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Vielseitige Förderung für junge Gründerszene
Usbekistan war noch vor kurzem ein weißer Fleck auf der weltweiten Start-up-Landkarte. Doch das Blatt wendet sich. Das Ökosystem für innovative Firmen entwickelt sich dynamisch.
17.12.2021
Von Uwe Strohbach | Taschkent
Das Land an der Seidenstraße hat beste Chancen, zu einem attraktiven Standort für Firmengründungen und Innovation aufzusteigen. Die Gründe liegen auf der Hand: Die wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen für innovative Jungunternehmen haben sich im bevölkerungsreichsten Staat Zentralasiens in den letzten drei bis vier Jahren deutlich verbessert.
Viele der etwa 700.000 jungen und motivierten Menschen, die alljährlich auf den Arbeitsmarkt strömen, wollen eigene unternehmerische Ideen umsetzen. Sie profitieren von der marktwirtschaftlich orientierten Neuausrichtung der Wirtschaft, der im Land gestarteten Digitalisierungswelle und den neuen Strukturen für die Start-up-Förderung.
Gros der Start-ups befindet sich in der Seed-Phase
Gut die Hälfte der Gründer ist zwischen 20 und 29 Jahre alt. Die meisten Jungunternehmer haben eine universitäre Ausbildung, ein Drittel verfügt über mehrjährige praktische Berufserfahrung. Zumeist bestehen die Start-ups aus einer bis fünf Personen.
Diese Angaben lassen sich einer im April 2021 veröffentlichen Analyse der usbekischen Start-up-Szene entnehmen, die vom Taschkenter IT-Park und dem kasachischen Wagniskapitalunternehmen TOZ Ventures erstellt wurde. Sie basiert auf einer Umfrage unter 233 Gründern. Statistische Angaben über die insgesamt im Land aktiven Start-ups gibt es nicht. Viele junge Firmen sind offiziell (noch) nicht registriert.
Landesmetropole Taschkent ist Gründungshochburg
Die Start-up-Szene Usbekistans konzentriert sich auf die Hauptstadt Taschkent, wo zwei Drittel der Gründer ansässig sind. Doch auch in den Regionen entstehen zunehmend innovative Firmen. Hinter diesem Trend stehen vor allem die Förderaktivitäten des im Juli 2019 in Taschkent eröffneten Parks für Informationstechnologien und Softwareprodukte (IT-Park).
Der IT-Park betreibt mehrere regionale Filialen und zahlreiche IT-Lehrzentren in allen Landesteilen. Er engagiert sich bei der Durchführung von Gründerwettbewerben und beim Ausbau von Gründerzentren an Hochschulen. Damit ist der Park in eine landesweite und international geförderte IT-Bildungsplattform integriert, die Jungunternehmer mit Mentoring- und Coachingangeboten unterstützt. Von den Fördermaßnahmen des Parks haben bisher mehr als 2.000 Start-ups und IT-Unternehmen profitiert.
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Die im IT-Park registrierten IT-Wirtschaftssubjekte zahlen keine Gewinnsteuer, Sozialabgaben und Zölle für den Import von Ausrüstungen (für den Eigenbedarf). Für die Einkommensteuer gilt ein ermäßigter Satz vom 7,5 Prozent. Unter den aktuell dort erfassten 485 Firmen (Stand: 20.11.2021) haben rund 20 Firmen einen ausländischen Gründer. Knapp 430 registrierte IT-Subjekte sind in Taschkent ansässig. Jeweils etwa 10 Firmen haben ihren Firmensitz in den Provinzen Samarkand, Buchara, Namangan und Choresm.
2019 | 2020 | 2021 1) | 2021 2) | |
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Gewährte IT-Dienstleistungen | 59,8 | 99,3 | 61,6 | 132,0 |
Export von IT-Produkten | 6,2 | 16,4 | 17,0 | 40,0 |
Unter den privat und international finanzierten Förderinitiativen für Start-ups in der Frühphase sind unter anderem zu nennen:
- Acceleratorprogramme IdeaLab und Startup Factory,
- unter der NGO-Adresse Tech4Impact gebündelten Förderprogramme von Nichtregierungsorganisation,
- Spieleentwicklungsinkubator GameDev Goethe.
Die wachsende Start-up-Szene spiegelt sich auch in einer Belebung von Fachveranstaltungen wie Foren, Konferenzen und Messen wider. Als Leitmesse der IKT-Branche gilt die in der Regel alljährlich durchgeführte ICTWeek/ICTExpo (IKT-Messe und Forum). Sie findet sowohl in der Hauptstadt als auch an einigen Standorten in den Regionen statt. Die internationale Woche InnoWeek ist das jährliche Highlight im Ausstellungs- und Konferenzgeschehen für innovative Ideen und Projekte. Teilnehmer sind in- und ausländische Forschungseinrichtungen, Investitionsfonds, Technologieparks, Inkubatoren und Start-ups. Auf der InnoWeek 2021 stellten Forschungs- und Entwicklungsteams sowie innovative Firmen rund 250 Projekte für eine angestrebte Kommerzialisierung vor. Das Portfolio umfasst viele neue Produkte und Dienstleistungen in solchen Feldern wie Landwirtschaft, Gesundheitswesen und Pharmaka sowie Energiewirtschaft. Der IT-Park ist Hauptorganisator von spezialisierten Start-up-Ausstellungen, -Foren und -Konferenzen wie beispielsweise Startupmix, StarTTech und Tumaris. Tech Expo. Auch einige Großunternehmen, Bildungseinrichtungen und lokale IT-Akteure (darunter Newmax Technologies LLC) führen Ausstellungen und Foren für Start-ups durch. So fand im März 2021 in Karschi eine Regionalausstellung für innovative Ideen und Entwicklungen mit Fokus auf die Öl- und Gaswirtschaft und andere wichtige lokale Branchen statt. Die Internetseite des IT-Parks informiert regelmäßig über geplante landesweite und regionale Fachveranstaltungen und -messen. |
Kapitalbeschaffung ist größter Stolperstein für Start-ups
Bei der Realisierung ihrer Ideen und Projekte stehen die usbekischen Jungunternehmen vor mehreren Hürden. In Befragungen unter innovativen Firmen nennen etwa 50 bis 60 Prozent der Umfrageteilnehmenden die schwierige Geldbeschaffung als Haupthindernis. Mangels finanzieller Ressourcen können viele Gründer ihre Beschäftigten nicht dauerhaft anstellen, ihre Projekte nur schleppend umsetzen oder müssen ihre Ideen aufgeben.
Die Entwicklung umfangreicher und kapitalkräftiger Instrumente für die Start-up-Finanzierung befindet sich in Usbekistan noch in den Kinderschuhen. Projekte im Frühstadium haben zumeist einen Investitionsbedarf von 10.000 bis 50.000 US-Dollar (US$). In der MVP-Entwicklungs- und Wachstumsphase steigt dieser auf 200.000 US$ und mehr.
Sorgen bereitet den Jungunternehmen daneben auch:
- Personalsuche,
- oft noch große Bürokratie und mangelnde Beratungsangebote der öffentlichen Verwaltung,
- unzureichende Erfahrungen im Vertrieb und in der Kundengewinnung,
- in vielen Landesteilen bestehender Nachholbedarf beim Ausbau des Breitbandnetzes.
E-Commerce, FinTech und EduTech geben die Richtung vor
Die führenden Felder der Start-ups sind die Sektoren E-Commerce (B2B-Software, B2C-Anwendungen und Retail), FinTech (digitaler Geldverkehr und Versicherungen), und EduTech (digitale Bildungsplattformen). Es folgen die Bereiche AgroTech (inklusive Smart Farming) und MedTech (E-Health). Die Branchen Medizin/Gesundheitswesen und Landwirtschaft stehen auch weit oben auf der Digitalisierungsinitiative der Regierung.
Auch die sich im Wandel befindende Tourismus- und Freizeitwirtschaft bietet Möglichkeiten, innovative Projekte umzusetzen. Im Fokus stehen Portale, auf denen Touristen Dienstleistungen online buchen können sowie Apps, die neben Reisetipps auch Informationen zu Sehenswürdigkeiten, Ökotourismus, der usbekischen Küche und dem nationalen Kunsthandwerk bieten.