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Wirtschaftsumfeld | Russland | Ölindustrie

Embargo mit Vorlaufzeit: EU sanktioniert Ölimporte aus Russland

Die EU einigte sich auf ein Embargo für russische Ölimporte auf dem Seeweg. Sie sanktioniert damit eine wichtige Einnahmequelle der Regierung in Moskau.

Von Hans Peter Pöhlmann | Bonn

Nach zähem Ringen einigten sich die Staaten der Europäischen Union (EU) am 30. Mai 2022 auf eine gemeinsame Linie beim Ölembargo gegen Russland. Das Embargo tritt für Rohöl erst zum 5. Dezember 2022 und das für Ölprodukte erst zum 5. Februar 2023 in Kraft. Der Kompromiss sieht vor, Transporte per Pipeline vorläufig weiter zu ermöglichen. Damit werden zunächst nur russische Öllieferungen über den Seeweg unterbunden. Bislang gelangten rund zwei Drittel der Ölimporte aus Russland auf dem Seeweg in die EU.

Ölembargo ist Hauptbestandteil des sechsten EU-Sanktionspakets

Im Jahr 2021 importierte die EU Rohöl (SITC-Code 333) im Wert von 48 Milliarden Euro und raffinierte Ölprodukte (SITC-Code 334) im Wert von 23 Milliarden Euro aus Russland. Über seine Hauptpipeline Druschba lieferte Russland durchschnittlich rund 720.000 Barrel Rohöl pro Tag an europäische Raffinerien.

Der Präsident des Europäischen Rates Charles Michel erklärte, dass mit den Öleinnahmen eine wichtige Finanzierungsquelle für die russische Armee wegfalle. Das Ölembargo ist Teil des sechsten EU-Sanktionspakets, das neben anderen Maßnahmen auch vorsieht, mit Sber die größte russische Bank aus dem Finanzkommunikationsnetzwerk Swift auszuschließen. Die EU setzt darüber hinaus Rundfunksendungen weiterer drei russischer Staatsmedien aus und erweitert Ausfuhrbeschränkungen auf zusätzliche Chemikalien.

Unterschiedliche Abhängigkeit von Russland erschwert gemeinsame Linie

Insbesondere die ungarische Regierung hatte sich gegen ein umfassenderes Embargo ausgesprochen. Ungarn ist bei Ölimporten fast ausschließlich auf Lieferungen aus Russland angewiesen. Aber auch in Polen, Tschechien, der Slowakei und in Ostdeutschland sind Raffinerien bislang von Öllieferungen aus Russland per Pipelines abhängig.

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Die neue Regelung sieht die EU auch deshalb als Erfolg, da Länder mit großen Tankerflotten wie Griechenland oder Malta die Einigung mittragen. Deutschland und Polen erklärten darüber hinaus, dass sie trotz der Ausnahmeregelung ganz auf Pipelineöl verzichten wollen. In diesem Fall droht Russland 2023 bei der Liefermenge in die EU sogar ein Rückgang um rund 90 Prozent. Nach Schätzungen der Brüsseler Denkfabrik Bruegel gaben EU-Staaten bis vor Kurzem noch etwa 450 Millionen Euro pro Tag für Öl aus Russland aus.

Für einzelne EU-Mitglieder gelten Ausnahmeregelungen und Übergangsfristen

"Mitgliedstaaten, die in besonderem Maße von russischen Pipelines abhängig sind, können von einer befristeten Ausnahmeregelung profitieren und weiterhin per Pipeline geliefertes Rohöl erhalten, bis der Rat anders entscheidet", teilte die EU-Kommission mit. Sie untersagte jedoch einen Verkauf des weiterhin aus Russland bezogenen Öls in Drittstaaten.

Für Bulgarien greift eine Ausnahmeregelung, die dem Land Öllieferungen aus Russland bis Ende 2024 generell erlaubt. Ministerpräsident Kiril Petkow erklärte, dass die Ausnahmeregelung von den allgemeinen EU-Sanktionsvorschriften es ermögliche, die Raffinerien des Landes auf die Einfuhr von Kraftstoffen aus anderen Ländern umzustellen. Der Tschechischen Republik wird eine 18-monatige Übergangszeit eingeräumt, innerhalb derer sie weiterhin russisches Öl beziehen darf. Kroatien erhält bis Ende 2023 eine Ausnahmegenehmigung für russisches Vakuumgasöl, das es für den Betrieb seiner Raffinerie in Rijeka benötigt.

Russland könnte kurzfristig von Ölpreisanstieg profitieren

Experten der Brüsseler Denkfabrik Bruegel befürchten, dass das EU-Embargo die globalen Ölmärkte kurzfristig verknappt, die Preise in die Höhe treibt und so die Einnahmen für Russland vorübergehend sogar erhöht. Der Boykott gilt zwar als schwerer Schlag für die russische Volkswirtschaft, allerdings erst ab dem Jahr 2023.

Längerfristig dürfte es für Russland immer schwieriger werden, den Rückgang der EU-Nachfrage zu kompensieren. Zwar stiegen im April 2022 die Lieferungen nach Indien und China an, jedoch nur mit einem erheblichen Preisnachlass um rund ein Viertel. Das russische Wirtschaftsministerium rechnet 2022 mit einem Rückgang der nationalen Ölproduktion um 17 Prozent.

Verbot für Transportversicherungen setzt Hürden für alternative Absatzmärkte

Nach einer Einigung mit dem Vereinigten Königreich beschloss die EU außerdem, Versicherungen für den Transport von russischem Kraftstoff zu verbieten. Die Verzögerung von sechs Monaten verschafft jedoch Zeit für die Suche nach alternativen Lösungen. Russische Regierungsvertreter kündigten bereits an, ersatzweise staatliche Garantien bereitstellen zu wollen. Dennoch dürfte der Boykott dafür sorgen, dass sich die Kosten für den Transport erhöhen – und damit auch der Druck zu weiteren Preisabschlägen für russisches Öl.

Rechtsgrundlage: EU-Amtsblatt L 153 vom 3. Juni 2022 

Einen Überblick über die Sanktionspakete bietet GTAI auf ihrer Sonderseite EU-Sanktionen gegenüber Russland.

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