut. Die Nachfrage nach Eisen und Stahl wird in Russland bis 2025 jährlich um 3 Prozent steigen, schätzt Pawel Schiljajew, Generaldirektor des Magnitogorsker Metallurgiekombinats (MMK).
Bedarf an Automatisierungslösungen steigt
Die Metallkonzerne der Uralregion müssen ihre Arbeitsproduktivität steigern. Die Nachfrage der Branche nach digitalen Lösungen wächst. MMK will durch die Einführung von Industrie 4.0 die Effizienz in der Produktion erhöhen. Das Tscheljabinsker Rohrwalzwerk (Chelpipe) setzt bei der Automatisierung und Einführung energieeffizienter Lösungen auf IIoT (Industrial Internet of Things)-Lösungen zum Sammeln und Verarbeiten von Daten auf Basis der Cloud-Lösung Siemens Mind Sphere. Das Unternehmen NPP LMT in Miass will die Produktion von Gussteilen für die Öl- und Gasindustrie automatisieren, um die Produktivität zu steigern und den Arbeitskräftemangel in der Region auszugleichen.
Metallurgiekonzerne kündigen Modernisierungsvorhaben an
Die Metallurgie gilt als eine der investitionsfreudigsten Bereiche der russischen Wirtschaft. Allein in den kommenden 20 Jahren beläuft sich der Investitionsbedarf der Branche auf rund 12 Milliarden Euro, schätzt Pawel Schiljajew. MMK steckt bis 2025 jährlich rund 1,1 Milliarden Euro in neue Projekte, darunter in den Bau einer neuen Stranggießanlage für rund 485 Millionen Euro sowie in die Errichtung einer Linie zur Wärmebehandlung von Stahl. Die Trubnaja Metallurgitscheskaja Kompanija (TMK) investiert in die Modernisierung ihrer Werke, darunter auch in Chelpipe, das 2021 übernommen wurde.
Der zum 1. August 2021 erhöhte Exportzoll und die seit 1. Januar 2022 angehobene Mineralextraktionssteuer (NDPI) drücken jedoch auf die Marge der Metallerzeuger. Daher ist mit einem Aufschub von Investitionen zu rechnen.
Aktuelle Investitionsprojekte in Anlagen in der Metallurgie im Gebiet Tscheljabinsk
Vorhaben | Investitionssumme (in Mio. Euro) | Projektstand | Projektträger |
Bau der neuen Koksofenbatterie Nr. 12: Bau von Trockenkokslöscheinheiten, einer Entschwefelungs- und Denitrierungseinheit und einer Kokssortieranlage / Magnitogorsk | 787 | Engineering: Sinostil Equipment and Engineering Co. Ltd. (China); Projektdokumentation: Magnitogorsk Gipromez; geplante Fertigstellung in 2 Etappen: 2022-2023 | |
Modernisierung des Walzwerks, u.a. der Anlage zum Warmwalzen / Magnitogorsk | 260 | Geplante Fertigstellung: 2024 | |
Bau eines Dampfkraftwerks / Magnitogorsk | 254,1 | Projektierung; geplante Fertigstellung: 2024; Anlagenlieferant: ZDAS A.S. (Tschechien) | |
Bau eines Zink-Elektrolyte-Werks / Sonderentwicklungsgebiet (TOR) Werchnij Ufalej | 247 | Geplante Inbetriebnahme: 2022 | OOO Polimet Engineering (gehört zu Otinia Ltd. in Zypern) |
Ausbau und Umrüstung der Kupferschmelze im Werk Karabaschmed: Installation neuer Anodenöfen und Modernisierung eines Konverters / Karabasch | 110,6 | Geplante Fertigstellung: 2022 | |
Modernisierung der Kupferelektrolyse im Kyschtymski Medelektrolitnij Sawod / Kyschtym | 108,2 | Geplante Fertigstellung: 2022 |
Umwelt- und Klimaschutz rücken in den Fokus
Russland soll bis 2060 klimaneutral werden, kündigte Präsident Wladimir Putin auf der Russian Energy Week im Oktober 2021 an. Die Europäische Union, einer der wichtigsten Absatzmärkte für russisches Metall, stellte in Aussicht, einen Grenzausgleich (Carbon Border Adjustment Mechanism) für Kohlendioxid einzuführen. Auf Exporteure von Produkten mit hohem CO2-Fußabdruck wie Metalle kommen weitere Kosten von rund 3 bis 5 Milliarden Euro pro Jahr zu. Zudem spielt die Einhaltung von ESG-Kriterien (Environment, Social, Government) bei der Finanzierung von Projekten eine immer wichtigere Rolle.
Milliardeninvestitionen sollen Schadstoffausstoß senken
Für die Metallurgie als einem der größten Umweltsünder gehört die Reduzierung der Treibhausgasemissionen zu den wichtigsten zukünftigen Herausforderungen. Die Transformation der russischen Metallerzeugung auf grüne Technologien erfordert in den kommenden 20 Jahren Aufwendungen von rund 12 Milliarden Euro, schätzt Pawel Schiljajew.
Metallurgiekombinate im Gebiet Tscheljabinsk investieren in moderne Umwelttechnik. Das Magnitogorsker Metallurgiekombinat (MMK) will seinen Schadstoffausstoß bis 2025 um 2,2 Millionen Tonnen senken und steckt rund 450 Millionen Euro in neue Umwelttechnik. Im September 2021 unterzeichnete MMK mit der SMS Group eine Absichtserklärung zur Entwicklung und Anwendung von Technologien zur Dekarbonisierung bis 2026. Unter anderem soll Wasserstoff durch Elektrolyse produziert werden. Darüber hinaus will MMK Ökostrom von Fortum beziehen, um seinen CO2-Fußabdruck zu senken. Dazu will der finnische Energiekonzern einen neuen Windpark bei Magnitogorsk errichten.
Weiterhin plant MMK, die rund 34 Millionen Tonnen Schlacken auf den Abraumhalden rund um Magnitogorsk bis 2025 um 45 Prozent zu verringern. Die übrigen Halden sollen verdichtet und rekultiviert werden.
Der Bergbau- und Metallurgiekonzern Mechel vereinbarte 2021 mit der Gebietsregierung eine Reduzierung des Schadstoffausstoßes um 433 Tonnen pro Jahr. Hierfür investiert er in Tscheljabinsk bis 2024 rund 175 Millionen Euro in neue Umwelttechnik. Mit dem Tochterunternehmen Mechel-Materialy verarbeitet der Konzern vor Ort Schlacke zu Schotter für den Straßenbau. Sie kann aber auch für die Produktion von Mineralwolle, Zement und Beton zum Einsatz kommen.
Russkaja Mednaja Kompanija (RMK) modernisiert die Gasreinigungssysteme im Werk Karabaschmed. Zudem begann das Unternehmen im Juni 2021 mit der Rekultivierung der Abraumhalden in Karabasch. In die Reinigung der umliegenden Seen, die Renaturierung des Flusses Sal-Elga sowie die Sanierung kontaminierter Böden fließen weitere 23,5 Millionen Euro. In Kyschtym wird das Gelände des Kupferelektrolysewerks rekultiviert.
Das Tscheljabinsker Rohrwalzwerk (Chelpipe) modernisiert im Rahmen des Projekts "Saubere Luft“ noch bis Ende 2022 die Gasreinigungsanlagen.
Aktuelle Investitionsprojekte in Umwelttechnik in der Metallurgie im Gebiet Tscheljabinsk
Vorhaben | Investitionssumme (in Mio. Euro) | Projektstand | Projektträger |
Bau und Ausrüstung des Hochofens Nr. 11 mit umweltfreundlichen Technologien / Magnitogorsk | 720 | Im Bau; geplante Fertigstellung: 2024; Anlagenlieferant: Paul Wurth (Luxemburg, Tochterunternehmen der SMS Group) | |
Ausrüstung der Kokerei, des Hochofens und Sintermaschinen mit moderner Filtertechnik / Magnitogorsk | 235 | Projektdokumentation RT-Chimkomposit (gehört zu Rostech); geplante Fertigstellung: 2024 | |
Bau einer Luftzerlegungsanlage und von Speichersystemen für flüssigen Sauerstoff / Magnitogorsk | 222,5 | Projektierung; geplante Fertigstellung: 2023; Anlagenlieferant: HangZhou Oxygen Plant Group Co. Ltd. (China) | |
Reduzierung des CO2-Ausstoßes / Tscheljabinsk | 123,5 | Geplante Fertigstellung: 2024 | |
Modernisierung der Gasreinigungsanlagen: Beschaffung neuer Staub- und Gassammeleinheiten, Sanierung des Gasabzugs der Konverter Nr. 1, 2, 3 / Magnitogorsk | 41,2 | Im Bau; geplante Fertigstellung: 2022; Anlagenlieferant: Primetals Technologies Austria GmbH (Österreich) | |
Installation einer wasserlosen Kühlung von Hochofenschlacke / Magnitogorsk | 38,8 | Geplante Fertigstellung: 2024 | |
Umrüstung der Kokerei Nr. 1 und der Koksofenbatterie Nr. ; Installation einer Aspirationsanlage für die Gießerei, Reduzierung des Gasverbrauchs in den Walzwerken 1,3 und 4, Modernisierung von Gasreinigungsanlagen / Tscheljabinsk | 35,3 | Geplante Fertigstellung: 2025 | |
Bau einer Begasungsanlage für den Elektrolichtbogenofen Nr. 1 / Magnitogorsk | 31,8 | Im Bau; geplante Fertigstellung: 2022 | |
Schließung des östlichen Tagebaus und Rekultivierung der Landschaft / Magnitogorsk | 26 | Geplante Fertigstellung: 2035 | |
Aufbau eines Kreislaufs zur Wiederaufbereitung von Abwässern, Modernisierung der Abwasserreinigungsanlagen / Tscheljabinsk | 17,7 | Geplante Fertigstellung: 2023 |