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Branchen | Russland | Öl- & Gasindustrie

Ölindustrie setzt auf nachhaltige Lösungen

Umweltkatastrophen, Klimawandel und der Green Deal der EU drängen Russlands Ölkonzerne zu mehr Nachhaltigkeit. Investitionen in Umwelttechnik stehen hoch im Kurs.

Von Hans-Jürgen Wittmann | Moskau

Eine altersschwache Infrastruktur und Unfälle führen in Russland jährlich zu mindestens 10.000 Öllecks, schätzt Greenpeace. Häufig werden die Defekte und ihre Folgen erst spät oder gar nicht bemerkt. Rund 9.000 Tonnen Öl entwichen im Mai 2021 aus einer Pipeline der Lukoil-Lagerstätte Oshskoye in der Republik Komi und gelangten über die Flüsse Kolwa und Petschora in die Barentssee.

Der globale Klimawandel verschärft die Situation. Rund 45 Prozent der Öl- und Erdgasfelder in der Arktis stehen auf instabilem Grund, meldet der zwischenstaatliche Ausschuss für Klimaänderungen (IPCC). Der auftauende Permafrostboden kann zum Absacken von Bohrtürmen und Pipelines führen. Weitere Öllecks sind die Folge. Die Behörden in Russland reagieren mit der Einführung neuer Haftungsregeln für die Erdölbranche. Konzerne müssen Rücklagen für Schadenersatz bilden und Pläne mit Maßnahmen zur Vermeidung und Beseitigung von Ölunfällen vorlegen.

Ölförderung soll umweltverträglicher werden

Die Europäische Union (EU) kündigte im Rahmen ihres Green Deal ab 2023 die Einführung eines CO2-Grenzausgleichs (Carbon Border Adjustment Mechanism) an. Die russische Erdöl- und Erdgasindustrie müsse mit Mehrkosten von bis zu 2 Milliarden US-Dollar (US$) pro Jahr rechnen, schätzt die Boston Consulting Group. Bereits im Dezember 2020 schlug die EU-Kommission vor, den Bau neuer Gas- und Ölpipelines nicht mehr zu unterstützen. Auch Russlands zweitgrößter Ölabnehmer China will bis 2060 klimaneutral werden.

Der Klimaschutz rückt auf der Branchenagenda somit ganz nach oben. Ein niederländisches Gericht verpflichtete im Mai 2021 mit Royal Dutch Shell erstmals einen Ölkonzern dazu, seine Treibhausgasemissionen bis 2030 um 45 Prozent im Vergleich zu 2019 zu reduzieren. Es begründete die Entscheidung mit dem Verstoß des Ölkonzerns gegen globale Klimaziele. Von diesem Beschluss geht eine Signalwirkung für Ölproduzenten aus, darunter auch in Russland.

Will der weltweit größte Flächenstaat in Zukunft ausländische Investoren für Ölförderprojekte gewinnen, müssen für die Projektfinanzierung strenge Umweltauflagen erfüllt werden. Die Deutsche Bank fördert im Rahmen ihrer neuen Kohlenwasserstoffpolitik keine Öl- und Gasprojekte in der Arktis mehr.

Russlands Ölkonzerne reagieren auf steigende Umweltanforderungen sowie den wachsenden Druck zur Dekarbonisierung in wichtigen Absatzmärkten und investieren zur Verringerung ihres CO2-Abdrucks zunehmend in Umwelttechnik.

Rosneft will Treibhausgasemissionen reduzieren

Der größte Ölkonzern des Landes will mit einem Plan zum CO2-Management bis 2035 Vorreiter bei nachhaltigen Lösungen werden. Der Ausstoß soll um bis zu 20 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent zurückgehen, die Emissionsintensität der Öl- und Gasförderung um 30 Prozent sinken und der Austritt von Methan auf unter 0,25 Prozent reduziert werden. Das Abfackeln von Begleitgas soll auf ein Minimum zurückgefahren und dieses stattdessen zur Energiegewinnung genutzt werden. Darüber hinaus entwickelt der Konzern ein Programm zur Aufforstung von Wäldern und zur Rekultivierung kontaminierter Flächen. Bis 2024 investiert Rosneft rund 1,6 Milliarden Euro in grüne Projekte.

Mit BP vereinbarte Rosneft im Februar 2021 die Entwicklung von erneuerbaren Energiequellen und von Technologien zur Abscheidung und Speicherung von CO2 (Carbon Capture and Storage, CCS) in erschöpften Lagerstätten. Russlands führender Ölkonzern setzt daneben auf die Entwicklung von Wasserstoff.

Rosneft verwendet innovative Technologien zum Aufspüren von Lecks. Drohnen, Infrarot- und Wärmebildgeräte sowie Ultraschalldetektoren tragen dazu bei, Ölaustritte frühzeitig zu erkennen und die Schäden für die Umwelt zu minimieren. Zur Beseitigung von Ölverschmutzungen im Arktischen Ozean kommen mikrobielle Präparate zum Einsatz.

Vostok Oil soll Nachhaltigkeitsstandards setzen

Das Megaprojekt Vostok Oil ist von Beginn an mit einem um 75 Prozent niedrigeren CO2-Abdruck konzipiert als vergleichbare Vorhaben. Die Intensität der Methanemissionen liegt bei lediglich 0,2 Prozent. Aufgrund des geringen Schwefelgehalts von 0,01 bis 0,04 Prozent ist das Öl von Vostok Oil leichter zu verarbeiten. Dadurch sinkt der Schadstoffausstoß. Neben Windkraftanlagen kommt bei der Energiegewinnung Begleitgas zum Einsatz. Mit einer Emissionsrate von 12 Kilogramm CO2 pro Barrel Öl liegt Vostok Oil der Agentur Wood Mackenzie zufolge bei einem Viertel des weltweiten Durchschnitts von 50 Kilogramm. Rosneft-Chef Igor Setschin spricht daher von "grünem Öl", das aus den Feldern des Projektes gewonnen wird.

Auf dem Sankt Petersburger Wirtschaftsforum Anfang Juni 2021 vereinbarte Rosneft mit der US-Firma SUEZ Water Technologies & Solutions eine Zusammenarbeit bei der Aufbereitung von Abwasser. Mit dem dänischen Konzern Vestas will Rosneft auf der Halbinsel Taimyr einen Windpark errichten.

Gazprom Neft, Lukoil und Tatneft wollen grüner werden

Um seinen CO2-Fußabdruck zu verringern, unterzeichnete Gazprom Neft auf dem Sankt Petersburger Wirtschaftsforum Anfang Juni 2021 mit Severstal und Evraz eine Vereinbarung, um gemeinsam die Produktion, den Transport und die Lagerung von Wasserstoff zu entwickeln. Daneben setzt Gazprom Neft auf Solarenergie als grüne Energiequelle. Das Tochterunternehmen Gazprom Neft-Orenburg investiert bis 2023 rund 27 Millionen Euro in ein integriertes System zur Überwachung der Luftqualität auf einem Ölfeld im Gebiet Orenburg. Bis Ende 2021 werden mehr als 900 Sensoren und 16 Messstationen errichtet.

Russlands größter privater Ölkonzern Lukoil will bis 2050 CO2-neutral werden und plant hierzu die Produktion von grünem Wasserstoff. Seit März 2021 entwickelt eine Energiedirektion die Gewinnung erneuerbarer Energien im Unternehmen weiter.

Um CO2-Neutralität zu erreichen, setzt auch Tatneft auf den Ausbau erneuerbarer Energiequellen und Technologien zur Erfassung und Speicherung von Treibhausgasen (CCS). Bis 2030 will das Unternehmen ein Viertel seiner Emissionen durch Aufforstungsmaßnahmen kompensieren.

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