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Wirtschaftsumfeld | Taiwan | Konjunktur

Taiwans Wirtschaft unbeeindruckt von Spannungen mit China

Die politischen Spannungen zwischen China und Taiwan erreichten Anfang August einen negativen Höhepunkt. Die wirtschaftlichen Auswirkungen halten sich bisher in Grenzen.

Von Alexander Hirschle | Taipei

Der Besuch von Nancy Pelosi in Taipei katapultierte Taiwan Anfang August dieses Jahres in die internationalen Schlagzeilen. China reagierte auf die Visite der Sprecherin des US-Repräsentantenhauses mit aggressiver Rhetorik und militärischen Übungen rund um die Insel. Vereinzelt wurden auch Sanktionen gegen taiwanische Firmen und gegen die Einfuhr landwirtschaftlicher Produkte verhängt.

Drei Wochen später sind die Nachwehen vor allem in den taiwanischen Medien zu spüren. Die Reaktion Chinas wird weiterhin intensiv im Fernsehen und in den großen Tageszeitungen diskutiert. Auf den Straßen Taipeis hingegen läuft das Leben wie gewohnt weiter. "Business as usual" ist angesagt. Umfragen zufolge zeigen sich bis zu 78 Prozent der Menschen auf der Insel wenig besorgt. Spannungen mit China sind nichts Neues für die Taiwaner. 

Mit Interesse wird die Reaktion der Geschäftswelt verfolgt - auch wenn es noch zu früh ist, um finale Schlussfolgerungen zu ziehen. Taiwan galt in den vergangenen Jahren wirtschaftlich als sehr gut aufgestellt. Die Konjunktur trotzte den globalen Krisen wie dem Handelskonflikt oder der Coronapandemie. Im Gegensatz zum Rest der Welt schlitterte Taiwan 2020 nicht in eine Rezession, sondern konnte seine Wachstumsdynamik mit einer Steigerung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) sogar leicht beschleunigen. Im vergangenen Jahr erreichte das BIP-Wachstum mit 6,6 Prozent den höchsten Wert seit einer Dekade.

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Und auch 2022 lief bis Jahresmitte fast alles nach Plan. Die Exporte brummten und zogen im ersten Halbjahr weiterhin zweistellig um fast 20 Prozent an. Der Output der verarbeitenden Industrie stieg im zweiten Quartal auf Jahresbasis um 14 Prozent. Die Direktinvestitionen konnten in den ersten sechs Monaten des Jahres 2022 ihren Wert fast verdreifachen.

Sorgen um wirtschaftliche Auswirkungen

Doch nun stellt sich die Frage, ob der Positivtrend trotz der politischen Unwägbarkeiten weiter anhalten wird. So stürzte der Wert der lokalen Währung New Taiwan Dollar auf ein Zweijahrestief ab. Es geht auch die Sorge um, dass ausländische Firmen ihre Planungen neu justieren. Dies würde Taiwan hart treffen. Die Insel will sich als alternativer Standort und wichtige Schaltstelle der globalen Lieferketten positionieren.

Bisher halten die internationalen Firmen unverändert an ihren Investitionsplänen fest. Die neue Situation hat jedoch den Fokus stärker auf Taiwan gelenkt und die Entwicklungen werden in den Firmenzentralen genauer verfolgt. Zu konkreten Maßnahmen halten sich die Unternehmen größtenteils noch bedeckt. Das Deutsche Wirtschaftsbüro Taipei (GTO, German Trade Office Taipei) organisierte bereits zwei Briefings zu dem Thema, bei denen sich die Firmen über die aktuelle Situation austauschen konnten.

Gemäß den Rückmeldungen der Unternehmensvertreter halten sich die direkten Folgewirkungen bis dato in Grenzen und die Geschäftsbeziehungen sind nicht spürbar beeinträchtigt worden. Allerdings ist die Sicherheitsthematik nun präsenter. Es wird zum Beispiel befürchtet, dass sich die Lage negativ auf Geschäftsreisen aus Deutschland auswirken könnte. Diese leiden ohnehin schon unter den bestehenden Quarantäne-Restriktionen. Grundsätzlich seien die Geschehnisse um den Pelosi-Besuch nicht förderlich für Diskussionen über künftige Großinvestitionen. 

Taiwan und die USA planen Handelsabkommen

Die amerikanische Handelskammer in Taiwan (AmCham, American Chamber of Commerce) führte Mitte August eine Umfrage zu den Auswirkungen des Pelosi-Besuchs durch. 77 Prozent der Mitglieder sahen keine oder nur begrenzte Effekte auf ihre geschäftlichen Aktivitäten. 17 Prozent berichteten von negativen Folgen. Am häufigsten wurden dabei Verzögerungen in den Lieferketten sowie gestiegene Transport- und Versicherungskosten genannt. Durch die Ereignisse sei die Bedeutung der bilateralen wirtschaftlichen Zusammenarbeit und Integration deutlich geworden, so AmCham-Verantwortliche in der lokalen Presse.

Taiwan und die USA kündigten im Nachgang zu den Spannungen an, ihre erste Verhandlungsrunde über ein Handelsabkommen im Herbst dieses Jahres abzuhalten. Die Initiative umfasst elf Themenfelder, unter anderem Standards, digitaler Handel, Arbeit, Umwelt, öffentliche Unternehmen und Landwirtschaft. Die Absicht zu einem solchen Vertrag war bereits Anfang Juni dieses Jahres öffentlich kommuniziert worden. Er soll künftig unter anderem die bilateralen Handels- und Investitionsbeziehungen auf Basis gemeinsamer Werte stärken.

Sanktionen über Subventionen abgefedert

Im Zuge des Pelosi-Besuchs hatte China verschiedene Sanktionen verhängt. So wurde der Export von Natursand nach Taiwan verboten. Ebenso sprach China Importverbote für einzelne Erzeugnisse aus den Sektoren Land- und Fischereiwirtschaft sowie diverse Nahrungsmittel aus. Als Begründung wurde unter anderem eine hohe Belastung der Produkte mit Pestiziden angeführt.

Die taiwanischen Exporte von Agrarerzeugnissen inklusive Forst- und Fischereiwirtschaft ins Reich der Mitte erreichten 2021 nur 1,1 Mrd. US$ oder nicht einmal ein Prozent der Gesamtausfuhren nach China. Die ökonomischen Auswirkungen werden auf eine Höhe von rund 20 Millionen US$ taxiert. Trotz der relativ geringen Effekte gilt der landwirtschaftliche Sektor als politisch sensibel. Die taiwanische Regierung reagierte auf die Sanktionen und gab knapp 7 Millionen US$ an Fördergeldern für die betroffenen Sektoren frei. Dies soll die Landwirte bei der Diversifizierung ihrer Abnehmermärkte unterstützen.

Beobachter stuften die Sanktionen als symbolischen Akt ein, da das Kerngeschäft taiwanischer Firmen – Elektronik und Chips – nicht betroffen war. Die Wirtschaft Chinas ist wie viele andere Industrien rund um den Globus stark vom Bezug hochmoderner Halbleiter abhängig. Taiwanische Unternehmen exportierten 2021 Chips im Wert von rund 100 Milliarden US$ ins Reich der Mitte und sind dort tief in den Wertschöpfungsketten verankert. Ein Einfuhrverbot für taiwanische Chips würde daher China selbst treffen.

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