Sie sind ein ausländisches Unternehmen, das in Deutschland investieren möchte?

Branchen | Russland | Gesundheitswirtschaft

Regierung erhöht Lokalisierungsdruck im Gesundheitswesen

Corona hat Russlands Gesundheitssystem fest im Griff. Die Regierung treibt die Lokalisierung bei Arzneimitteln und Medizintechnik voran. Deutsche Firmen errichten neue Werke.

Von Hans-Jürgen Wittmann | Moskau

Explodierende Infektionszahlen, ein Mangel an Sauerstoff und Beatmungsgeräten sowie voll belegte Intensivstationen – Russlands Gesundheitssystem ächzt unter der Belastung der vierten Pandemiewelle. Vor allem Sauerstoff zur Beatmung fehlt an allen Ecken und Enden. Metallerzeuger sind angehalten, ihren Verbrauch von technischem Sauerstoff zu senken. Industriebetriebe fahren Sonderschichten zur Produktion des farblosen Gases. Zusätzlich wird Sauerstoff aus Kasachstan und Finnland importiert.

Ein Hoffnungsschimmer ist neben den neuen Impfstoffen Betuvax und Konvidezia das erste russische Coronamedikament Mir-19, dessen Registrierung Präsident Putin für Dezember 2021 ankündigte. Zur Eindämmung der Pandemie ist auch ausländische Hilfe willkommen. Das Gesundheitsministerium verlängerte die vereinfachte Einfuhr medizinischer Güter und Arzneimittel zur Covid-19-Bekämpfung bis 1. Januar 2025.

Regierung treibt Aufbau lokaler Fertigung weiter voran

Der Anteil russischer Hersteller bei der Produktion von Arzneimitteln liegt der Menge nach bei rund zwei Drittel und dem Wert nach bei rund einem Drittel. Die lokale Produktion klappt immer besser. Russlands Pharmaindustrie hängt jedoch zu 90 Prozent von Wirkstoffimporten ab, vor allem aus China und Indien. Nur 7 Prozent der lokal hergestellten Arzneimittel bestehen aus einheimischen Substanzen. Deshalb will das Industrieministerium bis 2030 rund 80 Prozent der Wirkstoffe lokalisieren.

Bei der Produktion von Medizintechnik soll der Anteil russischer Hersteller von aktuell einem Viertel bis 2024 auf ein Drittel steigen. Das Konsortium „Medizinskaja Technika“ der Staatskonzerne Rostec, Rosatom und Almaz-Antej soll die Produktion von medizinischen Geräten und Verbrauchsmaterialien koordinieren. Der Status „Made in Russia“ wird über ein Punktesystem bestimmt. Hersteller erhalten Punkte für die Verwendung russischer Bauteile und Software. Jedoch wird die Entwicklung der Branche durch die unzureichend entwickelte Komponentenfertigung und den Fachkräftemangel gebemst.

Zugang zur staatlichen Beschaffung wird weiter eingeschränkt

Rund 80 Prozent der Medizintechnik in Russland wird von staatlichen Auftraggebern gekauft. Dabei muss die Beschaffung den strengen Anforderungen an die Lokalisierung und Importsubstitution gerecht werden. Ausländischen Anbietern wird der Zugang zu den lukrativen Staatsaufträgen weiter erschwert. Ende August 2021 änderte die Regierung für 45 Medizinprodukte den Beschaffungsgrundsatz „drei sind einer zu viel“ auf „zwei sind einer zu viel“, darunter für Elektrokardiographen (EKG), Pulsoximeter und Defibrillatoren. Wenn ein russischer Hersteller an öffentlichen Ausschreibungen teilnimmt, sind ausländische Anbieter automatisch ausgeschlossen, unabhängig vom Preis und der Qualität ihrer Produkte.

Digitale Kennzeichnung medizinischer Güter wird Pflicht

Nach der erfolgreichen Implementierung der digitalen Produktkennzeichnung bei Arzneimitteln will die Regierung Produktfälschungen nun auch bei Medizintechnik bekämpfen. Ende August 2021 kündigte das Gesundheitsministerium die Einführung einer verpflichtenden Kennzeichnung von Medizinprodukten mit digitalen Data-Matrix-Codes an. Zunächst sind Hightech-Geräte und hochwertige Güter betroffen. Die Umsetzung übernimmt das „Zentrum zur Entwicklung aussichtsreicher Technologien“ (ZRPT) des Oligarchen Alischer Usmanow.

Deutsche Unternehmen investieren in neue Werke

Um den Marktzugang nicht zu verlieren, stehen deutsche Firmen vor der strategischen Entscheidung, ihre lokale Wertschöpfung zu vertiefen oder Russland zu verlassen. Der Medizinbedarfshersteller B.Braun erweitert seine lokale Präsenz im Gebiet Twer. Elme Messer Rus (gehört zur Messer Group) plant den Aufbau einer Produktion von Industrie- und Medizingasen im Gebiet Pskow. Die Schott AG steckt 10 Millionen Euro in die Modernisierung der Produktion von Ampullen und Fläschchen im Gebiet Nischni Nowgorod.

Das deutsch-indische Unternehmen Translumina lokalisiert bis 2023 bei Stenteks (gehört zur Renova Holding) die Produktion von Coronarstents. Sartorius eröffnete im September in Moskau einen Showroom für Biotechnologie-Ausrüstung. Der Medizintechnikhersteller Sarstedt nahm im Juli sein neues Produktionswerk in Sankt Petersburg in Betrieb.

Aktuelle Projekte im russischen Gesundheitswesen

Projekt/Region

Investition (Mio. Euro)

Geplante Inbetriebnahme

Projektbetreiber

Lokalisierung der Produktion von Wirkstoffen gegen das humane Papillomavirus / Gebiet Kirow

48,5

2024

Nanolek

Ausbau der Produktion und Bau eines Logistikzentrums / Gebiet Twer

35

Baubeginn: 2022

Gematek (gehört zu B.Braun)

Lokalisierung der Produktion von Computertomographen / Moskau

7,2

2022

GE Healthcare, Rusatom Healthcare

Bau eines Werks zur Produktion von Impfstoffen gegen das Rotavirus / Gebiet Kaluga

k.A.

2025

Ishvan Pharmaceuticaks, Rostec, Rosnano

Lokalisierung der Produktion von Ultraschallscannern / Gebiet Swerdlowsk

k.A.

2022

Esaote SpA, KRET (gehört zu Rostec)

Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest

Dieser Inhalt gehört zu

Feedback

Anmeldung

Bitte melden Sie sich auf dieser Seite mit Ihren Zugangsdaten an. Sollten Sie noch kein Benutzerkonto haben, so gelangen Sie über den Button "Neuen Account erstellen" zur kostenlosen Registrierung.