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Branchen | Energiesicherheit | Skandinavien

Skandinavien will langfristig zum Energieexporteur werden

Die voranschreitende Elektrifizierung der Wirtschaft fordert die Energiebranchen heraus. Staatliche Zuschüsse und bessere Exportchancen sollen zukünftig Abhilfe schaffen.

Von Michał Woźniak | Stockholm

Auch wenn die skandinavischen Länder bei ihrer Strom- und Wärmeversorgung größtenteils unabhängig sind, verursachte der russische Angriff auf die Ukraine auch in Nordeuropa eine deutliche Erhöhung der Energiepreise. Norwegen und Schweden bleiben dabei aber trotz CO2-Steuer preislich unter dem EU-Durchschnitt. Dänemark hat hingegen die höchsten Strompreise für private Haushalte in Europa. Die ab 2025 anvisierte neue dänische Umweltsteuer dürfte auch die Energie für Unternehmen verteuern.

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Um die teilweise um das Zweihundertfache gestiegenen Preise auszugleichen, bieten alle drei Regierungen Zuschüsse an. So können Unternehmen in Schweden für den Zeitraum Oktober 2021 bis September 2022 bis zu knapp 2 Millionen Euro als Ausgleich für Mehrkosten beantragen. Eine nachträgliche Ausgleichszahlung für Haushalte wird mit insgesamt 2,5 Milliarden Euro gefördert. Zusätzlich wurden bis 2025 Steuern auf Treibstoffe gesenkt.

Dänemark hat nicht nur die Stromsteuer gesenkt, sondern gleichzeitig Hilfen für die Umstellung von fossilen Heizungen auf grüne Alternativen erweitert. Um die Folgen des Preisanstiegs für Unternehmen zu mildern, hat die Regierung über 3 Milliarden Euro für einen Zahlungsaufschub für Strom-, Gas- und Fernwärmerechnungen von Energieversorgern bereitgestellt. Für energieintensive Unternehmen gibt es zusätzlich über 1,3 Milliarden Euro an Vorzugskrediten, um deren Liquidität zu gewährleisten. 

In Norwegen angesiedelte Firmen erhalten ebenfalls Zugriff auf Vorzugskredite mit einem Volumen von bis zu knapp 5 Millionen Euro je Unternehmen. Steigt der Strompreis über 0,06 Euro je Kilowattstunde, erhalten Unternehmen eine 25-prozentige Kompensation für die darüber liegenden Stromkosten, Haushalte eine 90-prozentige Erstattung. 

Wichtige Indikatoren für den Energiemarkt

Dänemark

Norwegen

Schweden

Deutschland

Bevölkerung (in Mio.; am 1.1.2023)

5,9

5,5

10,5

84,4

Energieproduktion (PJ; 2021)

426

8.952

618

4.045

Stromverbrauch (TWh; 2021)

37

132

134

551

Nettoenergieimporte (PJ; 2021)

248

-7.735

434

7.916

Pro-Kopf-Verbrauch (GJ/Kopf; 2021) 

121

232

188

145

CO2-Emissionen (Mio. Tonnen; 2021)

52

55

31

534

Strompreis Industrie (Euro/ MWh; 2. Halbjahr 2022)

437

162

180

258

Strompreis Endverbraucher (Euro/ MWh; 2. Halbjahr 2022)

313

175

191

299

PJ=petajoule, GJ=gigajoule, TWh=Terrawattstunde, MWh=Megawattstunde.Quelle: International Energy Agency 2023, Eurostat 2023, Dänische Energieagentur Energistyrelsen 2023, Norwegisches Statistikamt SSB 2023, Schwedisches Statistikamt SCB 2023

Noch hat Norwegen genug eigenen Strom

Im Jahr 2020 war Dänemark zu 45 Prozent und Schweden zu 34 Prozent von externen Energielieferungen abhängig, geht aus Berechnungen von Eurostat hervor. Deutschland lag zeitgleich bei 64 Prozent, der EU-Durchschnitt bei 58 Prozent. Der Öl- und Gasexporteur Norwegen ist bei der Energieversorgung hingegen autark. Noch. Denn die skandinavischen Länder verfolgen ambitionierte Nachhaltigkeitsziele, die den Strombedarf deutlich steigern werden.

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So sollen gemäß des Basisszenarios des norwegischen Netzbetreibers Statnett im Jahr 2050 in Norwegen etwa 220 Terawattstunden Strom abgerufen werden - 60 Prozent beziehungsweise 80 Terawattstunden mehr als 2020. Bereits bis 2027 werden 24 Terawattstunden Mehrbedarf anfallen, verursacht durch die Elektrifizierung der Öl- und Gasförderung sowie der Schifffahrt oder neue Investitionen in die Batterie- und Wasserstoffproduktion. Laut Hilde Tonne, Chief Executive Officer von Statnett, könnte dann bereits ein Stromdefizit drohen. "Wir werden bis 2030 zwischen 5 und 9 Milliarden Euro in das Übertragungsnetz investieren. Gleichzeitig müssen wir die Entwicklung der neuen Stromerzeugung beschleunigen", kündigte sie 2022 an. Was und wo genau gebaut wird, soll Anfang November 2023 mit der Vorstellung des neuen Investitionsplans bekannt gegeben werden. 

Die lange nur schleppende Entwicklung der Wasserkraft in Norwegen gewinnt an Fahrt. So will das norwegische Gemeinschaftsunternehmen Lyse Kraft noch 2023 einen Antrag für Modernisierungen mehrerer Wasserkraftwerke im Wert von 450 Millionen Euro stellen, der Energiekonzern Statkraft weitere 300 Millionen Euro bis 2030. Der Energieversorger Nordkraft sicherte sich Ende 2022 knapp 50 Millionen Euro Finanzierung für vier Klein-Wasserkraftanlagen. Das Vorzeigeprojekt bleibt aber die Windkraft: Allein auf dem Meer sollen bis 2040 bis zu 30 Gigawatt an Kapazitäten entstehen.

Schweden setzt auf Kernkraft

Auch der östliche Nachbar Schweden investiert wieder mehr in die Wasserkraft. Der Energieversorger Vattenfall kündigte an, seine Kapazitäten bis 2030 um nahezu 10 Prozent beziehungsweise 720 Megawatt aufstocken zu wollen. Insgesamt werden vier bestehende Wasserkraftwerke ausgebaut, die ersten Bauarbeiten sollen 2026 starten. Laut der schwedischen Energieagentur Energimyndigheten könnte sich der inländische Strombedarf jedoch bereits bis 2035 verdoppeln und 2045 auf bis zu 370 Terawattstunden steigen.

Das Gros der notwendigen Zusatzkapazitäten sollen zwei weitere Quellen sichern: Zum einen soll eine Vereinfachung der administrativen Prozesse und mehr Gewinnbeteiligung für Anwohner und Kommunen den Weg für mehr Windkraft ebnen. Durch die Umformulierung der Energieziele von erneuerbar zu fossilfrei ebnete die neue schwedische Regierung auch wieder den Weg für mehr Kernkraft.

Dänemark will grüner heizen

Dänemark, das weder über Wasser- noch Atomkraft verfügt, ist bereits seit Jahren bemüht, die Strom- und Wärmeproduktion aus fossilen Brennstoffen zu senken: Ihr Anteil soll zwischen 2019 und 2030 um 90 Prozent zurückgehen. Für grüneres Heizen sollen unter anderem Geothermie und Fernwärme sorgen. Grünen Strom liefern neben Solaranlagen vor allem Offshore Windkraftanlagen.

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Gute Geschäftschancen für deutsche Unternehmen

Zumindest in zwei von drei skandinavischen Ländern dürfte auch Deutschland von der grünen Wende profitieren. Dänemark will neben Wasserstoff auch Strom nach Deutschland liefern und beim Offshore-Wind-Ausbau kooperieren. Die deutsche Suche nach Alternativen zum russischen Gas hat Norwegen bereits in die Top 10 der deutschen Außenhandelspartner befördert. Die Beziehung könnte mit Wasserstofflieferungen noch intensiver werden. Schwedens stark ausgebaute Industrie dürfte hingegen dafür sorgen, dass das Königreich mittelfristig eher ein Konkurrent beim Buhlen um Energielieferungen sein wird.

Die grüne Wende in Skandinavien bietet deutschen Unternehmen gute Geschäftschancen: Ob Lieferung von Technik und Dienstleistungen für den Netz- und Kapazitätsausbau, Sicherung des Energienachschubs durch Investitionen und Beteiligungen oder der Energielieferungen durch Abnehmerverträge.

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