Mehr zu:
RusslandWasserstoff
Branchen
Sie sind ein ausländisches Unternehmen, das in Deutschland investieren möchte?
Branchen | Russland | Wasserstoff
Russische Energiekonzerne wollen bis 2024 erste Vorhaben zum Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft umsetzen. Technologien und Ausrüstungen deutscher Hersteller sind besonders gefragt.
23.03.2021
Von Hans-Jürgen Wittmann | Moskau
Russland ist ein bedeutender Exporteur von Energieträgern und reagiert auf den weltweiten Trend zu Wasserstoff als Energiequelle der Zukunft. Das größte Flächenland der Erde will künftig ein wichtiger Erzeuger und Technologienanbieter werden. Derzeit produziert es etwa 5 Millionen Tonnen Wasserstoff pro Jahr, vor allem in der Ölverarbeitung, der chemischen Industrie und der Metallurgie. Russland setzt vor allem auf blauen und türkisen Wasserstoff aus Erdgas. Mittelfristig sollen Solar- und Windparks mit Hilfe von Elektrolyse auch grünen Wasserstoff erzeugen.
Die russische Regierung beschloss Ende Oktober 2020 einen Aktionsplan zur Entwicklung der Wasserstoffwirtschaft bis 2024. Ziele sind die verstärkte Produktion und der Export des Energieträgers. Bis 2035 ist zudem die Lokalisierung von Anlagen zur Erzeugung von Wasserstoff geplant. Um ausländische Investoren anzulocken, möchte die Regierung entsprechende Technologien in die Liste des Sonderinvestitionsvertrags (SPIK 2.0) aufnehmen, erklärte Industrieminister Denis Manturow.
Erste Unternehmen initiieren bereits Pilotprojekte, um die Wirtschaftlichkeit von Wasserstoff als Energieträger zu erproben. Vorreiter sind die exportorientierten Energiekonzerne Gazprom, Novatek und Rosatom. Bis 2024 wollen sie Projekte entlang der gesamten Wertschöpfungskette - von der Produktion, über den Transport und die Speicherung bis zur industriellen Anwendung - realisieren und setzen dabei auf Know-how aus Deutschland. Dies eröffnet ein gutes Absatzpotenzial für Anlagen wie Elektrolyseure, Kompressoren, Turbinen und Engineering-Dienstleistungen.
Der deutsche Öl- und Gasproduzent Wintershall Dea kündigte Ende Februar 2021 an, mit Russlands größtem Gaskonzern Gazprom zu kooperieren. Der Fokus liegt auf der Erzeugung von blauem Wasserstoff mittels Methanpyrolyse. Beide Partner erproben zudem die Beimischung von Wasserstoff zu Erdgas. Das Gemisch soll langfristig durch Pipelines von Russland nach Deutschland geleitet werden.
Auf dem deutsch-russischen Rohstoffforum Anfang Dezember 2020 brachte Alexander Ischkow, Leiter der Abteilung Energieeffizienz und Umwelt bei Gazprom, den Bau einer Anlage zur Produktion von blauem Wasserstoff mit Hilfe von Methanpyrolyse in Norddeutschland ins Gespräch. Damit solle der europäische Markt mit Wasserstoff versorgt werden. Das zur Erzeugung von Wasserstoff notwendige Methangas solle aus der Nordstream-Pipeline kommen. Das anfallende CO2 könne zur Sequestrierung zurück nach Russland zurückgeleitet und dort unterirdisch gelagert werden (CCS – Carbon dioxide Capture and Storage).
Der deutsche Energiekonzern Uniper unterzeichnete mit dem privaten russischen Gaskonzern Novatek Ende Januar 2021 ein Memorandum of Unterstanding (MoU) zur Zusammenarbeit bei der Entwicklung von Wasserstoff. Beide Unternehmen wollen gemeinsam Technologien zur Erzeugung, zum Transport und zur Lieferung von blauem und grünem Wasserstoff an die Kraftwerke von Uniper in Russland und Europa entwickeln.
Mit Siemens Energy vereinbarte Novatek im Dezember 2020 eine strategische Zusammenarbeit zur nachhaltigen Entwicklung. Ziel ist die Energieerzeugung aus blauem oder grünem Wasserstoff, um die Treibhausgasemissionen bei der Produktion von Flüssiggas (LNG) zu reduzieren. Siemens Energy rüstet dazu die Brennkammer von einer der acht SGT-800-Gasturbinen zur Versorgung des Jamal-LNG-Werkes um. Nach der Fertigstellung können bis zu 40 Prozent Wasserstoff eingespeist werden. Auch das Unternehmen Nuovo Pignone aus Italien (gehört zu Baker Hughes) rüstet Gasturbinen im Jamal-LNG-Werk auf Wasserstoff um.
Rosnano und Enel Russia (Tochterunternehmen des italienischen Energiekonzerns Enel) planen bis 2024 für etwa 270 Millionen Euro die Produktion von grünem Wasserstoff durch Elektrolyse. Auf der Kola-Halbinsel im Gebiet Murmansk wird ein Windpark mit einer Kapazität von 200 Megawatt gebaut. Er soll im Dezember 2021 fertig gestellt werden. Siemens Gamesa fungiert als Technologiepartner und Lieferant der Anlagen für den Windpark. Derzeit wird die Machbarkeitsstudie erstellt. Der Projektstart ist für April 2022 vorgesehen.
Gazprom gründete im Dezember 2020 die „Gazprom Hydrogen Company“. Die Tochtergesellschaft arbeitet an der Umsetzung innovativer Pilotprojekte, der Entwicklung von Technologien für die kohlenstoffarme Speicherung, den Transport und die Nutzung von Methan-Wasserstoff-Gemischen.
Novatek plant den Bau von Windparks auf den Halbinseln Jamal, Gydan und Kamtschatka sowie im Gebiet Murmansk. Ziel ist die Erzeugung von grünem Wasserstoff für die Verschiffung nach Europa und Asien. Zudem kündigte der Vorstandsvorsitzende von Novatek, Leonid Michelson, im Oktober 2020 ein Projekt zur Speicherung von CO2 auf der Jamal-Halbinsel an.
Die staatliche Atomholding Rosatom plant im Kernkraftwerk „Kola“ im Gebiet Murmansk die Erzeugung von Wasserstoff aus Atomstrom. Das Institut für Physikalische Chemie der Russischen Akademie der Wissenschaften (RAN) entwickelt für Rosatom Lösungen für die Erzeugung von grünem Wasserstoff durch Elektrolyse. Mit der Russischen Eisenbahn (RZD) und der Transmaschholding will Rosatom auf der Insel Sachalin einen Cluster für die Produktion und den Export von Wasserstoff nach Asien aufbauen.
Russlands größter Ölkonzern Rosneft kooperiert mit BP bei der Entwicklung eines neuen Wasserstoff-Geschäftsfeldes. Der private Ölkonzern Lukoil forscht verstärkt zu Technologien zur Erzeugung von Wasserstoff aus Methangas.
Das Unternehmen Wetropark errichtet in Swiriza im Gebiet Leningrad einen Windpark mit einer Kapazität von 68 Megawatt zur Erzeugung von grünem Strom für die Wasserstoffproduktion. Im Rahmen der aktuellen Projektierung werden bereits Gespräche mit potenziellen Investoren geführt.