Wirtschaftsumfeld | Spanien | Investitionsförderung
Praxischeck
Spanien verfügt über solide Standards in vielen Bereichen. Kritik üben Investoren indes an den hohen Energiekosten und der schwierigen Fachkräftesuche.
23.06.2022
Von Oliver Idem | Madrid
Praktische Hürden für Unternehmen entstehen in Spanien manchmal durch das Zusammenspiel von Vorschriften auf unterschiedlichen Verwaltungsebenen. Es kann vorkommen, dass die Regelungen von Zentralstaat, Autonomen Gemeinschaften und Kommunen nicht zueinander passen. Derartige Schwierigkeiten tauchen zum Beispiel beim Aufbau von Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge auf. Bis alle Genehmigungen eingeholt sind, kann viel Zeit verstreichen.
Im Boomsektor der erneuerbaren Energien existiert ein praktischer Engpassfaktor. Zwar sind bereits viele Anlagen angeschlossen und der Ausbau wird in den kommenden Jahren dynamisch weitergeführt. In der Praxis können jedoch dem Vernehmen nach Schwierigkeiten bei der Zuteilung von Einspeisepunkten ins Stromnetz auftreten. Manche Projekte erhalten ihren Netzzugang an einem weiter entfernten Punkt, was die Anschlusskosten erhöht.
Investoren sollten sich zudem nicht darauf verlassen, in Spanien überall mit Englisch weiterzukommen. Bei jüngeren Führungskräften, in der IT-Branche oder bei Beratungsunternehmen sind oft gute bis sehr gute Englischkenntnisse vorhanden. Viele Veranstaltungen abseits von internationalen Messen oder Konferenzen werden aber vollständig auf Spanisch abgehalten.
In der schriftlichen Kommunikation dominiert ebenfalls die Landessprache. Bei offiziellen Formularen sollte mit der spanischen Sprache ohne eine englische Version gerechnet werden. Auch bei Kontaktpersonen in spanischen Behörden sind oftmals nur geringe Englischkenntnisse vorhanden.
Ausländische Unternehmen loben Infrastruktur und tadeln Energiekosten
Eine grundsätzlichere Betrachtung des Investitionsklimas liefert eine Befragung der spanischen Investitionsagentur. In das Geschäftsklima-Barometer 2021 der spanischen Außenwirtschaftsagentur ICEX gingen Antworten aus 730 Unternehmen ein. Davon stammten 15 Prozent aus Deutschland. Besonders positive Bewertungen erhielten Straßen, Flughäfen und die Telekommunikationsinfrastruktur. Auch die Verfügbarkeit von studierten Fachkräften fand den Beifall der Unternehmen, ebenso wie die Sicherheit und die Qualität des Gesundheitssystems.
Die Kosten für Strom, Gas und Kraftstoffe bildeten hingegen die größten Schwächen. Bereits vor der russischen Invasion in der Ukraine zählten die Energiekosten zu den Kritikpunkten ausländischer Investoren in Spanien.
Zudem bewerteten die Unternehmen im aktuellen Geschäftsklima-Barometer die Schnelligkeit und Effizienz der Handelsgerichte und die bürokratischen Lasten bei ihrer Geschäftstätigkeit negativ.
Die öffentlichen Ausgaben für Forschung und Entwicklung halten die Befragten für zu gering. An diesem Punkt könnte sich durch die Gelder aus dem Aufbau- und Resilienzplan in den kommenden Jahren etwas ändern.
Die Befragten bewerteten auch zwei Aspekte aus dem Personalbereich als Schwächen. Konkret ging es um die Höhe der Sozialversicherungsabgaben sowie Anreize und Hilfen für die Einstellung von Personal.
Arbeitskosten und Fachkräftemangel beschäftigen deutsche Investoren
Die AHK Spanien veröffentlichte zuletzt im Mai 2022 ihr Stimmungsbarometer von deutschen Unternehmen in Spanien. Von den Befragten planten 75 Prozent, ihre Investitionen in den kommenden zwölf Monaten beizubehalten oder auszubauen. Die Hauptsorgen galten weltwirtschaftlichen Herausforderungen wie Energie- und Rohstoffpreisen.
Spanienspezifische Schwierigkeiten wie Arbeitskosten und Fachkräftemangel nannten je 24 Prozent der Unternehmen.
Zu den Fragen gehörte auch die Erwartung, inwieweit der Krieg in der Ukraine das eigene Geschäft betreffen wird. Steigende Kosten sowie Unterbrechungen der Lieferketten und Logistik standen mit Abstand an der Spitze bei den Antworten.
Bei einer Einschätzung des Investitionsklimas anhand der Kriterien des World Economic Forum liegt Spanien überwiegend im mittleren Bereich. Die besondere Stärke liegt in der Modernität der Energie- und Kommunikationsinfrastruktur.
Die Anreize für Innovationen schneiden hingegen vergleichsweise schlecht ab. Dieser Aspekt könnte sich jedoch in den Jahren bis 2026 verbessern. Der Aufbau- und Resilienzplan Spaniens zur Überwindung der Coronakrise enthält zahlreiche Elemente, die die Modernisierung, Digitalisierung und Forschung finanziell und hinsichtlich des rechtlichen Rahmens fördern.
Kriterien | Spanien | Deutschland |
---|---|---|
1 Qualität öffentlicher Institutionen | 56,4 | 66,5 |
2 Modernisierung der Infrastruktur in Bezug auf die Energiewende und den Zugang zu Strom sowie Kommunikations- und Informationstechnologien | 86,9 | 79,6 |
3 Fortschrittliches Besteuerungssystem | 49,0 | 54,2 |
4 Fokus des Bildungssystems auf Wissen und Fähigkeiten, die zukünftig benötigt werden | 51,4 | 61,4 |
5 Arbeitsgesetzgebung und soziale Sicherungssysteme | 59,7 | 74,0 |
6 Altersvorsorge, Kinderbetreuung und Gesundheitsinfrastruktur | 45,3 | 51,4 |
7 Anreize für langfristige Investitionen, verbesserte Stabilität und mehr Inklusion | 59,7 | 79,3 |
8 Wettbewerbs- und Kartellrecht in Bezug auf Industrie 4.0; gewährleisteter Marktzugang national und international | 70,1 | 65,6 |
9 Schaffung moderner Märkte insbesondere in Bereichen, die eine Zusammenarbeit der öffentlichen und privaten Hand benötigen | 44,4 | 48,1 |
10 Anreize für und Ausweitung von Investitionen in Forschung und Entwicklung sowie Innovationen zur Schaffung neuer "Märkte der Zukunft" | 40,4 | 49,2 |
11 Anreize für Firmen, Themen wie Diversität, Gleichberechtigung und Inklusion anzugehen | 58,6 | 62,6 |
Für eine gute Gesamtplatzierung Spaniens sprechen auch zwei weitere Indizes. Der Corruption Perceptions Index 2021 führt das Land auf Platz 34 unter 180 untersuchten Staaten.
Noch besser schneidet Spanien bei der Betrachtung der nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen ab. Beim Sustainable Development Goals Index 2021 reichte es für Platz 20 von insgesamt 165 Ländern.