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Russische Landwirtschaft fährt 2021 reiche Ernte ein
Pflanzen- und Viehzüchter, Milcherzeuger sowie Saatguthersteller halten einen stabilen Wachstumskurs. Exportbeschränkungen dämpfen jedoch die Investitionsbereitschaft.
21.06.2021
Von Hans-Jürgen Wittmann | Moskau
Die russischen Landwirtschaftsbetriebe haben die Cornakrise erfolgreich gemeistert. Ihr Produktionswert erreichte zwischen Januar und April 2021 mit 12 Milliarden Euro das Vorjahresniveau. Im Jahr 2020 stieg die Erzeugung landwirtschaftlicher Güter im Vergleich zum Vorjahr um 1,5 Prozent auf 74 Milliarden Euro. Um weiteres Wachstum zu gewährleisten, verlängerte die Regierung die Agrarsubventionen bis 2023. Für 2021 stehen etwa 2,9 Milliarden Euro bereit.
Bild vergrößernRussland ist jetzt Nettoexporteur von landwirtschaftlichen Erzeugnissen
Russland stieg 2020 erstmals zum Nettoexporteur von landwirtschaftlichen Produkten und Lebensmitteln auf und erlöste 30,7 Milliarden US-Dollar (US$). Exportschlager waren vor allem Weizen, Schweinefleisch sowie Fette und Öle. Die wichtigsten Abnehmer waren China, die Türkei und Kasachstan. Bis 2030 sollen die Ausfuhrerlöse auf 45 Milliarden US$ steigen.
Mitte Februar 2021 führte die Regierung jedoch Quoten und Zölle auf den Export bestimmter Feldfrüchte ein, um die Inlandspreise zu stabilisieren. Branchenkenner rechnen allein bei Getreide mit Verlusten von rund 2,3 Milliarden Euro. Ausbleibende Einnahmen zwingen Landwirte, ihre Investitionsprogramme zu kürzen.
Getreideernte bleibt auf hohem Niveau
Russlands Landwirte fahren in der Erntesaison 2020/2021 mit 133 Millionen Tonnen Getreide - davon 86 Millionen Tonnen Weizen - die zweitgrößte Ernte in der Geschichte des Landes ein. Für 2021/2022 erwartet das Landwirtschaftsministerium mit 128 Millionen Tonnen ähnlich hohe Ernteerträge.
Seine Rolle als weltgrößter Weizenexporteur wird Russland 2021 hingegen einbüßen. Im Vorjahr legten die Ausfuhren um 7,9 Prozent auf 44,7 Millionen Tonnen zu. Von Januar bis April 2021 ging der Weizenexport aufgrund der Exportbeschränkungen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum jedoch um 19,2 Prozent auf 9,5 Millionen Tonnen zurück. Ägypten, eines der wichtigsten Abnehmerländer, bezieht sein Getreide in diesem Jahr aus der Europäischen Union und der Ukraine.
Die Produktion von Gewächshauspflanzen steigt 2021 um 7,6 Prozent auf rund 1,5 Millionen Tonnen, meldet das Landwirtschaftsministerium. Der Selbstversorgungsgrad bei Gemüse liegt bei rund 90 Prozent. Im Vorjahr waren die Ernteerträge bei Kartoffeln um 11,3 Prozent und bei Gemüse um 2,1 Prozent zurückgegangen. Ursache war die kalte und regnerische Witterung in den Anbauregionen.
Die Regierung erlässt neue Regelungen zum Anbau sogenannter grüner Produkte. Am 1. März 2022 tritt ein Gesetz über "grüne" Agrarprodukte in Kraft. Hersteller dürfen keine Gentechnik verwenden, müssen Umweltauflagen einhalten und recycelbare oder biologisch abbaubare Verpackungen verwenden.
Ausgewählte Projekte in der russischen Pflanzenzucht
Projekt / Region | Investitionssumme (Mio. Euro) | Geplante Fertigstellung | Unternehmen |
Anbau von Beeren und Äpfeln / Republik Baschkortostan | 61,4 | 2026 | |
Anbau von Raps und Leinöl / Region Transbaikal | 37,5 | 2024 | |
Bau eines Getreidespeichers / Gebiet Tula | 18,2 | 2022 | OOO Wosroschdenie (gehört zur Holding Major) |
Gemüse- und Melonenanbau / Republik Baschkortostan | 16,7 | Projektierung bis 2021 | |
Bau von Gewächshäusern / Region Stawropol | 11,4 | 2023 | |
Bau von Gewächshäusern / Gebiet Moskau | 11,4 | 2023 |
Fleischerzeuger wollen neue Absatzmärkte erobern
Die Produktion von Schweinefleisch wächst 2021 um 4 Prozent, schätzt der Verband der Schweinefleischproduzenten (NSS). Im Jahr 2020 verdrängte Russland Brasilien aus den TOP-5 der weltweit größten Schweinefleischhersteller. Die Produktion stieg im Vergleich zum Vorjahr um 8,9 Prozent auf rund 5,5 Millionen Tonnen Lebendgewicht. Alleine die 10 größten Hersteller unter Führung von Miratorg produzierten mehr als die Hälfte der Menge. Ende 2020 wurden in Russland 25,9 Millionen Schweine gehalten, etwa so viele wie in Deutschland.
Da der Inlandsmarkt gesättigt ist, nehmen Russlands Fleischerzeuger verstärkt Exportmärkte in den Blick. Im Jahr 2020 stiegen die Fleischausfuhren um 54 Prozent auf 860 Millionen US-Dollar, meldet das Landwirtschaftsministerium. Wichtigstes Exportgut war Schweinefleisch mit 187.000 Tonnen. Der größte Abnehmer war China vor Vietnam und der Ukraine. Das Reich der Mitte setzte im Februar 2021 die Einfuhr von russischen Geflügelprodukten wegen Coronaspuren jedoch zeitweise aus.
Die Aufsichtsbehörde Rosselchosnadsor untersagte Mitte Mai vorübergehend die Importe von Futtermitteln und Zusatzstoffen aus Deutschland. Grund hierfür seien mehrfache Fälle von nicht deklarierten gentechnisch veränderten Inhaltsstoffen. Russische Viehzüchter befürchten Engpässe bei der Versorgung mit Futtermitteln, sollten die Importe nicht bald wieder erlaubt werden. Bereits zuvor hatte Moskau den Import von Futtermittelzusätzen aus den Niederlanden, den USA und Spanien untersagt. Brancheninsider sehen in dieser Maßnahme eine Retourkutsche für EU-Sanktionen.
Ausgewählte Projekte in der russischen Viehzucht
Projekt / Region | Investitionssumme (Mio. Euro) | Geplante Fertigstellung | Unternehmen |
Bau von 30 Viehzuchtfarmen und eines Gen-Selektionszentrums / Gebiet Nowosibirsk | 341,0 | 2027 | |
Bau von 6 Geflügelzucht-, 4 Schweinemastfarmen, eines Mischfutterwerks und eines Getreidespeichers / Gebiet Lipezk | 256,0 | 2023 | |
Bau einer Viehzuchtfarm und eines Milchwerks / Gebiet Twer | 170,5 | 2023 | Rumelko Agro, Tel: +7 (495) 777-32-38 |
Bau von sieben Schweinezuchtfarmen / Gebiete Brjansk und Orjol | 72,2 | 2022 | |
Ausbau einer Viehzuchtfarm / Region Altai | 29,5 | k.A. |
Milchbauern steigern ihre Produktionsmenge
Die Rohmilcherzeugung steigt 2021 auf 32,6 Millionen Tonnen, schätzt Landwirtschaftsminister Dmitri Patruschew. Im Jahr 2020 wurden 32,2 Millionen Tonnen Rohmilch produziert, ein Plus von 2,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Der Selbstversorgungsgrad stieg auf 84 Prozent. Wegen aktuell hoher Preise auf Futtermittel und Zusatzstoffe müssen viele kleinere Milchbauern sparen. Proteinreiches Futter macht bis zu 60 Prozent der Selbstkosten bei der Milcherzeugung aus. Um einen Produktionsrückgang zu verhindern, können die staatlichen Subventionen von etwa 320 Millionen Euro erstmals auch für die Beschaffung von Kraftfutter verwendet werden.
Ekoniva, Russlands größter Milcherzeuger, möchte 2021 die Rohmilchproduktion um ein Fünftel auf 1,2 Millionen Tonnen steigern. Die Holding des deutschen Landwirts Stefan Dürr, die mittlerweile 40 Milchfarmen mit 105.000 Milchkühen umfasst, setzt verstärkt auf den Export von Milch und Milchprodukten nach China.
Ausgewählte Projekte in der russischen Milcherzeugung
Projekt / Region | Investitionssumme (Mio. Euro) | Geplante Fertigstellung | Unternehmen |
Molkerei / Republik Baschkortostan | 143,7 | 2025 | Ekoniva Moloko Baschkirija |
Bau einer Milchviehfarm / Gebiet Archangelsk | 51,1 | 2022 | |
Ausbau zweier Milchfarmen / Gebiet Pensa | 8,0 | 2022 | Rusmoloko (gehört zu Olam International, Singapur) |
Nachfrage nach Saatgut steigt
Russland möchte seine Ernteerträge durch den Einsatz von leistungsfähigen Samen steigern. Pro Jahr werden bis zu 14 Millionen Tonnen Saatgut benötigt, vor allem für den Anbau von Getreide, Hülsenfrüchten, Kartoffeln und Zuckerrüben. Der Bedarf nimmt durch die Erschließung von Brachland weiter zu. Bis 2030 will das Landwirtschaftsministerium rund 13 Millionen Hektar neues Ackerland gewinnen. Der Selbstversorgungsgrad liegt erst bei rund 60 Prozent. Die Abhängigkeit von Importen bleibt mittelfristig hoch. Die Regierung will den Import von gentechnisch verändertem Saatgut noch stärker reglementieren.
Ausgewählte Projekte in der russischen Saatgutproduktion
Projekt / Region | Investitionssumme (Mio. Euro) | Geplante Fertigstellung | Unternehmen |
Aufbau einer Produktion von Saatgut / Gebiet Woronesch | 30,7 | 2023; bis 2026 zweite Linie | |
Aufbau einer Produktion von Saatgut / Gebiet Kursk | 12,3 | 2022 |
Weitere Informationen finden Sie in unserem Special zu Smart Farming in Russland.