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Branchen | Schweden | Energie

Die Kernanliegen der neuen Regierung

Die neugewählte schwedische Regierung verschiebt bei der Energie- und Klimapolitik die Akzente. Die Atomkraft feiert ein Comeback.

Von Michał Woźniak | Stockholm

Im Mitte Oktober 2022 unterzeichneten Tidö-Abkommen, das die Pläne der neuen schwedischen Regierung unter Ulf Kristersson für die nächsten vier Jahre beinhaltet, halten die vier Vertragsparteien fest:

"Das energiepolitische Ziel wird von 100 Prozent 'erneuerbar' auf 100 Prozent 'frei von fossilen Brennstoffen' geändert".

Weil man zum Wohle der schwedischen Konkurrenzfähigkeit weiterhin eine ambitionierte Energie- und Klimapolitik verfolgen wird, soll der Ausbau grüner Energiequellen weiter erleichtert werden. Der Bewertungsrahmen des Umwelteinflusses im Falle der Wasserkraft soll abgespeckt werden. Die oberste Priorität soll der Elektrizitätsversorgung gelten.

Förderung von Erneuerbaren

Auf Dächern angebrachte Solaranlagen, die bisher einer Baugenehmigung bedurften, könnten zukünftig informell installiert werden können - solange sie in das Dach integriert werden. Damit der Ausbau der Sonnenenergie - im Jahr 2040 soll sie in Schweden etwa 10 Terawattstunden Strom liefern -  langfristig nicht die Umwelt belastet, soll die Forschung am Recycling von Solarzellen stärker unterstützt werden.

Auch die Windenergie darf weiter auf Förderung hoffen. Andererseits werden Windkraftbetreiber ihre Profite zukünftig wohl stärker mit den Anlage-Nachbarn teilen müssen. Die Subventionierung der Anschlüsse von Offshore-Anlagen durch Netzbetreiber wird gestrichen. "Der Grundsatz, dass derjenige, der sich an das Netz anschließt, die Kosten für den Anschluss trägt, sollte auch auf See gelten", steht im Abkommen. Die Kosten grüner Energie könnten ferner durch eine neue Ausgleichszahlung für "stabile Energiequellen" steigen. So sollen Stromproduzenten, die "die für ein gut funktionierendes Elektrizitätssystem erforderlichen Unterstützungsleistungen erbringen", dafür in erster Linie von denjenigen entlohnt werden, die dies nicht leisten können.

Damit könnte die Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) wieder rentabler werden. Eine neue Strategie für Fernwärme und KWK soll durch sektorale Verbindungen (Strom, Prozesswärme, Fernwärme, Wasserstoff) ergänzt werden. Die aktuell erhobenen KWK-, Abfallverbrennungs- sowie Bioölsteuern kommen hingegen auf den Prüfstand.

Das Revival der Kernkraftwerke

Die größte Neuerung in der Energiepolitik betrifft allerdings die Kernkraft, die nicht zuletzt seit Russlands Angriff auf die Ukraine und den damit verbundenen Verwerfungen auf dem Energiemarkt, immer weiter in den Fokus der öffentlichen Debatte rückte. So will die Regierung eine Untersuchung zur Wiederinbetriebnahme ausgemusterter Blocks in Auftrag geben.

Die im Umweltgesetzbuch enthaltenen Verbote, neue Reaktoren an anderen Standorten als heute zu bauen und mehr als zehn gleichzeitig in Betrieb zu haben, sollen gestrichen werden. Die Genehmigungsverfahren für den Bau neuer Meiler sollen vereinfacht werden. Gar von einem "Schnellverfahren" ist im Tidö-Abkommen die Rede. Demnach soll ebenfalls ein neuer Rechtsrahmen für kleine modulare Reaktoren (SMR) "schnellstmöglich" erarbeitet werden. Auch die mit dem Antragsverfahren verbundenen Kosten sollen deutlich gesenkt werden. Dafür sollen Bürgschaften in Höhe von knapp 40 Milliarden Euro für entsprechende Investitionen zur Verfügung gestellt werden.

Damit die Betreiber keine Risiken durch einen erneuten Regierungs- und Kurswechsel fürchten müssen, soll ein Entschädigungsanspruch gesetzlich verankert werden. "Es sollten neue Regeln eingeführt werden, um zu verhindern, dass Politiker willkürlich Kernkraftwerke abschalten. Der Kernkraft sollte das Recht zum Betrieb und zur Erzeugung von Strom garantiert werden, solange die Anlagen in gutem Zustand sind und sicher betrieben werden können", heißt es von den Regierungsparteien.

Neuer Auftrieb für CCS

Weil die Emissionsreduktion nicht in jeder Branche gleich schnell umsetzbar ist und Schweden trotzdem bemüht ist seine Bilanz zu verbessern, kommt auch wieder die Kohlenstoffdioxid-Abscheidung und -Speicherung (CCS) zum Zuge. Die schwedische Energieagentur hatte die erste Auftragsauktion Anfang 2022 wegen ungeklärter Rechtslage auf unbestimmte Zeit verschieben müssen. Sie soll nun die Arbeiten daran beschleunigen, mit höheren Volumina planen und zudem politische Instrumente entwickeln, um mit CCS die grüne Umstellung von Zementwerken und Raffinerien voranzutreiben. Die für geologische Untersuchungen zuständige Agentur SGU wird derweil beauftragt, geeignete Lagerstätten zu finden.

Im Abkommenstext etwas versteckt ist ein weiteres Element der Absicherung des eigenen Strommarktes. So heißt es: "Der Ausbau von Exportstromleitungen sollte solange aufgeschoben werden, bis sich die Preisunterschiede zwischen den [vier] Preisregionen deutlich verringert haben". Weil ein großer Teil der schwedischen Stromkapazitäten (vor allem im Bereich Wasser- und Windenergie) im Norden des Landes steht, die meiste Elektrizität aber im Süden verbraucht wird und die Netzwerke nur ein begrenztes Übertragungspotenzial haben, sind die Preise in den letzten Monaten zeitweise stark auseinandergedriftet. Ende August 2022 kostete die Folgetag-Megawattstunde auf dem Spotmarkt in Malmö nahezu das zwanzigfache wie beispielsweise in Kiruna. Mitte Oktober 2022 ging der Unterschied auf etwa den Faktor zwei zurück. Nichtsdestotrotz dürfte der eigentlich für 2024 geplante Baubeginn der Hansa PowerBridge, eines Unterseekabels nach Deutschland, auf stabilere Zeiten warten müssen.

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