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Russland will Einfuhrabhängigkeit bei Kfz-Bauteilen senken

Russlands Kfz-Industrie ist von Bauteileimporten abhängig. Ein Mangel an Halbleitern bremst das Produktionswachstum. Die Regierung fördert den Aufbau lokaler Bauteilefertigungen.

Von Hans-Jürgen Wittmann | Moskau

Autobauer können in Russland kein Fahrzeug ohne importierte Komponenten herstellen. Zwar gelingt infolge der Politik zur Importsubstitution und Lokalisierung der Aufbau einer lokalen Herstellung technologisch einfacher Komponenten wie Glas, Gummi- oder Interieurteilen immer besser. Doch bei technologisch anspruchsvollen Bauteilen wie Brems- und Lenksystemen sowie Motor- oder Getriebekomponenten steigt der Anteil der Importe aus dem Ausland sogar.

Lieferengpässe und Preissteigerungen dämpfen Produktion und Absatz

Russlands Autobauer leiden derzeit an dem weltweiten Defizit an Elektronikbauteilen wie Chips und Halbleitern. Deren Produktionszyklus beträgt rund sechs Monate. Doch der Lagerbestand ist im Schnitt nur für ein bis zwei Monate ausgelegt. Die wachsende Nachfrage treibt die Preise für Fahrzeugelektronik um bis zu 30 Prozent nach oben. Hinzu kommen steigende Ausgaben für Vorprodukte aus Metall, die rund 40 Prozent der Produktionskosten eines Mittelklasse-Pkw ausmachen. Ende Juni 2021 kostete Autoblech 38 Prozent mehr als am 1. Januar 2021.

AvtoVAZ musste aufgrund von Lieferengpässen bei Lenksystemen des Zulieferers Bosch im Juni 2021 tageweise die Produktion der Lada-Modelle Granta, Xray, Largus und Niva aussetzen. Russlands Branchenprimus rechnet noch bis ins 1. Halbjahr 2022 mit Verzögerungen bei der Bauteileversorgung. Ausbleibende Lieferungen von Body Control Modulen von Continental führten im GAZ-Werk in Nischni Nowgorod zu zeitweisen Bandstillständen. Dort lässt Volkswagen den Taos sowie die Skoda-Modelle Karoq, Kodiaq und Octavia fertigen. Auch BMW fuhr im Juni 2021 für eine Woche die Endmontage im Awtotor-Werk in Kaliningrad herunter.

Die Unterversorgung mit Bauteilen beeinträchtigt auch den Pkw-Absatz und droht die Erholung nach der Pandemie abzuwürgen. Die Autoverkäufe gingen im Juni 2021 um 10 Prozent und im Juli um weitere 6,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zurück, meldet die Association of European Businesses (AEB).

Regierung fördert Aufbau einer lokalen Bauteilefertigung

Die Kfz-Industrie trägt zur Entstehung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) nur rund 0,4 Prozent bei, meldet der Statistikdienst Rosstat. Der geringe Beitrag der Branche zur Wirtschaftsleistung liegt vor allem an der unzureichend entwickelten Zulieferlandschaft, die den Großteil der Wertschöpfung ausmacht. Die Regierung reagiert und fördert gezielt den Aufbau lokaler Fertigungen sowie die Ansiedlung internationaler Bauteileproduzenten. Dazu entwickelte das Industrieministerium Mitte Juni 2021 ein Programm zur Unterstützung der Automobilzulieferindustrie. Der Staat gewährt Unternehmen vergünstigte Darlehen über 50 Millionen Rubel (rund 580.000 Euro) zu einem Zinssatz von 1 Prozent pro Jahr für bis zu 5 Jahre, wenn sie in den Aufbau einer lokalen Fertigung von Kfz-Komponenten und Baugruppen investieren.

Für das Jahr 2021 stellt die Regierung rund 11,6 Millionen Euro an Subventionen für Projekte zur Herstellung von Bauteilen bereit. Diese Summe ist jedoch nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Branchenkenner schätzen, dass rund 3,5 Milliarden Euro in die Entwicklung der Kfz-Zulieferindustrie investiert werden müssten.

Autobauer sollen mehr lokale Autoelektronik verwenden

Einen besonderen Fokus legt das Industrieministerium auf die lokale Produktion von Kfz-Elektronik. Hersteller, die eine Fertigung aufbauen und Exportverpflichtungen eingehen, erhalten Subventionen. Für 2021 stehen rund 35 Millionen Euro bereit. Im Jahr 2020 belief sich der Marktanteil russischer Hersteller von Elektronik für die Automobilindustrie nur auf rund 7,2 Prozent.

Um die Nachfrage nach elektronischen Bauteilen für Getriebe-, Antriebs- und Bremssysteme, ADAS oder Module für Glonass-Notrufsysteme zu steigern, stehen für Kfz-Hersteller pro Jahr bis zu 46,5 Millionen Euro an Subventionen zur Verfügung. Für Autobauer mit einem Sonderinvestitionsvertrag (SPIK 1.0) liegt ein weiterer Anreiz darin, ihren Lokalisierungsgrad zu erhöhen und so eine höhere Erstattung der Entsorgungsabgabe, die an den Lokalisierungsgrad gekoppelt ist, zu erhalten.

Um in den Genuss der Subventionen zu kommen, müssen sich die Autobauer verpflichten, in den kommenden fünf Jahren mindestens 70 Prozent von Kfz-Elektronik „Made in Russia“ zu verwenden. Doch dürfte der Umstieg auf russische Kfz-Elektronik nicht so ohne Weiteres möglich sein. Neben zusätzlichen Kosten für die Umstellung der Lieferketten fürchten Autobauer vor allem Reputationsrisiken wegen der möglicherweise geringeren Produktqualität.

Regierung fördert Exporte von Kfz-Bauteilen

Häufig steht einem Aufbau einer lokalen Produktion von Kfz-Bauteilen die zu geringe Größe des russischen Kfz-Markts im Wege. Profitabel wird eine lokale Fertigung meist nur, wenn auch für den Export produziert wird. Deshalb stellte das Industrieministerium Ende Juni 2021 den Entwurf einer Verordnung zur Vergabe von Punkten für den Export von lokal produzierten Kfz-Teilen vor. Seit 1. August 2021 bis 31. Dezember 2024 können Autohersteller mit einem Sonderinvestitionsvertrag (SPIK 1.0) Punkte für den Export von lokal gefertigten Autokomponenten sammeln. Das Russische Exportzentrum (REZ) vergibt Punkte für durchgeführte Arbeitsschritte wie Schweißen oder Lackieren. Branchenkenner gehen davon aus, dass die Anzahl der gesammelten Punkte künftig Einfluss auf die Höhe der staatlichen Förderung haben wird.

Bauteilefabrikanten aus Deutschland stehen hoch im Kurs

Das Industrieministerium bemüht sich aktiv darum, deutsche Bauteilehersteller ins Land zu locken. Vize-Industrieminister Wassilj Osmakov, der Ansprechpartner für deutsche Firmen, verspricht Zulieferern Zuschüsse für Investitionen, wenn sie sich im Rahmen des modifizierten Sonderinvestitionsvertrags (SPIK 2.0) für eine Lokalisierung der Produktion in Russland entscheiden. Der deutsche Automobilzulieferer Kann (gehört zur türkischen Haksan Group) plant die lokale Fertigung von Stoßdämpfern, Federbeinen und Dichtungen beim Auftragsfertiger Awtotor im Gebiet Kaliningrad.

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