Branchen | Taiwan | Chemische Industrie
Branchenstruktur
Die taiwanischen Hersteller von Chemikalien schraubten ihre Produktion zuletzt deutlich in die Höhe. Deutsche Hersteller intensivieren ihre Aktivitäten auf der Insel.
14.11.2022
Von Alexander Hirschle | Taipei
Der Produktionswert der taiwanischen Chemiebranche erreichte 2021 rund 130 Milliarden US$, was einer enormen wertmäßigen Expansion von 38 Prozent auf Basis der lokalen Währung entsprach. Im 1. Quartal 2022 konnte immerhin noch ein Zuwachs von 17 Prozent im Vergleich mit derselben Vorjahresperiode erzielt werden.
Allein die drei Segmente Basischemikalien, Kunststoffe sowie Erdöl- und Kohleerzeugnisse waren 2021 für fast 100 Millionen US$ Produktionswert verantwortlich, entsprechend rund drei Viertel des gesamten Outputs. Das höchste Wachstum nach Segmenten entfiel 2021 auf just diese Bereiche und zog somit die gesamte Produktion des Sektors nach oben. Der petrochemische Sektor konnte seinen Output 2021 wertmäßig sogar um mehr als 50 Prozent auf 70,1 Milliarden US$ ausweiten. Die Prognosen für 2022 liegen allerdings eher im unteren einstelligen Bereich.
Viele namhafte internationale Chemieunternehmen haben in Taiwan entweder ein Verkaufsbüro, eine Produktion und/oder ein Forschungs- und Entwicklungszentrum. Dazu gehören aus Deutschland unter anderem BASF, Bayer, Covestro, Evonik, Boehringer Ingelheim und Merck. Darüber hinaus sind die USA und Japan mit zahlreichen Firmen mit Produktion und Verkaufsbüros vor Ort vertreten.
Deutsche Firmen weiten Aktivitäten aus
„Made in Germany“ ist unter anderem als Lieferant von hochwertigen Materialien und Spezialerzeugnissen in Bereichen wie Chips, Elektronik, LCDs, Kfz, Textilien, Gesundheit und Life Science gefragt. Aber vor allem im Halbleitersegment wird die Nachfrage nach Spezialchemikalien aufgrund der massiven geplanten Kapazitätserweiterungen der lokalen Firmen steigen. Der Bedarf kann nur zum Teil durch taiwanische Hersteller gedeckt werden.
Neben US- und japanischen Firmen gaben auch deutsche Firmen umfangreich Investitionspläne im Bereich Halbleitermaterialen bekannt. So wird Merck rund 500 Millionen Euro in den kommenden fünf bis sieben Jahren in den Ausbau der Produktion sowie der Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten auf der Insel investieren. Es handelt sich dabei um die größte Investition, die Merck jemals im taiwanischen Markt getätigt hat.
In Kaohsiung wird eine neue Fabrik im Southern Science Park entstehen, die 150.000 Quadratmeter Fläche umfassen wird. Dort soll künftig das gesamte Unternehmensportfolio an Materialien für die Halbleiterindustrie vom Band laufen wie etwa Filme oder Spezialgase. In der bereits bestehenden Produktionseinheit in Kaohsiung werden unter anderem die Forschungs- und Entwicklungskapazitäten (F+E) erweitert. Darüber hinaus plant Merck im Rahmen der Investition eine Modernisierung der F+E-Anlagen in Hsinchu. Insgesamt verfügt Merck über fast 1.000 Beschäftigte an den Standorten in Kaohsiung, Tainan, Hsinchu und Taoyuan.
Ein weiterer sehr wichtiger deutscher Akteur im Markt ist das Unternehmen BASF, das in Taiwan an verschiedenen Standorten mit Forschungs-, Test- und Produktionseinheiten vertreten ist. Neben der Zentrale in Taipei verfügt BASF über Filialen in den Städten Taoyuan, Changhua, Kaohsiung, Pintung und Taichung mit insgesamt mehr als 700 Beschäftigten. Das deutsche Unternehmen hat in den vergangenen Jahrzehnten seine Aktivitäten in Taiwan kontinuierlich ausgeweitet, um die steigende Nachfrage nach Chemikalien aus vielen Sektoren mit einer breiten Produktpalette bedienen zu können.
Neben den Halbleiter- und Displayherstellern als Abnehmer spielen dabei Kunden aus vielen anderen Bereichen auch eine wichtige Rolle, wie unter anderem der Agrar- und der Bauindustrie, dem Transportsektor sowie den Branchen Textilien, Schuhe, Körper-, Haarpflege und Kosmetik. Neben der Produktion vor Ort, die zu Teilen auch für den Export bestimmt ist, werden viele BASF-Erzeugnisse für den lokalen Markt aus Deutschland und anderen Fabriken rund um den Globus importiert.
Covestro Taiwan Ltd wiederum hat im Mai 2022 ein neues Forschungs- und Entwicklungszentrum in Taiwan eröffnet, um dort Innovationen in Bereichen wie unter anderem Glasfaserbeschichtung voranzutreiben. Das sogenannte „Covestro Global Energy Curing Innovation Center“ wurde in der NCT (National Central University) in der Stadt Taoyuan aufgebaut. Covestro wird Pressemeldungen zufolge dabei eng mit lokalen Universitäten im Forschungsbereich zusammenarbeiten.
Lokale Firmen setzen auf hohen Mehrwert
Taiwanische Firmen fokussieren sich im Allgemeinen auf hochqualitative Erzeugnisse mit hohem Mehrwert. Branchenexperten gehen davon aus, dass die lokalen Branchenfirmen ihre Produktpalette weiter in diese Richtung ausrichten werden, um sich gegen tendenziell günstigere Waren vor allem aus China und zunehmend auch Südostasien abgrenzen zu können. Aus Sicht der lokalen Firmen macht es nur begrenzt Sinn, sich auf einen Preiswettbewerb mit diesen Wettbewerbern einzulassen – die auch mit deutlich höheren Skaleneffekten produzieren können.
Im Rahmen eines seit 2019 laufenden Reshoringprogramms haben sich neben dem Löwenanteil der Elektronikhersteller auch rund 20 taiwanische Chemie-, Kunststoff- und Materialhersteller zur Verlagerung von Produktionskapazitäten von China auf die Heimatinsel entschlossen. Die Investitionen dabei beliefen sich auf mindestens 1 Milliarde US$. Im Rahmen der Verlängerung der Initiative bis 2024 könnten weitere Branchenfirmen diesen Schritt gehen. Dies sollte den Standort Taiwan für die chemische Industrie weiter stärken.
Auf der anderen Seite gewinnt Südostasien als Destination für Firmen, die ihre Produktion aus Aspekten der Risikominimierung und Kosteneffizienz diversifizieren, zunehmend an Bedeutung. Die taiwanische Regierung fördert die wirtschaftlichen Beziehungen in diese Region im Rahmen ihrer „New Southbound Policy“. Vor allem Vietnam hat sich in diesem Zusammenhang als Kristallisationspunkt des Engagements etabliert.
Sparte | 2021 | Veränderung 2021/2020 *) | Marktanteil |
---|---|---|---|
.Öl- und Kohleerzeugnisse | 28.994 | 38,1 | 22,1 |
.Basischemikalien | 43.899 | 59,5 | 33,5 |
.Düngemittel | 588 | 10,2 | 0,4 |
.Kunststoffe und Granulate | 23.510 | 48,1 | 17,9 |
.Synthetischer Kautschuk | 2.678 | 47,6 | 2,0 |
.Künstliche Fasern | 2.581 | 25,6 | 2,0 |
.Pestizide und Herbizide | 451 | -4,5 | 0,3 |
.Farben, Lacke, Pigmente | 1.888 | 10,2 | 1,4 |
.Reinigungsmittel und Kosmetika | 1.510 | 4,4 | 1,2 |
.andere chemische Produkte | 6.490 | 15,5 | 5,0 |
.Pharmazeutika | 3.437 | 4,9 | 2,6 |
.Gummiprodukte | 3.631 | 7,5 | 2,8 |
.Kunststofferzeugnisse | 11.318 | 11,4 | 8,6 |
Summe | 130.975 | 38,1 | 100,0 |
Unternehmen | Sparte | Umsatz 2021 |
---|---|---|
Petrochemie | 32.259 | |
Petrochemie | 22.133 | |
Kunststoffe | 14.694 | |
Petrochemie | 13.057 | |
Petrochemie | 9,766 | |
Chemische Materialien | 7.222 | |
Chemische Materialien | 6.424 | |
Petrochemie | 6.378 | |
Chemische Materialien | 4.246 | |
Petrochemie | 2.925 |