Die Pkw-Fertigung verharrt 2021 auf Vorjahresniveau. Autobauer erweitern und modernisieren ihre Kapazitäten. Die Regierung forciert die Ansiedlung neuer Kfz-Teilelieferanten.
Kfz-Produktion stagniert 2021
Die Herstellung von Pkw und leichten Nutzfahrzeugen (LCV) wird 2021 in etwa den Vorjahreswert erreichen, schätzt das Industrieministerium. Im Jahr 2020 sank die Produktion im Vergleich zum Vorjahr um 11 Prozent auf etwa 1,3 Millionen Fahrzeuge. Hauptgrund war die Coronapandemie, die die Lieferung von Bauteilen beeinträchtigte und während des Lockdowns zu einem teilweisen Fertigungsstopp führte. Da die Lieferkettenproblematik relativ schnell gelöst werden konnte, dürfte die Pandemie 2021 für keine größeren Produktionsausfälle mehr sorgen.
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Kfz-Hersteller erweitern ihre Werke
Trotz der aktuellen Flaute investieren einige OEM in den Ausbau ihrer Produktionskapazitäten. Der Platzhirsch AwtoWAZ will die Produktion von Lada-Modellen bis 2025 vollständig auf die Plattform CMF-B von Renault-Nissan umstellen, um Synergien zu nutzen und Kosten zu sparen. Bis 2024 soll die Produktion neuer Modelle aufgenommen werden, darunter der Bestseller Lada Granta und Niva. Die Produktion von Datsun-Modellen hat AwtoWAZ hingegen Ende 2020 eingestellt, da der japanische OEM den Markt verlassen hat.
Der chinesische Autobauer Haval hat im September 2020 einen Sonderinvestitionsvertrag (SPIK) 1.0 mit dem Industrieministerium unterzeichnet und investiert 470 Millionen Euro in die Lokalisierung von Schlüsselkomponenten wie Motoren, Getrieben und Steuerungssystemen im Gebiet Tula.
Der Auftragsfertiger Awtotor in Kaliningrad möchte 2021 die Full-Cycle-Produktion (Schweißen, Lackieren und Montage) von Kfz verdoppeln. Im Zuge des Projekts ist die Einrichtung eines Engineering- und IT-Zentrums geplant.
Hyundai hat die Übernahme des "konservierten" GM-Werks in Sankt Petersburg abgeschlossen und rechnet damit, 2021 die Produktion wieder anzufahren. Sollers will im 1. Quartal 2021 die Serienproduktion der „Präsidentenlimousine“ Aurus starten. Renault möchte in Russland bis 2025 fünf neue Pkw-Modelle fertigen, darunter das Facelift des Modells Duster.
Der Bürgermeister von Noworossijsk in der Region Krasnodar hat Ende November 2020 die Ansiedlung des deutschen Autobauers Audi in der Schwarzmeerstadt ins Spiel gebracht.
Wichtige Investitionsprojekte in der Kfz-Industrie in Russland
Vorhaben | Investitionssumme (in Mio. Euro) | Projektstand | Projektbetreiber |
Lokalisierung der Produktion von Motoren, Getrieben und Steuerungssystemen für Kfz der Marke Great Wall / Gebiet Tula | 470 | Sonderinvestitionsvertrag bis 2030 | Haval Motor Manufacturing |
Aufbau einer Gießerei zur Produktion von Motorkomponenten / Gebiet Nischni Nowgorod | 32,2 | Geplante Fertigstellung: 2021 | GAZ |
Bau eines Werks zur Herstellung von Gummidichtungen / Gebiet Leningrad | 11,1 | k.A. | DRB Rus |
Wiederaufnahme der Produktion von Motoren / Sonderwirtschaftszone Alabuga, Republik Tatarstan | 7,0 | Geplante Serienproduktion: 2023 | Sollers-Ford |
Aufbau einer Produktion von Autositzen und Interieurteilen / Togliatti, Gebiet Samara | 4,7 | Geplante Fertigstellung: 2025 | Faurecia Automotive Solutions |
Bau von acht Werken zur Produktion von Bauteilen / Gebiet Kaliningrad | k.A. | Geplante Fertigstellung: 2025 | Awtotor |
Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest
Teilefertigung soll lokalisiert werden
Die Regierung will im Rahmen der „Entwicklungsstrategie für die Kfz-Industrie bis 2025" die Fertigung von Komponenten wie Motoren, Getrieben, Batterien oder elektronischen Assistenzsystemen im Land ankurbeln, um bei Pkw die geringe Lokalisierungsquote von durchschnittlich etwa 30 Prozent zu erhöhen und die nach wie vor umfangreichen Importe von Kfz-Teilen zu senken. Damit sich zu den derzeit existierenden etwa 700 russischen Teilefabrikanten künftig weitere in- und ausländische Hersteller gesellen, subventioniert der Fonds zur Entwicklung der Industrie (FRP) bis zu 30 Prozent der Investitionssumme. Bis 2030 stehen etwa 2,2 Milliarden Euro für das Programm bereit.
Der Großteil der in Russland ansässigen ausländischen Lieferanten montiert lediglich importierte Vorprodukte. Um die Unternehmen zu einer umfassenderen Lokalisierung ihrer Produktion zu motivieren, bietet die Regierung den Abschluss des novellierten Sonderinvestitionsvertrags (SPIK 2.0) an. Entsprechende Bauteile sind in die Technologieliste des SPIK 2.0 aufgenommen worden, darunter Gasantriebe und Elektromobile. Im Gegenzug erhalten Lieferanten Zugang zur öffentlichen Beschaffung.
Einfuhr ausgewählter Kfz-Teile nach Russland (in Millionen US-Dollar, Veränderung in Prozent)
| 2019 | Veränderung 2019/18 | aus Deutschland |
---|
SITC 778.3 Kfz-Elektrik | 1.065 | 2,0 | 66,5 |
SITC 784 Karosserien, Stoßstangen etc. | 11.033 | 0,3 | 1.433 |
SITC 773.13 Zündkabelsätze | 243,7 | 16,5 | 21,0 |
SITC 713.2 Motoren | 1.995 | 1,5 | 323,0 |
Summe | 14.337 | 7,6 | 1.843 |
Quelle: UN-Comtrade
Die Autobauer haben ein steigendes Interesse an der Ansiedlung weiterer Lieferanten, da sie sich mit den Sonderinvestitionsverträgen zur Erhöhung ihrer lokalen Wertschöpfung verpflichtet haben. Dazu gehören auch Volkswagen und Daimler. Zwar gilt das Punktesystem nicht für Lieferanten, doch erhalten sie von den OEM indirekt die Vorgaben, möglichst viel lokal zu fertigen.
Wie kritisch die Abhängigkeit von ausländischen Lieferanten für lokale Autobauer werden kann, zeigen die aufgetretenen Engpässe in der Lieferung von Halbleitern bei Ford, Fiat Chrysler, Toyota und Nissan. Volkswagen musste im Dezember 2020 die Produktion seiner Tochtermarken Skoda, SEAT und Audi drosseln. Die Autoindustrie gerät gegenüber der Unterhaltungselektronik und Medizintechnik, die in der Coronapandemie ihren Ausstoß steigern konnten, zunehmend ins Hintertreffen. Eine lokale Fertigung von Autochips gibt es bis dato in Russland nicht. Sie werden hauptsächlich aus China und europäischen Ländern importiert.
Lkw-Fertigung legt 2021 zu
Die Produktion von Lkw wird 2021 das Vorjahresniveau leicht übertreffen. Marktführer Kamaz möchte sein Investitionsprogramm beinahe verdoppeln auf etwa 185,5 Millionen Euro. Bis 2025 sollen insgesamt 555 Millionen Euro in die Erweiterung der Kabinenfertigung, die Motorenproduktion und die Digitalisierung der Prozesse sowie in das autonome Fahren und die Elektromobilität fließen. Zudem plant Kamaz, 2021 ein Lkw- und ein Busmodell mit Wasserstoffantrieb zu entwickeln. Weiterhin wird Russlands größter Lkw-Bauer ab 2022 mit der Produktion des Automatikgetriebes ZF Traxon beginnen. Ab 2025 will Kamaz die ersten Lkw mit vollständig im Inland entwickelten Euro-6-Motoren produzieren.
Das Industrieministerium erweiterte Mitte Dezember 2020 die Sonderinvestitionsverträge (SPIK) mit Kamaz und dem Joint-Venture Daimler-Kamaz RUS um neue Produkte. Kamaz kann im Rahmen des SPIK bei gleich bleibenden Lokalisierungsanforderungen künftig auch weitere Lkw-Modelle, Motoren, Elektrobusse und Fahrerkabinen der Generation K5 produzieren.
Daimler investiert im Zuge eines Sonderinvestitionsvertrages in eine vertiefte Lokalisierung der Lkw-Fertigung in Nabereschnyje Tschelny in der Republik Tatarstan. Die Produktion des LCV Sprinter Classic im Werk der russischen GAZ Gruppe hat Daimler Anfang Oktober 2020 hingegen eingestellt. Sie lag bereits seit Juli 2018 sanktionsbedingt auf Eis.
Volvo startet im April 2021 im Werk Kaluga die Produktion der neuen Lkw-Modelle FH, FH16, FM und FMX. GAZ möchte 2021 die Serienfertigung des LCV-Modells Gazel NN aufnehmen.
Von Hans-Jürgen Wittmann
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Moskau