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Singapur beginnt, sukzessive seine Wirtschaft wieder zu öffnen. Allerdings gelten auch in dieser „Phase 2“ noch immer etliche Einschränkungen.
22.06.2020
Von Werner Kemper | Kuala Lumpur
Die Zahl der Infizierten in Singapur hat sich in den letzten Wochen drastisch erhöht, auch wenn sie inzwischen wieder deutlich langsamer ansteigt. Die Krankheit hat sich nahezu ausschließlich in Massenunterkünften von ausländischen „Gastarbeitern“ ausgebreitet. Dort sind die Hygiene- und Abstandsregelungen kaum umsetzbar. Das Virus hat sozusagen den Finger in eine offene Wunde des heimischen Wirtschaftsmodells gelegt, was dringender Reformen bedarf. Trotz stark gestiegener Infektionen hat die Zahl der tödlich verlaufenden Fälle kaum zugenommen und liegt bei 26.
Singapur, eine sehr weltoffene Metropole, bekommt die wirtschaftlichen Auswirkungen der globalen Pandemie extrem stark zu spüren. Normalerweise landet oder hebt ein Flugzeug alle 80 Sekunden vom Flughafen Changi ab. Etliche Firmen haben ihre asiatische Firmenzentrale im Stadtstaat. Konferenzen, Messen und internationale Meetings sind wichtige Bestandteile des Wirtschaftsmodells. Dieses funktioniert aktuell nicht mehr. Daneben ist vor allem auch der Tourismussektor betroffen. Die Regierung geht von einem empfindlichen Rückgang ausländischer Besucher aus. Auch Einzelhandel, Hotels und das Gaststättengewerbe bekommen die Folgen deutlich zu spüren.
Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) wird 2020 im Vergleich zum Vorjahr voraussichtlich real um 5,8 Prozent zurückgehen. Bei den besonders betroffenen Sektoren sieht es da dabei wie folgt aus: Groß- und Einzelhandel (-12,8 Prozent), Hotel- und Gaststättengewerbe (-26,0 Prozent), Bausektor (-11,4 Prozent). Der private Konsum soll ebenfalls mit minus 5,2 Prozent stark nachlassen. Die Arbeitslosigkeit wird Ende des Jahres zwischen 4,0 und 4,5 Prozent liegen, so aktuelle Prognosen. Es gibt durchaus aber auch Lichtblicke. So wird erwartet, dass das verarbeitende Gewerbe um 2,2 Prozent zulegen wird, und auch beim Finanzsektor soll es um 3,1 Prozent nach oben gehen.
Seit Freitag (19.6.20) hat in Singapur die „Phase 2“ begonnen. Das heißt der bisherige „Circuit Breaker“ ist damit beendet und das Land beginnt mit der allmählichen Rückkehr zur Normalität. Das heißt, Treffen von Freunden und Verwandten in Gruppen von bis zu fünf Personen sind wieder möglich. Ältere Menschen sollten nach Möglichkeit jedoch weiter zuhause bleiben, und das Tragen von Masken sowie das Einhalten der Abstandsregel von mindestens einem Meter sind weiterhin Pflicht. Restaurants, Cafes, Fitnesscenter, Schwimmbäder und der Einzelhandel dürfen unter Beachtung der Hygiene- und Abstandsregeln wieder öffnen, allerdings sind Live Musik und sonstige Events weiterhin verboten. Größere Veranstaltungen wie Konferenzen, Messen, Konzerte oder Sportveranstaltungen sind derzeit noch nicht möglich. Geschlossen bleiben müssen außerdem bis auf Weiteres Bars, Kinos und Nachtclubs.
Nach Singapur einreisen dürfen nur Staatsbürger, Diplomaten und Personen mit einer Daueraufenthaltsgenehmigung beziehungsweise einem langfristigen Visum. Die Einreise bedarf einer vorherigen Genehmigung. Touristen, Geschäftsreisende und sonstige Kurzbesucher dürfen nicht einreisen. Bei der Einreise gilt weiterhin die 14-tägige Quarantänepflicht. Allerdings wurde sie für Personen aus bestimmten Ländern auf Selbstquarantäne gelockert. Die Pflicht, in ein Quarantänehotel oder dergleichen gehen zu müssen, entfällt somit. Länder mit gelockerten Bestimmungen sind: Australien, Neuseeland, Brunei, Südkorea, Taiwan, Hongkong, Japan, Macao, Vietnam und China. Vor Ablauf der 14-tägigen Quarantäne müssen sich alle Einreisende einem Covid-19-Test unterziehen. Für Personen in Selbstquarantäne kostet dieser Test rund 150 US-Dollar (US$), für alle andern rund 1.500 US$.
Um dem Ausmaß des wirtschaftlichen Abschwungs entgegenzuwirken, hat die Regierung inzwischen vier Nachtragshaushalte auf den Weg gebracht. Die konjunkturstützenden Maßnahmen belaufen sich auf rund 70 Milliarden US$, was knapp 20 Prozent des BIP entspricht. Ein Schwerpunkt ist dabei der Arbeitsmarkt. Das „SGUnited Jobs and Skills Package“ hat sich zum Ziel gesetzt, 100.00 neue Arbeitsplätze zu schaffen. Allein 40.000 davon sollen im öffentlichen Dienst ermöglicht werden.
Das vierte Konjunkturproramm in Höhe von rund 23 Milliarden US$ wurde Ende Mai auf den Weg gebracht. Es beinhaltete zusätzlich zu den neu zu schaffenden Stellen im öffentlichen Dienst abermalige Lohnzuschüsse für Unternehmen, die nicht sofort zum Beginn der Phase 2 wieder öffnen können. Außerdem wurden weitere Mietzuschüsse für KMU gewährt und die Beschäftigung von ausländischen Arbeitskräften vor allem im Bau- und Offshore-Sektor vereinfacht. Durch dieses neuerliche Hilfspaket wird sich das Haushaltsdefizit auf insgesamt 52,3 Milliarden US$ beziehungsweise 15,4 Prozent des BIP belaufen. Finanziert wird es durch ein Abschmelzen der singapurischen Reserven, deren genaue Höhe ein wohlbehütetes Staatsgeheimnis ist.