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Ukrainekrieg gefährdet Versorgung mit Weizen und Speiseöl

Russlands Angriff auf die Ukraine gefährdet ein Drittel der globalen Getreideproduktion. Versorgungsengpässe drohen. Die EU verbietet die Einfuhr von bela-/russischen Düngemitteln.

Von Hans-Jürgen Wittmann | Berlin

Russland ist der größte Getreideproduzent der Welt. Im Jahr 2021 steigerte das größte Flächenland der Erde seine Ausfuhren im Vergleich zum Vorjahr um 12 Prozent auf rund 11,4 Milliarden US-Dollar (US$). Zusammen mit der Ukraine, der "Kornkammer Europas", decken beide Länder rund ein Drittel des Weltmarkts für Getreide ab. Bei Mais produzieren Russland und die Ukraine rund ein Fünftel der weltweiten Menge. Der gemeinsame Anteil bei Sonnenblumenkernen und -öl beläuft sich sogar auf fast 80 Prozent.

Lieferausfälle bei Getreide bedrohen Versorgungslage

Russlands Krieg gegen die Ukraine erschwert die Aussaat von Feldfrüchten in großen Teilen des Landes. Zudem behindern die Kampfhandlungen an der Schwarzmeerküste, wo sich die Exporthäfen befinden, die Ausfuhr von bereits geerntetem Getreide aus der Ukraine. Außerdem soll Russland Ende März 2022 fünf voll beladene ukrainische Getreidefrachter aus dem Hafen Berdjansk entführt haben, meldete die ukrainische Nachrichtenagentur Ukrinform.

Mitte März 2022 erließ die russische Regierung ein Ausfuhrverbot für Weizen, Mengkorn, Roggen, Gerste und Mais bis 30. Juni 2022 in Länder der Eurasischen Wirtschaftsunion mit Ausnahme von Belarus. Damit soll der Inlandsbedarf gedeckt werden. Neben den Exporten aus der Ukraine und Russland fällt die Winterweizenernte in Australien wegen Überflutungen aus und Kanada meldete wegen extremer Hitze und Dürre im Herbst 2021 die schlechteste Getreide- und Rapsernte seit 14 Jahren.

Als Folge dieser Angebotsverknappung steigen die Weltmarktpreise. Am 7. März 2022 kostete eine Tonne Weizen an der Pariser Terminbörse 422,5 Euro. Zum 14. April 2022 pendelte sich der Weizenpreis bei 401 Euro ein.

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In Europa ist die Versorgung mit Getreide im Kalenderjahr 2022 gesichert, bestätigt Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes. Der Agrarhandelskonzern Baywa rechnet jedoch mit einem Anstieg der Lebensmittelpreise in Deutschland um bis zu 15 Prozent. Betroffen seien vor allem Backwaren. Zudem gefährdet das Defizit an Getreide aus Russland und der Ukraine die Fleischversorgung in Deutschland. Aus beiden Ländern kam auch Futtergetreide für die Schweine- und Rinderhaltung.

Gravierende Folgen haben die Lieferausfälle bei Getreide hingegen für die Hauptabnehmerländer in Afrika sowie im Nahen und Mittleren Osten. Eritrea bezieht seine Weizenlieferungen vollständig aus Russland und der Ukraine. Bei Somalia sind es mehr als 90 Prozent. Der Libanon und Madagaskar decken jeweils drei Viertel ihres Weizenbedarfs aus Russland. Ägypten, Äthiopien, der Sudan und die Türkei importieren rund 40 Prozent ihrer Getreidelieferungen aus dem größten Flächenland. Die Vereinten Nationen rechnen mit 8 Millionen bis 13 Millionen Menschen in Afrika, Asien und dem Nahen Osten, die von Hunger bedroht sind. Zudem dürften Preissteigerungen zu sozialen Unruhen führen, wie zurzeit in Sri Lanka. Der Irak stellt 100 Millionen US-Dollar für Weizen-Notkäufe bereit.

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Exportverbote für Ölsaaten verknappen Angebot

Die russische Regierung erließ zum 1. April bis 31. August 2022 ein Ausfuhrverbot für Sonnenblumenkerne und Raps. Seit dem 15. April 2022 gilt zudem eine Exportquote von 1,5 Millionen Tonnen für Sonnenblumenöl und von 700.000 Tonnen für Sonnenblumenpresskuchen. Dadurch soll der Rohstoffbedarf der lokalen verarbeitenden Betriebe und der Viehwirtschaft gedeckt werden. Bereits Ende März 2022 hob die Russland den Ausfuhrzoll auf Leinöl auf mindestens 100 US$ pro Tonne an.

Ferner kontrolliert die Regierung die Ausfuhr von Sojabohnen und Sojaschrot stärker. Vom 1. April bis 31. August 2022 ist der Export nur noch an Grenzübergängen im Fernöstlichen Föderationsbezirk und in Kaliningrad sowie in die EAWU-Mitgliedsstaaten erlaubt.

Ausfuhrbeschränkung bei Düngemitteln verstärkt Defizit bei Getreide

Russland und Belarus gehören zu den führenden Anbietern von mineralischen Düngemitteln. Das größte Flächenland war 2020 der weltweit zweitgrößte Lieferant von Stickstoff- und der drittgrößte Exporteur von Kalidünger. Rund vier Fünftel der Produktion von Düngemitteln gehen ins Ausland.

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Die EU sanktioniert in ihrem 5. Sanktionspaket ab 10. Juli 2022 die Einfuhr von Düngemitteln aus Russland und Belarus. Betroffen sind mineralische oder chemische Dünger, die Stickstoff, Phosphor und Kalium enthalten, sowie andere Düngemittel aus Kalium. Daneben stehen mit den Oligarchen Dmitri Masepin (Uralchim, Uralkali), Andrej Melnitschenko (Evrochim) und Andrej Gurjew (Phosagro) die Eigentümer der wichtigsten russischen Düngemittelhersteller auf der europäischen Sanktionsliste. Der norwegische Düngemittelhersteller Yara kündigte an, seine Zusammenarbeit mit russischen Lieferanten einzustellen.

Die russische Regierung hob Mitte April 2022 die Exportquoten für Düngemittel bis 31. Mai 2022 an. Die Quote für Stickstoffdünger stieg um 231.000 auf 5,7 Millionen Tonnen und für Mehrnährstoffdünger um 466.000 auf 5,6 Millionen Tonnen. Die Maßnahme soll lokalen Herstellern neue Absatzmärkte in Ländern eröffnen, die Russland gegenüber keine Sanktionen verhängen.

Mitte März 2022 verhängte die Ukraine zur Aufrechterhaltung der Inlandsversorgung ein Exportverbot für Stickstoff-, Phosphat-, Kali- und kombinierten Düngemittel. Ein dauerhafter Rückgang der Düngemittellieferungen könnte zu Ernteausfällen und einer Nahrungsmittelknappheit führen.

Europäische Hersteller müssen infolge der steigenden Energie- und Rohstoffpreise die Produktion von Stickstoffdünger drosseln. Sowohl Ammoniumnitrat als auch Erdgas verteuerten sich im Zuge des Krieges drastisch. Ende März 2022 kostete Düngemittel auf dem Weltmarkt rund 40 Prozent mehr als vor Beginn der russischen Invasion in die Ukraine.

Erdgas macht bis zu 80 Prozent der Herstellkosten aus, weil es zugleich als Rohstoff und Energieträger zum Einsatz kommt. Sollte ein EU-Embargo gegen russisches Erdgas kommen, müsste die Branche ihre Produktion weitgehend einstellen.


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