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Drei Varianten kommen für den Marktausstieg aus Russland in Frage

Unternehmen, die Russland den Rücken kehren möchten, wählen als Exitstrategie meist die Überführung in den Schlafmodus, die Liquidierung oder den Verkauf an das lokale Management. 

Von Hans-Jürgen Wittmann | Berlin

Für deutsche Unternehmen, die ihr Geschäft in Russland ruhen lassen oder sich zurückziehen wollen, kristallisieren sich aktuell drei Möglichkeiten heraus.

Schlafmodus als Option zum Überwintern in der Krise

Die Überleitung in einen Schlafmodus ist eine Variante, wenn der deutsche Investor den Umfang seiner Geschäftstätigkeit verkleinern will. Die Mitarbeiter werden abgebaut, bis auf einen Generaldirektor. Dieser ist mit juristischer Adresse und entsprechenden Vollmachten ausgestattet und kümmert sich um die vorgeschriebenen Quartals- und Jahresberichte. 

Liquidation eines Unternehmens will gut vorbereitet werden

Eine weitere Option für den Marktausstieg ist die Liquidation der lokalen Tochtergesellschaft. Sie muss innerhalb von 12 Monaten durchgeführt werden. Eine einmalige Verlängerung der Frist um 6 Monate ist möglich. Bis dahin müssen auch die Rückzahlung oder Umstrukturierung von konzerninternen Darlehen, die Kündigung laufender Verträge mit Lieferanten und Kunden sowie die Freistellung von Mitarbeitern geregelt sein.

Doch lauern hier zahlreiche Stolpersteine: „Bei der Liquidation müssen sich die Unternehmen darauf einstellen, dass diese gar nicht akzeptiert oder die Einreichung des Antrages unmittelbar mit einer Vielzahl von Prüfungen seitens Steuerbehörde, Arbeitsinspektion, oder Staatsanwaltschaft beantwortet wird“, gibt Andre Scholz, Partner bei der Rechts- und Steuerberatungskanzlei RSP International in Moskau zu Bedenken.

Hinzu kommen rechtliche Risiken einer Insolvenz, wie die subsidiäre Haftung der Geschäftsleitung und der Gesellschafter, für den Fall, dass eine Befriedigung der Gläubigerforderungen unmöglich ist, oder wenn der Konkursantrag nicht rechtzeitig beim Arbitragegericht gestellt wurde. „Für eine erfolgreiche Umsetzung der Liquidierung ist es essenziell, dass keine Klagen anhängig sind“, ergänzt Florian Schneider von Dentons. „Bevor die Klagen nicht vom Tisch sind, kann die Liquidierung nicht durchgeführt werden, mit Folgen für den gesamten Konzern“.

Die Ausfuhr der eingeführten Anlagen gestaltet sich ebenfalls schwierig, seit ein Präsidialdekret von Anfang März 2022 ein vorläufiges Exportverbot von rund 200 Warengruppen bis Ende 2022 festgelegt hat. Eine Verlängerung des Dekrets ist wahrscheinlich. Darunter fallen unter anderem Landmaschinen, Produktionsanlagen, Werkzeuge, Elektrogeräte oder Verkehrsmittel.

Verkauf des Unternehmens geeignetere Lösung

Als dritte Möglichkeit kommt der Verkauf des lokalen Unternehmens an einen Wettbewerber oder Franchisenehmer infrage. Für den Abschluss des Kaufvertrages ab einem Wert von 10 Millionen Rubel (rund 17.000 Euro) ist eine Zustimmung der Regierungskommission für ausländische Investitionen erforderlich. Diese erteilt Unternehmen aus nach russischer Sichtweise „unfreundlichen Ländern“ häufig nur dann eine Erlaubnis zum Verkauf, wenn der Preis mindestens 50 Prozent unter Marktwert liegt. So geschehen bei der Veräußerung von Goldminen durch das kanadische Unternehmen Kinross.

Renault veräußerte seinen Anteil von 68 Prozent am Autobauer AwtoVAZ an das staatliche Forschungsinstitut NAMI. Doch sicherte sich der französische Autobauer ein Rückkaufrecht innerhalb der kommenden 6 Jahren. Dennoch musste der französische Autobauer rund 2,2 Milliarden Euro abschreiben. Mercedes erwägt seine Vertriebsgesellschaft an einen seiner Händler zu verkaufen, meldet die Wirtschaftszeitung Kommersant. Das Produktionswerk Moscovia soll hingegen nicht veräußert werden.

McDonald’s verkaufte seine 850 Filialen in Russland zu einem symbolischen Preis deutlich unter Marktwert an den Franchisenehmer Alexander Gowor. Die US-Fast-Food-Kette sicherte sich jedoch ein Rückkaufsrecht von 11 Jahren. Nach einem Rebranding als „Wkusno i totschka“ eröffnete der sibirische Unternehmer die Filialen Anfang Juni 2022 wieder. Ein Großteil der 62.000 Arbeitsplätze blieb dabei erhalten.

Management-Buy-out erfreut sich steigender Beliebtheit

Die derzeit bevorzugte Variante, das Geschäft in Russland abzustoßen, ist der Management-Buy-out. Dieser ist häufig die schnellere und günstigere Option als eine Liquidierung. Zudem hat diese Variante den Vorteil, dass damit verhindert werden kann, dass sich kremlnahe Oligarchen zu Spottpreisen die Aktiva deutscher Unternehmen einverleiben.

Zunächst muss ein marktgerechter Verkaufspreis erzielt werden. „Beim Management-Buy-out kann es sein, dass die Steuerbehörde die Preise für die Veräußerung und einen möglichen vereinbarten Rückkauf als nicht fremdüblich in Zweifel zieht. Hier sollte beachtet werden, dass Verkäufer, verkaufte Gesellschaft und der Generaldirektor, der meist als Käufer auftritt, nach russischem Recht aus steuerlicher Sicht als nahestehende Personen behandelt werden“, ergänzt Andre Scholz von RSP International.

Weiterhin sollte durch eine sorgfältige Prüfung (Due Diligence) eine Risikobewertung der bisherigen Tätigkeit des Unternehmens erfolgen. Auch die Frage der Firmenbezeichnung sowie der Nutzung von Marken-, Lizenz- und Schutzrechten müssen geregelt und diese gegebenenfalls speziell für den russischen Markt registriert werden. Die Nutzung der Immobilien und IT-Ausrüstung sowie deren Anbindung an das Mutterhaus müssen vertraglich fixiert werden.

Einige Firmeninhaber wollen die Kontrolle über das lokale Unternehmen auch nach dem Austritt behalten. Dazu bieten sich die Verpfändung der Anteile, das Halten eines Minoritätsanteils, oder der Abschluss eines Gesellschaftsvertrages an. Zudem sichern sich einige Investoren ein Rückkaufsrecht zwischen 2 und 11 Jahren über Call-Optionen oder Escrow-Verträge.

Der Logistikkonzern Kuehne+Nagel verkauft sein Russlandgeschäft an den lokalen Geschäftsführer Perry Neumann. Das Unternehmen will unter neuem Namen in Russland, Belarus, Kasachstan und Aserbaidschan tätig sein. Auch Dr. Oetker und Rehau gehen den Weg des Management-Buy-outs.

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