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Tunesiens Bauwirtschaft hängt am Tropf internationaler Geber

Die Bauwirtschaft Tunesiens leidet unter der angespannten Gesamtkonjunktur. Geberfinanzierte Projekte bieten Chancen im Infrastrukturbau. 

Von Peter Schmitz | Tunis

Die Bauwirtschaft Tunesiens ist krisenbehaftet. 2022 legte das tunesische Bruttoinlandsprodukt (BIP) immerhin um knapp zwei Prozent zu. Der Bausektor konnte davon jedoch nicht profitieren, die Wertschöpfung ging um etwa 12 Prozent zurück. Damit setzt sich ein Abwärtstrend fort: 2010 trug die Bauwirtschaft noch 26 Prozent zum BIP bei, inzwischen sind es etwa 7 Prozent. Die weltweiten Verwerfungen setzten der Baubranche 2022 besonders zu. Die Energie- und Rohstoffpreise stiegen, die Schuldenkrise Tunesiens spitzte sich zu. Die Abwertung des tunesischen Dinars verstärkte den Effekt, da viele Vorprodukte und nicht zuletzt Energie importiert werden. Der Privatsektor leidet seit langem unter hohen Kreditkosten.  

Lokale Bauindustrie verliert an Wettbewerbsfähigkeit

Im September 2022 stieg der staatlich festgelegte Preis von Beton um 6 Prozent. Im Juni 2022 erhöhte die Zentralbank den Leitzins von 6,3 auf 7,0 Prozent, im Januar 2023 nochmals auf 8,0 Prozent. Gleichzeitig gibt es Kritik am staatlichen Ausschreibungsprozess. Trotz des elektronischen Vergabeportals TUNEPS bleiben die Prozesse intransparent. Ausschreibungen nach dem Design-Build-Modell würden zudem tunesische Unternehmen wegen fehlender Erfahrung benachteiligen. Hierin liege die Hauptursache für den mit etwa 30 Prozent sehr hohen Marktanteil ausländischer Bauunternehmen.

Hinzu kommen Verzögerungen bei staatlichen Projekten. Der Verband der tunesischen Hoch- und Tiefbauunternehmer FNEBTP (Fédération Nationale des Entrepreneurs de Bâtiments et Travaux Publics) schätzte den Wert der blockierten Projekte zu Jahresbeginn 2023 auf etwa 5,1 Milliarden Euro. Für viele Projekte haben sich die Rahmenbedingungen inzwischen derart geändert, dass die Umsetzung kaum noch realistisch ist. 

Wirtschaftsbau und Tourismus sind die Lichtblicke im Hochbau 

Im Wohnungsbau driften Angebot und Nachfrage auseinander. Das Ministerium für Ausrüstung und Wohnungsbau veröffentlichte im Sommer 2022 Zahlen, die einen Eindruck vermitteln: Es lagen zu diesem Zeitpunkt etwa 230.000 Anträge für den Kauf staatlich geförderter Wohnungen vor, etwa 2.000 seien verfügbar gewesen.

Der Tourismus kommt wieder in Schwung: 2022 zählte Tunesien etwa 6,4 Millionen Touristen, knapp 60 Prozent mehr als im Vorjahr. 2023 könnte es eine ähnliche Steigerung geben. Im Sommer 2022 listete die W Hospitality Group Tunesien auf Platz 8 der Länder des afrikanischen Kontinents mit den meisten Hotelzimmern in der Bauphase (etwa 2.200, Ägypten lag mit etwa 6.100 auf Platz 1). Sollte der Trend anhalten, dürften weitere Projekte folgen. 2023 eröffneten bisher unter anderem Radisson (Tunis/Lac 2) und Hilton (Monastir) neue 5-Sterne-Häuser. Angesichts immer häufiger auftretender Wasserrationierungen müssen Hotels auf effiziente Wassernutzung und -aufbereitung achten.

Im Gesundheitssektor betonte Staatspräsident Kais Saied zu Jahresbeginn 2023 die Dringlichkeit der Krankenhausprojekte in Kairouan, Jendouba und Gabès. Das King Salman Bin Abdulaziz Al Saud University Hospital in Kairouan (500 Betten) wird vollständig aus Saudi-Arabien finanziert. Zulieferungen dürften für Unternehmen, die Partner in Saudi-Arabien haben, möglich sein.

Schienenbau, Wasser- und Energiewirtschaft durch Geber finanziert 

Der Bau des Schnellbahnnetzes für die Hauptstadt Tunis geht mit erheblichen Verzögerungen voran. Die erste Tranche besteht aus den Linien D (etwa 19 Kilometer lang) und E (etwa 13,4 Kilometer). Die deutsche KfW Entwicklungsbank beteiligt sich mit 40 Millionen Euro an den Gesamtkosten von etwa 360 Millionen Euro. Inzwischen wurde ein erster, etwa neun Kilometer langer Abschnitt der Linie E (insgesamt etwa 13,4 Kilometer) eröffnet. Die Arbeiten an Linie D sind bereits weit fortgeschritten. Nach Fertigstellung der Linie D soll es mit den Linien C (etwa 19,5 Kilometer) und F (10,5 Kilometer) weitergehen. 

Der Wassersektor Tunesiens bietet durch geberfinanzierte Projekte gute Einstiegsmöglichkeiten. Neben fortlaufenden Ausschreibungen zum Bau von Kläranlagen ist ein erstes, als öffentlich-private-Partnerschaft lanciertes, Projekt erwähnenswert. Der französische Suez-Konzern erhielt im April 2023 für die Dauer von zehn Jahren die Konzession für die Abwasserentsorgung in den Gouvernoraten Sfax, Gabes, Medenine und Tataouine. Unter anderem soll das Wasser für die Wiederverwendung in der Landwirtschaft aufbereitet werden. Suez will die Leistung gemeinsam mit Partnern erbringen. Die Finanzierung von 200 Millionen Euro stellt die Weltbank. Angesichts der angespannten Lage im Wassersektor sind vergleichbare Verträge in Zukunft zu erwarten.

Trotz großer Versäumnisse in der Vergangenheit dürfte es im Bereich erneuerbarer Energien immer wieder Projekte geben. Größere Realisierungschancen haben dabei kleinere Projekte. Bei dem Projekt prosol elec sollen beispielsweise innerhalb von vier Jahren 65.000 Gebäude mit Fotovoltaikanlagen mit einer Gesamtkapazität von 56 Megawatt ausgerüstet werden. Auch Stromexport ist anvisiert. Zumindest plant dies die britische Tunur-Gruppe mit Investitionen von 1,5 Milliarden Euro. Damit soll ein Solarpark mit einer Kapazität von 500 Megawatt in Gabés und Kébili entstehen. Gelingt die Energiewende, könnte sich Tunesien auch als Standort für die Produktion von grünem Wasserstoff etablieren. 

Die Planungen für den Interconnector ELMED zwischen Italien und Tunesien gehen weiter. Das 200 Kilometer lange Unterseekabel könnte ab 2027 das Cap Bon mit Sizilien verbinden. Für das Projekt sind 800 Millionen Euro veranschlagt, die unter anderem von der Weltbank kommen.

Die deutsche KfW Entwicklungsbank hat ihre Schwerpunkte in Tunesien, neben der nachhaltigen Wirtschaftsentwicklung, in den Bereichen Mobilität und Wasser. Regelmäßig finden Projekte des Markterschließungsprogramms zu den Themen Umwelttechnik, Wasser und Recycling statt. Die Deutsch-Tunesische Industrie- und Handelskammer hat hier Know-how aufgebaut und steht beratend zur Seite.

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