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Branchenbericht | Russland | Softwareentwicklung
Wachstumstreiber Nummer eins ist die Softwareentwicklung für das In- und Ausland. Deutsche Kunden lassen vermehrt in russischen IT-Clustern programmieren.
06.03.2020
Von Hans-Jürgen Wittmann | Moskau
Der russische IT-Markt wuchs 2019 um 4,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr auf etwa 16,6 Milliarden US-Dollar (US$), schätzt die International Data Corporation (IDC). Die IT-Branche trug demnach rund 1 Prozent zum russischen Bruttoinlandsprodukt (BIP) bei. Im Jahr 2018 war das Marktvolumen um satte 10,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr angestiegen. Diese Angaben umfassen die Produktion von IT-Ausrüstung, das Erbringen von Dienstleistungen und Softwareentwicklung.
Die Entwicklungsaussichten der Branche sind mittelfristig sehr gut. Im Rahmen des nationalen Projekts „Digitale Wirtschaft“ fließen bis 2024 etwa 20 Milliarden Euro in die Einführung und flächendeckende Implementierung digitaler Technologien. Sieben Teilprogramme widmen sich den Themen Informationsinfrastruktur, Künstliche Intelligenz (KI), digitale Technologien, Informationssicherheit, normative Regulierung, E-Government und Ausbildung von IT-Fachkräften. Zu den Themen "Digitale Industrie", "Digitale Gesundheitsversorgung" und "Digitale Bildung" haben sich im Rahmen des nationalen Projekts Arbeitsgruppen aus Branchenvertretern und ranghohen Beamten gebildet.
Unter dem neuen Ministerpräsident Michail Mischustin genießt die Digitalisierung oberste Priorität. Der ehemalige Leiter des Föderalen Steuerdienstes (FNS) hatte die einst schwerfällige Behörde mit Hilfe digitaler Lösungen in eine moderne und effiziente Organisation verwandelt. Die Umsetzung des nationalen Projekts „Digitale Wirtschaft“, die unter der Regierung Dmitri Medwedew hinter dem Zeitplan herhinkte, soll nun Dmitri Tschernyschenko koordinieren. Der neue stellvertretende Ministerpräsident hat mit der Vorbereitung und Durchführung der Olympischen Winterspiele in Sotschi bewiesen, dass er schwierige Projekte realisieren kann.
Ein weiterer wichtiger Wachstumstreiber ist die digitale Transformation der russischen Wirtschaft. Im Fokus stehen vor allem die Steigerung der Arbeitsproduktivität, die gemäß dem gleichnamigen nationalen Projekt von Präsident Putin pro Jahr um 5 Prozent zunehmen soll. Daneben müssen Unternehmen ihre Produktions- und Logistikprozesse optimieren, die Effektivität bei Forschung und Entwicklung erhöhen sowie Verluste im Produktionsprozess verringern.
Dass die Regierung die Importsubsitution ausweitet, wird der Branche einen zusätzlichen Schub verleihen. Seit 1. Januar 2016 dürfen staatliche Einrichtungen nur noch dann Software ausländischer Hersteller beschaffen, wenn es keine gleichwertigen einheimischen Produkte gibt. Deshalb wird der Anteil russischer Softwarelösungen bei staatlichen Stellen bis 2024 auf 90 Prozent und bei staatsnahen Betrieben auf 70 Prozent steigen, schätzt der Branchenverband Russoft.
Außerdem muss ab 1. Juli 2020 auf allen im Land verkauften Endgeräten einheimische Software vorinstalliert sein. Die Umsetzung dieser gesetzlichen Regelung hält der Verband der Händler und Hersteller von Elektro- und Computergeräten (RATEK) in der geplanten Frist jedoch nicht für möglich. Er fordert daher eine Verschiebung des Einführungsdatums auf 1. Januar 2021.
Russland wird als Auslagerungsstandort zur Entwicklung von Softwareprodukten immer beliebter. Einige deutsche Unternehmen nutzen bereits die Chancen, die sich auf dem russischen IT-Markt bieten. SAP hat 2018 in Moskau ein neues Innovationszentrum eröffnet, in dem Lösungen in den Bereichen Internet of Things (IoT), Block Chain, maschinelles Lernen, Analyse von Big Data und Informationssicherheit entwickelt werden. T-Systems lässt in Sankt Petersburg Softwarelösungen für den deutschen Markt programmieren. Die Deutsche Bank unterhält in Moskau und Sankt Petersburg Technologiezentren für FinTech-Lösungen.
Auch im Ausland steigt die Nachfrage nach russischer Software. Im Jahr 2019 wuchsen die Softwareexporte um 15 Prozent im Vergleich zum Vorjahr auf etwa 11,1 Milliarden US$, schätzt der Branchenverband Russoft. Im Vorjahr 2018 legte die Ausfuhr russischer Software und IT-Dienstleistungen um 10 Prozent auf etwa 9,7 Milliarden US$ zu. Das entspricht in etwa dem Wert der Getreideausfuhren Russlands. Allein auf Moskau mit 53,7 Prozent und Sankt Petersburg mit 21 Prozent entfielen 2018 beinahe drei Viertel der IT-Exporte, so der Branchenverband. Der wichtigste Zielmarkt bleibt die Europäische Union (EU), darunter vor allem Deutschland.
Ende Oktober 2019 waren etwa 10.700 IT-Unternehmen in der Datenbank des Ministeriums für digitale Entwicklung aufgelistet. Derzeit arbeitet erst jedes dritte russische Softwareunternehmen für den Export in ausländische Märkte. Doch in den kommenden zwei Jahren wollen zahlreiche weitere russische Softwarehersteller den Schritt in westliche Märkte wagen. Das ergab eine Umfrage von Russoft unter seinen Mitgliedsunternehmen.
Die russische IT-Branche ist regional stark diversifiziert. Derzeit wird in 55 Städten und Regionen Software programmiert. Viele der meist eher kleinen IT-Firmen haben sich in speziell gegründeten IT-Clustern niedergelassen. Die Gebietsregierungen setzen auf deren Weiterentwicklung und fördern die Ansiedlung neuer Unternehmen. Neben der notwendigen Infrastruktur stellen sie häufig auch Vergünstigungen in Aussicht.
IT-Cluster / Technopark | Stadt / Region | Schwerpunkte |
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Skolkowo-Institut für Wissenschaft und Technologie „Skoltech“ / Innovationszentrum Skolkowo | Moskau | Datenübertragung und -speicherung, E-School, E-Health, Navigationssysteme; geplant: Komponenten für 6G-Internet |
Cluster „Innograd Nauki i Technologii“ | Sankt Petersburg | Photonik, Quantentechnologien, Robotik |
Universitätsstadt, Technopark und Sonderwirtschaftszone „Innopolis“ | bei Kasan / Republik Tatarstan | Kognitive Technologien, Künstliche Intelligenz (KI) |
Wissenschafts- und Produktions-Cluster „Sibirski Naukopolis“ / Wissenschaftszentrum Akadempark | Gebiet Nowosibirsk | Big Data, Virtuelle Realität (VR), IT-Sicherheit, Biotechnologie |
Innovations-Campus „High Park“ / Staatliche Universität ITMO (im Bau für 585 Millionen Euro) | Satellitenstadt Juschni (gerade im Bau) / Gebiet Leningrad | Photonik, Quantentechnologie, Robotik, Biomedizin, Smart Materials |
Innovations-Cluster „Smart Technologies Tomsk” | Gebiet Tomsk | Smart Technologies, Telemedizin, maschinelles Sehen |
Technopark für Hochtechnologie „Universitetski“ | Gebiet Swerdlowsk | Instrumentenbau, Elektronik, Nanotechnologie |
IT-Park „Ankudinowka“ | Gebiet Nischni Nowgorod | Instrumentenbau, Elektrotechnik, Biomedizin |
IKT-Cluster „Intechdon“ | Gebiet Rostow | Mikroelektronik, Instrumentenbau |
Region Perm | Datenübertragung und -verarbeitung, Informationssicherheit |