Zahlreiche Vorhaben im Transport- und Gesundheitswesen sowie in der Energiebranche sind geplant. Die Finanzierungsprobleme bleiben und erschweren den Baustart.
Projekte öffentlich-privater Partnerschaften (PPP) wie Flughäfen, Straßenbrücken, -tunnel und medizinischer Einrichtungen beleben die Bautätigkeit in der Türkei. Auch im kommenden Jahr 2022 dürften Vorhaben der öffentlichen Hand stark bleiben. Jedoch stellt es weiterhin eine Herausforderung dar, Gelder für die Umsetzung von Projekten aufzubringen. Die Türkei setzt bereits seit längerem auf Partnerschaften mit privaten Unternehmen, um öffentliche Projekte zu finanzieren und zu betreiben. Besonders verbreitet ist das B-O-T-Modell (Build-Operate-Transfer).
Investitionen bleiben risikoreich
Das Investitionsklima ist getrübt. Nicht zuletzt aufgrund der unsicheren wirtschaftlichen und politische Rahmenbedingungen. Bauvorhaben werden zusehends durch die hohe Wechselkursvolatilität der türkischen Lira, Liquiditätsprobleme und steigende Baukosten beeinträchtigt. Die starke Abwertung der türkischen Lira verteuert internationale Kredite. Unternehmen sind oft zur Revision ihrer Rentabilitätsberechnungen gezwungen. Ausschreibungen werden häufig verschoben. Insbesondere bei Schienenprojekten für Langstrecken kommt es häufig zu Verzögerungen.
Die öffentlichen Investitionen im Jahr 2020 betrugen 153 Milliarden Türkische Lira (TL). Davon entfiel der größte Anteil, 59 Milliarden TL, auf Verkehrsprojekte. Rund 77 Milliarden TL wurden 2.994 Projekten zugeteilt. Bis Ende 2020 wurden Verträge für 253 PPP-Projekte unterschrieben.
Kanal Istanbul
Das Kanal Istanbul Projekt startete offiziell am 26. Juni 2021 mit der Zeremonie für die Grundsteinlegung zur Sazlidere Brücke. Sie ist die erste von sechs Brücken, die über den Kanal gebaut werden sollen. Der Hauptauftrag für die Bahnstrecke zwischen Halkali und Ispartakule mit einem geschätzten Investitionsvolumen von 450 Millionen US-Dollar (US$) wurde an Tasyapi Construction Contracting Industry, Yapi & Yapi AS und Gulermak Heavy Industry Construction and Contracting Inc. vergeben.
Das Investitionsvolumen für das gesamte Megaprojekt wird auf 15 Milliarden US$ beziffert. Der Bau soll bis 2026 fertiggestellt werden. Der umstrittene Kanal mit einer Durchgangskapazität von 185 Schiffen pro Tag, wird als Alternativroute zum Bosporus, das Schwarze Meer mit dem Marmara Meer verbinden. Er wird im europäischen Teil Istanbuls, westlich des Stadtzentrums gebaut. Berater für das Projekt ist Yuksel Proje (www.yukselproje.com.tr, Projektmanager: Muhammed Akif Akbulut).
Hochgeschwindigkeitszug Kirikkale-Samsun
Die türkische Eisenbahngesellschaft TCDD (Türkiye Cumhuriyeti Devlet Demiryollari) baut ein landesweites Hochgeschwindigkeitsnetz auf, das auch noch über die nächsten Jahre hohe Investitionen erfordern wird. Darunter der Streckenabschnitt zwischen Kirikkale, Corum und Samsun, für den Investitionen in Höhe von 3,6 Milliarden US$ geplant sind. Das Projekt umfasst 286 Kilometer Schiene, den Bau von 119 Tunneln und 64 Brücken. Die Arbeiten für das Design von zwei Teilabschnitten, Merzifon nach Samsun und Corum nach Merzifon, sollen kurz vor der Fertigstellung stehen und die entsprechenden Bauaufträge ausgeschrieben werden. Tumas Turkish Engineering ist für das Design zwischen Corum und Merzifon (96 Kilometer) verantwortlich und Yuksel Domanic für Merzifon bis Samsun (95 Kilometer).
Metro Istanbul
In Istanbul werden 84 Kilometer Metrostrecke in vierzehn Teilprojekten gebaut. Die Streckenabschnitte sind teilweise bereits fertiggestellt oder befinden sich im Bau. Der Abschnitt Tuyap nach Bakirkou (25 km, 18 Stationen, 375 Millionen US$, Consultant: Tekfen Engineering) befindet sich noch in der Planung. Auch die Strecke Yenikapi nach Sefakoy (14,2 km, 11 Stationen, 763 Millionen US$) befindet sich noch in einem frühen Planungsstadium. Das Design für die Strecke Besiktas nach Sariyer (15 km, 14 Stationen, 500 Millionen US$) wurde 2019 fertiggestellt, die Ausschreibung ist noch nicht erfolgt. Die Präqualifizierung für eine Route zwischen Kurtkoy und dem Flughafen Sabiha Gokcen (6 km, 187 Millionen US$) scheint seit November 2020 nicht voranzukommen.
Metro in Mersin
Der Bau einer Metrostrecke hat 2021 begonnen, die sich von Gari nach Mezitli zieht. Der Hauptauftrag mit einem geschätzten Investitionsvolumen von 490 Millionen US$ wurde im Sommer an ein Joint Venture von Dillingham Construction International Inc. und Kiska-Kom Insaat. Inc. vergeben. Das Projekt umfasst 14 Kilometer und sieben Stationen.
Atomkraftwerke am Schwarzen Meer
Staatspräsident Erdogan soll Russland eingeladen haben, die Möglichkeiten für den Bau von zwei Atomkraftwerken in Sinop und Igneada am Schwarzen Meer zu prüfen. Es wäre das zweite beziehungsweise dritte Atomkraftwerk der Türkei nach dem Kraftwerk in Akkuyu, das von der russischen Rosatom gebaut wird. Das Akkuyu Projekt wird als B-O-O (Build-Own-Operate) umgesetzt. Zwei von insgesamt vier Reaktoren mit je 1.200 Megawatt (MW) sind bereits fertiggestellt, der Bau des dritten hat im März begonnen und das vierte ist für 2022 geplant.
Das Sinop Vorhaben ist nicht neu. Elektrik Uretim A.S. Genel Mudurlugu plant gemeinsam mit den Joint Venture Partnern Areva and Engie schon länger den Bau. Ursprünglich waren vier Reaktoren mit je 1.120 MW und voraussichtlichen Investitionskosten von je 11 Milliarden US-Dollar angedacht. Im Jahr 2014 hatten die Entwickler eine Vereinbarung mit einem japanisch-französischen Konsortium (ATMEA) unterschrieben und eine Machbarkeitsstudie wurde in Auftrag gegeben. Im Jahr 2020 zog sich das von Mitsubishi Heavy Industries angeführte Konsortium zurück. Die erforderlichen Investitionen sollen sich mehr als verdoppelt haben.
Geplante Infrastrukturprojekte in der Türkei (Auswahl)
Von Katrin Pasvantis
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Istanbul