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Der Anteil deutscher Produkte an den schwedischen Baumaschinenimporten ist binnen fünf Jahren um 20 Prozent gesunken. Der Markt verlangt nach modernster Technik.
30.03.2021
Von Michał Woźniak | Stockholm
Digitalisierung ist für das Erreichen der Klimaziele der Bauindustrie unabdingbar. Im Rahmen der Initiative Fossilfreies Schweden haben sich die Unternehmen verpflichtet, bis 2022 eine Emissionsrechnung zu erstellen und sich konkrete Klimaziele zu setzen. Im Vergleich zu 2015 wird bis 2030 eine Reduzierung um 50 Prozent und bis 2040 um 75 Prozent angepeilt. Bis 2045 soll die Branche ihre Nettoemissionen auf null zurückfahren. Neben einer langfristigen Umstellung auf klimaneutrale Materialien und zirkuläre Prozesse wird auch Effizienz eine wichtige Rolle spielen – und diese kann von digitalen Lösungen beschleunigt werden.
Laut einer Zusammenstellung des Schwedischen Entwicklungsfunds der Bauindustrie SBUF, einer nonprofit Initiative des Sektors, wurden zwischen Anfang 2018 und Ende September 2020 knapp 120 Forschungsprojekte im Bereich Digitalisierung von Bauprozessen durchgeführt. Etwa 40 Prozent der Vorhaben wurde vom staatlichen Programm Smart Built Environment gefördert. Die Bandbreite reicht dabei von Datenverarbeitung über Bauwerksdatenmodellierung (Building Information Modeling; BIM) bis zu digitalen Zwillingen und Prozessautomatisierung. Die nächste Bewerbungsrunde ist für November 2021 angekündigt. Förderungen für den Baubereich können außerdem auch bei der SBUF selbst, der Verkehrsinfrastrukturbehörde Trafikverket, der Entwicklungsagentur Vinnova und der Initiative Infrasweden 2030 beantragt werden.
Neben BIM gehören zu den am häufigsten realisierten Entwicklungsprojekten die Bereiche Simulation und Analysen, Sensortechnologien in Anbindung an das Internet der Dinge (Internet of Things; IoT), Automatisierung und Robotertechnik und die Nutzung von virtueller (VR) und erweiterter Realität (augmented reality; AR) in Bauprozessen. Allerdings bemängeln die Experten von SBUF, dass die Forschungsergebnisse noch zu selten in die reale Bauwirtschaft einfließen.
An der Bereitschaft der Bauarbeiter dürfte es nicht liegen, wie auch Manager deutscher Baumaschinenanbieter in Schweden bestätigen. Mit Monitoren ausgestattete Bagger mit digitalen Umgebungskarten und –sensoren sind fast schon die Norm.
Bild vergrößernDoch auch die Baufirmen selbst sehen große Vorteile in der Digitalisierung und setzten – wenngleich oft nur als Pilotprojekt – auf die neuesten Errungenschaften der Technik. Vor allem, wenn sie zur Steigerung der Effizienz und Genauigkeit sowie der Senkung von Sicherheitsrisiken beitragen können. Darauf setzt der schwedische Baumaschinenhersteller Hilti mit seinem halbautomatischen Bohrroboter Jaibot. Dank eingespeister BIM-Daten soll er Bohrungen in Gebäudedecken vornehmen können und so die Bauarbeiter entlasten und vor Staubeinflüssen schützen.
Solche innovativen Angebote sind wichtig, um Kunden zu ködern. Etwas, dass deutschen Herstellern in den letzten Jahren zunehmend schwer zu fallen scheint. Ihre Umsätze aus dem Geschäft mit Schweden lagen 2020 unter dem Wert von 2016. In der gleichen Zeitspanne haben sich nicht nur die entsprechenden Einfuhren aus China mehr als verdoppelt. Die finnische Konkurrenz legte um 75 Prozent, die norwegische um gut 30 Prozent zu.
Bild vergrößernDas Bauunternehmen NCC kaufte Ende März 2021 einen Roboterhund von Boston Dynamics. Er soll unter anderem dank der integrierten Kameras zur Sicherheit beitragen: „Der Hund kann die abgelichteten Daten registrieren, messen und verarbeiten. Damit können Risikofaktoren am Arbeitsplatz, wie im Weg stehende Dinge, festgestellt werden. Auf die gleiche Weise werden wir mit Hilfe des Hundes sehen, ob es Schutzbarrieren oder Schlösser gibt und was in dem Bereich ergänzt werden muss“, erklärte Christina Claeson-Jonsson, Managerin für Forschung und Entwicklung der Firma.
Damit ist seine Rolle aber nicht ausgeschöpft. Sein Einsatzort in Göteborg ist Bestandteil des von der Europäischen Union geförderten Forschungsprojektes Ashvin Kineum, dessen Ziel die Integration von Internet der Dinge und der Bildanalyse in den Bauprozess ist. Anhand des so erarbeiteten digitalen Zwillings soll die Bauleitung detailliertere Informationen zum Baufortschritt erhalten.
Schneller fortschreiten soll auch der Planungsprozess. Das schwedische Amt für Kartografie, Kataster und Grundbuchführung Lantmäteriet soll bis Ende Januar 2022 eine digitale Infrastruktur für baurelevante Daten aufbauen. Der Auftrag umfasst auch die Vorbereitung von Kapazitäten für das Datenhosting, die allen Kommunen einen sicheren, standardisierten und unterbrechungsfreien digitalen Informationsfluss bieten soll. „Viele Marktteilnehmer meinen, dass unnötig viel Zeit für die Suche nach Informationen aufgewendet wird, die leicht zugänglich sein sollten. Ein Wachstum im Wohnungsbau setzt effiziente Prozesse voraus“, begründete der Minister für Wohnungswesen Per Bolund in einer Pressemitteilung die Notwendigkeit des Vorhabens.
Und damit das Endergebnis nicht enttäuscht, wird vermehrt auf Augmented Reality-Technologie gesetzt. So stellte beispielsweise das Planungsunternehmen JSB Ende 2020 eine neue App vor: JSBcraft soll mithilfe der zunehmend in modernen Smartphones auftauchenden LiDAR-Technologie eine bessere Beurteilung des geplanten Gebäudes ermöglichen: Seine Einpassung in die Umgebung, das Zusammenspiel mit Bestandsbauten oder den Lichteinfall. „So können wir unseren Kunden helfen, Entscheidungen hinsichtlich der Art des Hauses, der Fassadenfarbe oder des Grundrisses zu treffen – in Abstimmung mit der Umgebung des Grundstücks“, erklärt Johan Persson, Manager bei JSB Bostad.