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Wirtschaftsumfeld | Slowakei | Arbeitsmarkt, Lohn- und Lohnnebenkosten
Eine wichtige Rolle bei den Notstandsmaßnahmen spielt das Beschäftigungsprogramm "Erste Hilfe", das den Arbeitsmarkt auch 2021 noch beeinflussen wird.
23.11.2020
Von Miriam Neubert | Bratislava
Der Arbeitsmarkt in der Slowakei ist in einer günstigen Phase von der Coronakrise getroffen worden - mit hoher Beschäftigung und rekordniedriger Arbeitslosigkeit. Pandemie und Notstandsmaßnahmen haben beiden Werten zugesetzt, wobei sich mit auflebender Konjunktur im August und September Besserungstendenzen zeigten.
In den ersten neun Monaten beschäftigten nur die Informations- und Kommunikationsdienstleister (IKT) mehr Mitarbeiter als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum. Am höchsten waren die Rückgänge laut dem Slowakischen Statistikamt in dem von Anticorona-Maßnahmen schwer betroffenen Beherbergungssektor (-11 Prozent) und in der Gastronomie (-7 Prozent). Aber auch Industrie und Baugewerbe bauten Beschäftigung ab (jeweils mehr als 5 Prozent), ebenso Einzelhandel und Großhandel (je 4 und 3 Prozent). Den geringsten Rückgang zeigte der Transport- und Logistiksektor mit nicht ganz 1 Prozent.
Weiterhin gab es aber fast 77.000 offene Stellen, mit den meisten Vakanzen in den Bezirken Bratislava und Košice. Das liegt mit daran, dass die Profile der zur Verfügung stehenden Arbeitskräfte und der gesuchten Positionen nicht unbedingt übereinstimmen. Während etwa das Gastgewerbe Beschäftigte entließ, fallen 60 Prozent der gesuchten Berufe auf Operateure und Monteure von Maschinen und Anlagen sowie qualifizierte Arbeiter und Handwerker. Auch wechselte ein Teil derer, die ihre Arbeit verloren in den inaktiven Teil der Wirtschaft und stand dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung, darunter besonders Frauen, aber auch Senioren. Dabei mochte die Furcht vor Ansteckung eine Rolle spielen, ebenso neue Aufgaben wie das Homeschooling.
Bevölkerung (in Mio., zum 30. Juni 2020) | 5,46 |
Erwerbspersonen (Bevölkerung älter als 15 Jahre, in Mio., 2. Quartal 2020) | 2,68 |
Erwerbstätige (in Mio., 2. Quartal 2020) | 2,51 |
Arbeitslosenquote, offizielle (in %, nach ILO-Definition, 2. Quartal 2020) | 6,6 |
Analphabetenquote (in %, 2. Quartal 2020) | 0,21 |
Universitätsabschluss (in %, 2. Quartal 2020) | 21,49 |
Generell scheinen die Unternehmen mit dem schnellen Abbau von Arbeitskräften eher vorsichtig gewesen zu sein. Dazu trugen und tragen die Hilfen im Beschäftigungsprogramm Prvá pomoc (Erste Hilfe) und Prvá pomoc+ bei, die betroffene Unternehmen beantragen können. Bis Anfang November 2020 hat das Arbeitsministerium für den Zeitraum März bis August fast 640 Millionen Euro an Hilfen ausgezahlt. Am größten war die Nachfrage im April und Mai, als jeweils rund 466.000 beziehungsweise 460.000 Arbeitnehmer unterstützt wurden. Im Zuge der Besserung sank diese Zahl bis August auf 191.000. Das Programm ist vorerst bis März 2021 verlängert worden.
Ab 2022 soll Kurzarbeit grundsätzlich in einem eigenen Gesetz geregelt sein, das im Vorbereitungsprozess ist. Eine Novelle des Arbeitsrechts, die unter anderem die Arbeit im Homeoffice definiert, soll Anfang 2021 in den Parlamentsausschüssen behandelt werden.
Schon vor Corona war es immer schwerer geworden, in der Slowakei geeignete Arbeitskräfte zu finden. Viele Unternehmen hielten daher an ihrem Mitarbeiterstamm fest, um bei anziehender Auftragslage sofort loslegen zu können. Das machte sich in der Industrie bezahlt, wo die Aufträge seit Juli im Vorjahresvergleich wieder zulegten. Auch erschwert Corona durch die wechselnden Grenz- und Einreiseregelungen die Praxis, Arbeitskräfte aus dem Ausland über Leiharbeitsfirmen einzustellen. In einer Umfrage unter 67 slowakischen Niederlassungen europäischer Unternehmen, die die Auslandshandelskammer (AHK) Slowakei im Oktober mitorganisierte, erwogen nur 37 Prozent der Befragten sich von Beschäftigten zu trennen, um Kosten zu sparen.
Bevor die Pandemie in Europa ausbrach, gab es in der Slowakei so wenige Arbeitslose wie nie zuvor. Im 4. Quartal 2019 betrug die erhobene Erwerbslosenrate 5,6 Prozent. Sie ist im schwer rezessiven 2. Quartal 2020 auf 6,6 Prozent gestiegen. Der Arbeitskräfteerhebung des Statistikamts zufolge waren fast 178.000 Menschen ohne Arbeit, 15 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Einen solchen Anstieg hatte es zuletzt 2010 gegeben. Für das Gesamtjahr und auch 2021 rechnet die Regierung mit einer Arbeitslosigkeit von 6,8 Prozent.
Konkret bei den Arbeitsämtern gemeldet und bereit, sofort eine Arbeit aufzunehmen, waren im September 203.600 Menschen. Das entsprach einer registrierten Arbeitslosenrate von 7,4 Prozent. Im September 2019 waren es noch 5 Prozent gewesen. Verglichen mit dem Vormonat aber sank die Zahl der Arbeitslosen im August und September im Zuge der Erholungsdynamik im 3. Quartal.
2017 | 2018 | 2019 | 1. Halbjahr 2020 | 2020 1) | |
---|---|---|---|---|---|
nominal (in Euro) | 954 | 1.013 | 1.092 | 1.087 | 1.120 |
reale Veränderung (in %) 2) | 3,3 | 3,6 | 5,0 | 0,1 | 0,6 |
Im Zuge der Coronakrise drücken verschiedene Faktoren auf die Lohnentwicklung, etwa niedrigere Entgelte bei Kurzarbeit, Lohnersatz durch Elterngeld bei Schulschließungen, Krankengeld bei pflichtigen Quarantänen, weniger Prämien. Dadurch sind im schwer rezessiven 2. Quartal die durchschnittlichen Bruttomonatslöhne im Vergleich zum Vorjahreszeitraum nominal um 1,2 Prozent auf 1.088 Euro gefallen. Es war dem Statistikamt zufolge der erste Lohnrückgang in einem Quartal in der Geschichte der Slowakei als unabhängiger Staat. Unter Berücksichtigung der Inflation betrug das Minus 3 Prozent.
Aus der Unternehmensbefragung des Statistikamts ergibt sich, dass die Löhne nominal weitgehend auf Wachstumskurs blieben. Im Durchschnitt der ersten neun Monate 2020 stieg demzufolge der nominale Bruttodurchschnittslohn im Einzelhandel um 5,3 Prozent auf 799 Euro, im Großhandel um 4,2 Prozent auf 1.066 Euro, der Gastronomie um 3,5 Prozent auf 532 Euro, den Informations- und Kommunikationsdienstleistungen um 2 Prozent auf 1.994 Euro, dem Baugewerbe um 1,4 Prozent auf 742 Euro und der Industrie um 0,3 Prozent auf 1.147 Euro. Rückgänge gab es im Beherbergungssektor um 9,2 Prozent auf 703 Euro, dem Fahrzeugverkauf um 0,7 Prozent auf 1.031 Euro und in Transport und Logistik um 0,3 Prozent auf 1.008 Euro.
Unter Abzug der Inflation aber war das Bild nur im Handel und der Gastronomie positiv. Geht es nach den Prognosen der Regierung, wird der Nominallohn 2020 um 2,6 Prozent zunehmen, 2021 um 4,1 Prozent.
Arbeitgeber 1) | Arbeitnehmer | |
---|---|---|
Altersrentenversicherung | 14,0 | 4,0 |
Invaliditätsversicherung | 3,0 | 3,0 |
Krankenversicherung 2) | 10,0 | 4,0 |
Krankengeldversicherung | 1,4 | 1,4 |
Arbeitslosenversicherung | 1,0 | 1,0 |
Reservefonds | 4,75 | - |
Garantieversicherung | 0,25 | - |
Insgesamt 3) | 34,4 | 13,4 |
Erläuterungen: 1) der Beitragssatz für die Unfallversicherung beträgt 0,8 Prozent, er wird vom Arbeitgeber getragen und bezogen auf die Gesamtlohnkosten berechnet; Sozialabgaben müssen auch für geringfügige Beschäftigungen, den "Vereinbarungen über die Erbringung von Arbeitsleistungen" (slowakisch: dohoda o pracovnej činnosti) bezahlt werden; 2) für Geringverdiener mit einem Bruttolohn bis 570 Euro gelten auf Antrag ermäßigte Beiträge zur Krankenversicherung durch eine abgesenkte Bemessungsgrundlage (Informationen bei der Krankenversicherung); 3) für die Unfall- und Krankenversicherung gibt es keine Beitragsbemessungsgrenzen, für alle übrigen Sozialabgaben entspricht die Bemessungsgrenze dem siebenfachen Durchschnittslohn der letzten zwei Jahre, er liegt 2020 bei 7.091 Euro pro Monat