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Branchen | Russland | Medizintechnik
Zur Bekämpfung der Pandemie erleichtert die Regierung zeitweise die Regeln bei Einfuhr und staatlicher Beschaffung. Langfristig setzt das Land aber auf verstärkte Abschottung.
21.12.2020
Von Hans-Jürgen Wittmann | Moskau
Um die medizinische Versorgung der Bevölkerung während der Coronapandemie sicherzustellen, hat die Regierung die Einfuhrzölle für Medizinprodukte wie Beatmungsgeräte, Schutzanzüge und Covid-19-Tests zeitweise auf Null gesetzt. Ein „grüner Korridor“ gewährleistet eine schnellere Zollabwicklung.
Zudem erweiterte die Regierung Ende September 2020 die Liste der Medizinprodukte, deren Einfuhr und Verkauf von der Mehrwertsteuer befreit sind um Fahrzeuge für den Transport behinderter Menschen und Produkte zur Verhinderung der Ausbreitung des Coronavirus. Die Liste der Medizinprodukte, für die Mehrwertsteuerbefreiungen gelten, wird ab dem Jahr 2021 vom Industrieministerium, dem Gesundheitsministerium und dem Föderalen Zolldienst jährlich überprüft.
Zum 1. Januar 2021 erweitert das Industrieministerium die Liste der Medizinprodukte, für die der reduzierte Mehrwertsteuersatz von 10 Prozent gilt, um 21 Warenpositionen. Dazu zählen medizinische Matratzen, ophthalmologische Instrumente, Geräte zur Versorgung mit Anästhesie- und Atemgasen, sowie Intraokularlinsen.
Der Staat ist der wichtigste Abnehmer von Medizintechnik in Russland. Das Medizintechnikmagazin Vademecum schätzt das Volumen staatlicher Beschaffungen im Jahr 2019 auf etwa 4,9 Milliarden Euro - ein Plus von 16,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Um einheimische Hersteller zu bevorzugen, hat die Regierung im Dezember 2020 den Mindestanteil von russischen medizinischen Geräten bei Beschaffungen der öffentlichen Hand auf durchschnittlich 50 bis 60 Prozent für das Jahr 2021 festgelegt. Darunter fallen ab 1. Januar 2021 unter anderem Röntgengeräte, Computer- und Magnetresonanztomographen, Ultraschallscanner, Beatmungsgeräte und endoskopische Geräte. Zudem werden ab dem 1. Januar 2021 Mindestquoten für die Beschaffung von Medizinprodukten aus Mitgliedsstaaten der EAWU auf Spritzen, Intraokularlinsen, Rollstühle, Orthesen, Inkubatoren und Endoprothesen ausgeweitet.
Daneben ergänzt die Regierung fortlaufend die Liste der Waren, für die bei der staatlichen Beschaffung die Regel „dritter Anbieter überflüssig“ gilt. Sie besagt, dass ausländische Anbieter automatisch aus dem Vergabeprozess ausgeschlossen werden, wenn zwei Angebote von Herstellern aus Mitgliedsländern der EAWU vorliegen. Im Oktober 2020 wurden Geräte zur Bluttransfusion, Atemschläuche sowie Verbrauchsmaterialien für Beatmungsgeräte mit aufgenommen. Nur zur Pandemiebekämpfung wurde das Prinzip „dritter Anbieter überflüssig“ zeitweise ausgesetzt.
Im August 2020 hat die Regierung ein neues Verfahren zur Festlegung von Höchstpreisen für die Beschaffung von Medizintechnik festgelegt. Der Höchstpreis wird durch den Durchschnittspreis der Angebote auf dem Markt bestimmt, soll jedoch die Kosten für Garantieservice, Ersatzteile und Verbrauchsmaterialien berücksichtigen. Zudem hat die Regierung im Falle einer drohenden Epidemie oder einer Notsituation das Recht, Preisobergrenzen für Medizintechnik festzulegen.
Der Registrierungsprozess für neue Medizintechnik ist sehr aufwändig und kann sich bis zu zwei Jahre hinziehen. Um medizinische Geräte zur Pandemiebekämpfung schneller auf den Markt bringen zu können, hat die Regierung die im April 2020 beschlossene Vereinfachung des Registrierungsverfahrens für bestimmte Medizinprodukte wie Beatmungsgeräte, Oxygeneratoren, Bypass-Systeme, Thermometer und Covid-19-Tests bis 1. Januar 2022 verlängert.
Russische Medizinprodukte erhalten Vorteile bei staatlicher Registrierung. Das Gesundheitsministerium hat im September 2020 vorgeschlagen, ein vereinfachtes Verfahren zur Registrierung russischer Hightech-Medizintechnik einzuführen. Das Industrieministerium genehmigt in Absprache mit der Aufsichtsbehörde Roszdravnadsor das Verzeichnis.
Gleichzeitig nimmt der bürokratische Aufwand für Importeure immer weiter zu. Ab dem 1. Januar 2021 ist für alle eingeführten Medizinprodukte - mit Ausnahme von Software - eine zusätzliche Genehmigung von Roszdravnadzor erforderlich. Die Erlaubnis zur staatlichen Registrierung von Medizinprodukten beim Import wird zudem nur noch in elektronischer Form erteilt. Zudem will die Regierung Hersteller und Importeure verpflichten, jede Charge von Medizinprodukten, die im Umlauf gebracht wird, an die Aufsichtsbehörde zu melden.
Die GTAI stellt ausführliche Informationen zum Wirtschafts- und Steuerrecht zur Verfügung sowie zu Einfuhrregelungen, Zöllen und nichttarifären Handelshemmnissen zur Verfügung.
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