Die Regierung will die Produktions- und Exporterlöse landwirtschaftlicher Produkte erhöhen und verlängert die Subventionen. Agrarholdings investieren trotz Corona in neue Projekte.
Russland will neue Anbauflächen erschließen
Mit der im März 2020 beschlossenen „Strategie zur Entwicklung der Landwirtschaft bis 2030“ möchte die Regierung den Produktionswert auf 7 Billionen Rubel (etwa 96,6 Milliarden Euro zum EZB-Jahresdurchschnittskurs 2019: 1 Euro = 72,46 Rubel) steigern. Um die Ernteerträge zu erhöhen, möchte die Regierung die Anbaufläche für Feldfrüchte ausweiten. Das Landwirtschaftsministerium investiert dazu bis 2030 etwa 20 Milliarden Euro in die Melioration landwirtschaftlich nutzbarer Flächen. Damit sollen von den derzeit etwa 44 Millionen Hektar ungenutzter landwirtschaftlicher Fläche etwa 12 Millionen Hektar Ackerland gewonnen werden.
Russland verdient mit dem Export von landwirtschaftlichen Gütern und Lebensmitteln mittlerweile mehr Geld als mit Waffenverkäufen. Für das Jahr 2020 rechnet das Landwirtschaftsministerium mit einem Anstieg der Ausfuhren um 5,2 Prozent auf 27 Milliarden US-Dollar. Die Top-3 Abnehmerländer sind China mit einem Anteil von etwa 14 Prozent, die Türkei und Südkorea. Bis 2030 sollen die Ausfuhren auf 45 Milliarden US-Dollar steigen. Dazu möchte Russland neue Exportmärkte in Afrika und Südostasien erschließen.
Feldfrüchte machen etwa ein Drittel der Exporterlöse aus. Wichtigstes Ausfuhrgut ist Getreide. Im Jahr 2020 ist Russland erneut größter Weizenexporteur. Russland steigert seinen Weltmarktanteil bei Getreide und könnte bis 2028 bis zu ein Fünftel des Weltmarkts kontrollieren. Seit September 2020 liefert Russland auch Getreide nach Algerien.
Zweitwichtigstes Exportgut ist Fleisch. In den ersten drei Quartalen 2020 stiegen die Ausfuhren von Fleisch um 79 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum auf 610 Millionen US-Dollar. Zu dem satten Anstieg trug die Öffnung des chinesischen Marktes für russisches Fleisch im Jahr 2020 bei.
Förderprogramm bis 2023 verlängert
Die Regierung hat die Subventionen für die Landwirtschaft bis 2023 verlängert. Im Jahr 2021 fließen aus dem föderalen Budget etwa 2,9 Milliarden Euro. Für die Jahre 2022 und 2023 sind jeweils 3,3 Milliarden Euro eingeplant.
Die Regierung erweiterte Ende September 2020 den Empfängerkreis von zinsgünstigen Krediten auf Unternehmen, die in Projekte zur Herstellung oder Verarbeitung landwirtschaftlicher Produkte investieren. Der Zinssatz für die entsprechenden Kredite liegt zwischen 1 und 5 Prozent. Über das Programm „Agroprogress“ können kleine und mittelständische landwirtschaftliche Betriebe Zuschüsse für den Erwerb oder Bau neuer Anlagen zur Herstellung, Lagerung oder Verarbeitung landwirtschaftlicher Erzeugnisse erhalten.
Zur Abfederung der Folgen der Coronapandemie hat das Landwirtschaftsministerium eine Liste von 88 systemrelevanten landwirtschaftlichen Betrieben erstellt, die besondere staatliche Unterstützung wie zinsgünstige Kredite zur Aufrechterhaltung ihres Geschäftsbetriebs erhalten.
Agrarholdings investieren in neue Kapazitäten
Die Landwirtschaft gehört zu den investitionsaktivsten Branchen der russischen Wirtschaft. Alleine Ekoniva, die Holding des deutschen Landwirts Stefan Dürr, steckt bis 2023 etwa 445 Millionen Euro in sieben neue Milchviehbetriebe in den Republiken Tatarstan und Baschkortostan und den Gebieten Moskau, Kaluga und Nowosibirsk, zwei Kraftfutteranlagen in den Gebieten Nowosibirsk und Rjasan, eine Saatgutaufbereitungsanlage im Gebiet Kursk sowie zwei Käsereien in Woronesch und Nowosibirsk. Der deutsche Saatgutspezialist KWS errichtet im Gebiet Lipezk für 17 Millionen Euro ein Werk zur Produktion von Saatgut.
Ausgewählte Projekte in der Landwirtschaft in Russland
Projekt | Investition (in Mio. Euro) | Geplante Fertigstellung | Projektträger |
Gewächshäuser / Gebiet Lipezk | 189,7 | 2021 | Teplitschnyi kombinat “Jeletskije Owoschtschi” und „Owoschtschi Tschernozemja“ |
Molkerei / Republik Baschkortostan | 143,7 | 2025 | Ekoniva Moloko Baschkirija |
3 Viehzuchtkomplexe / Gebiet Kursk | 133,9 | k.A. | Agropromkomplektazija |
Schweinemastbetrieb / Gebiet Lipezk | 123,9 | 2023 | Tscherkisowo |
Werk für Pflanzenölextraktion / Gebiet Lipezk | 80,4 | 2022 | Tscherkisowo |
Bau von sieben Schweinefarmen / Gebiete Brjansk und Orjol | 72,2 | 2022 | Miratorg |
Produktion von Saatgut / Gebiet Woronesch | 25,7 | 2022 | Euralis |
Gemüse- und Melonenanbau / Republik Baschkortostan | 16,7 | Projektierung bis 2021 | Agro Dinamix |
Produktion von Saatgut / Gebiet Kursk | 12,3 | 2022 | Ekoniva |
Produktion von proteinhaltigen Viehfutter / Gebiet Woronesch | 6,0 | 2021 | UBM Rus |
Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest
Gute Lieferchancen bei Futter- und Tierarzneimitteln
Trotz steigender Anstrengungen zur Importsubstitution bleiben Russlands Landwirte mittelfristig auf Einfuhren von Futtermittelzusatzstoffen, Tierarzneimitteln und Desinfektionsmitteln angewiesen. Dabei führt die Rubelabwertung im Zuge der Coronapandemie zum einem Anstieg der Kosten für Importe um bis zu 25 Prozent. Lokale Produzenten versuchen gegenzusteuern und investieren in eigene Kapazitäten zur Futtermittelerzeugung.
Ekoniva plant die Produktion von Melktechnik zu lokalisieren. Die Hauptakteure auf dem russischen Markt der Melkgeräte sind ausländische Anbieter, deren Produkte mehr als 76 Prozent des Marktes einnehmen.
Russlands Hersteller von Landmaschinen fahren gute Erträge ein. Steigende Ernteerträge erhöhen den Bedarf an modernen Mähdreschern und Traktoren. Die Regierung subventioniert den Verkaufspreis und fördert das Leasing von einheimischer Landtechnik zu Vorzugskonditionen.
Der Branchenprimus, Rostselmasch, investiert bis 2024 etwa 220 Millionen Euro in die Erneuerung seiner Modellreihen von Mähdreschern, den Aufbau einer Traktorenfertigung, sowie einer Getriebeproduktion im Gebiet Rostow.
Ausländische Hersteller steigern ihren lokalen Fertigungsgrad. Claas hat sich 2015 mit einem Sonderinvestitionsvertrag zur Lokalisierung der Produktion von Mähdreschern verpflichtet, um an dem staatlichen Förderprogramm teilnehmen zu können. Daneben sind mit Lemken, Grimme, Horsch, Ropa oder Schumacher weitere deutsche Hersteller und Lieferanten mit einer lokalen Fertigung auf dem Markt vertreten.
Importe von Landmaschinen nach Russland (in Millionen US-Dollar)
Landmaschinen
| 2016 | 2017 | 2018 | 2019 |
Gesamt SITC 721+722 | 1.652,2 | 2.954,1 | 2.197,2 | 2.126,3 |
. darunter aus: | | | | |
. Deutschland | 489,2 | 588,4 | 533,1 | 451,9 |
. Belarus | 300,7 | 457,0 | 316,8 | 476,8 |
. Niederlande | 121,2 | 513,1 | 164,8 | 221,5 |
. USA | 112,3 | 233,1 | 202,7 | 158,7 |
Quelle: UN-Comtrade
Smart und Digital Farming im Versuchsstadium
Seit 2016 kommen autonom fahrende Mähdrescher auf russischen Äckern in Pilotprojekten zum Einsatz. Das Joint Venture des Bankhauses Sber und der IT-Schmiede Cognitive Technologies, Cognitive Pilot, hat im Juli 2020 im Gebiet Rostow einen autonom fahrenden Mähdrescher getestet. Ekoniva übernimmt bis 2023 in 35 Regionen die Installations-, Inbetriebnahme-, Wartungs- und Engineering-Arbeiten des Systems Cognitive Pilot. Bis dahin sollen 10.000 autonom fahrende Mähdrescher im Land unterwegs sein. Mit Rusagro hat das Joint-Venture bereits einen Vertrag zur Ausrüstung von 242 Mähdreschern mit dem Cognitive Pilot über 1,4 Millionen Euro geschlossen.
Von Hans-Jürgen Wittmann
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