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Branchen I Tunesien I Nahrungsmittel-, Verpackungsmaschinen

Tunesiens Nahrungsmittelsektor ist ein Nischenmarkt mit Potenzial

Trotz angespannter Versorgungslage gibt es Lichtblicke in der tunesischen Nahrungsmittelindustrie. In einzelnen Segmenten werden Ausrüstungsgüter vermehrt nachgefragt.

Von Peter Schmitz | Tunis

Selten dürfte in Tunesien die lokale Produktion von Lebensmitteln so im Fokus der Berichterstattung gestanden haben wie derzeit. Tunesien ist stark abhängig von Lebensmittelimporten: Vor allem Weichweizen und Gerste müssen importiert werden, wichtigster Lieferant war bisher die Ukraine. Das Handelsbilanzdefizit stieg bereits vor dem Krieg. Grund dafür war die rasante Preisentwicklung der benötigten Waren (neben Brennstoffen vor allem Getreide). Das bereits prekäre Staatsbudget geriet zusätzlich unter Druck. Die zentralisierte Einfuhr stößt nun an ihre Grenzen, da die zuständigen staatlichen Stellen nicht oder nur verzögert bezahlen können. Im Verlauf des Jahres 2022 kam es immer wieder zu Versorgungsengpässen, neben importiertem Getreide, Kaffee oder technischer Ausrüstung auch bei Zucker und Milch, die größtenteils in Tunesien produziert werden.

Hohes Exportpotenzial bei ausgewählten Nahrungsmitteln

Für deutsche Hersteller von Nahrungsmittel- und Verpackungsmaschinen ist Tunesien ein relativ kleiner Markt. 2019 lagen die deutschen Lieferungen von Etikettierungsmaschinen (HS-Code 842240) bei 8 Millionen Euro, was einem Marktanteil von etwa einem Drittel entsprach. Ähnlich sah es bei Maschinen zum Verpacken von Waren aus (HS-Warengruppe 842230). Grund für den starken Rückgang der Einfuhr von Ausrüstungsgütern dürfte die Pandemie mit ihren Verwerfungen der internationalen Warenströme gewesen sein. Tunesien befand sich über Wochen in einem Lockdown. Im Zuge der Finanzkrise des tunesischen Staates wurde zusätzlich der Zugang zu Krediten erschwert. 

Der steigende Geflügelkonsum und die Erfolgsgeschichte des tunesischen Olivenöls steigern voraussichtlich den Bedarf an Ausrüstung für diese Segmente. Grundsätzlich fördert der Trend zur stärkeren Vermarktung von nationalen und regionalen Herkunftsbezeichnungen den Bedarf an hochwertigen Etikettierungen und anderen Verpackungen. In einigen Segmenten der lebensmittelverarbeitenden Industrien sind Wettbewerber dominierend, vor allem aus der Türkei, Italien und Frankreich.

Bisher ist die tunesische Nahrungsmittelindustrie stark von kleinen und mittleren lokalen Unternehmen geprägt, neben einigen großen privaten und staatlichen Betrieben. Sehr erfolgreich läuft die Produktion einiger weniger Produkte für den Export. Hier sind vor allem Olivenöl, Datteln, Zitrusfrüchte sowie Tomaten- und Fischkonserven zu nennen. Eine aktuelle Studie der Bertelsmann Stiftung zeigt, dass gerade in diesen Bereichen noch hohes Exportpotenzial besteht - sowohl in die EU als auch in andere Länder des afrikanischen Kontinents. Neben weiteren Investitionen bedarf es dafür aber zumindest bei den Ausfuhren in die EU auch einer Neuordnung der Handelskontingente. Tunesien schöpft seine Kontingente bei einigen wenigen Produkten voll aus, bei anderen dagegen nur zu einem vernachlässigbaren Anteil. Diese Engpässe deuten, neben den Problemen bei der Wareneinfuhr, auch auf Schwächen in der lokalen Erzeugung hin. Denn auch die tunesischen Produzenten sind auf Zulieferungen aus dem Ausland angewiesen. Können diese nicht beschafft oder bezahlt werden, droht die Produktion stillzustehen. So musste der größte Zuckerproduzent des Landes, die staatliche Société tunisienne du sucre (STS), die Produktion über mehrere Wochen einstellen, da Ersatzteile nicht beschafft werden konnten. Die STS produziert etwa die Hälfte des Zuckers für den lokalen Verbrauch. Der Ausfall führte zum Produktionsstop mehrerer verarbeitender Süßwaren- und Getränkebetriebe. 

Erschwerter Zugang zu Investitionsgütern hemmt lokale Industrie

Die Importabhängigkeit  des Landes schlägt sich auch in der lokalen Viehwirtschaft nieder. Die Preise für importierte Futtermittel wie Presskuchen, Soja und Mais waren bereits in den vergangenen Jahren angestiegen. Da Verkaufspreise oft staatlich festgelegt werden, es aber immer wieder zu Verzögerungen oder Ausfällen bei den Kompensationszahlungen an die Produzenten kommt, steht dieser Bereich der Nahrungsmittelproduktion unter besonderem Druck. Exemplarisch dafür steht der tunesische Milchsektor. Vor allem den Milchbauern fehlt das Geld für Investitionen. Die Wettbewerbsfähigkeit leidet. Die Produktivität ist weit unter dem Niveau der EU: Mehr als 80 Prozent der Milchbauern haben nur sechs oder weniger Kühe, die im Schnitt etwa 12 Liter pro Tag liefern, in Deutschland sind es über 20 Liter pro Tag.

Trotz Engpässen war die Nahrungsmittelindustrie bisher ein Lichtblick der angeschlagenen tunesischen Industrie. In den ersten sechs Monaten des Jahres 2022 registrierte die Agence de Promotion de l’industrie et de l’innovation (APII) jedoch etwa 20 Prozent weniger Investitionsankündigungen gegenüber dem Vorjahr. Detaillierte Zahlen zu ausländischen Direktinvestitionen nach einzelnen Industriesektoren liegen nicht vor. 

Import von Nahrungsmittel- und Verpackungsmaschinen (HS-Code, in Millionen US-Dollar)

Produkt

2019

2021

Aus Deutschland (2021)

Maschinen und Apparate zum Verpacken oder Umhüllen von Waren (HS 842230)

28,4

10,3

1,5

Maschinen und Apparate zum Füllen, Verschließen, Versiegeln oder Etikettieren von Flaschen, Dosen, Schachteln, Säcken oder anderen Behältnissen; Maschinen und Apparate zum Verkapseln von Flaschen, Gläsern, Tuben oder ähnl. Behältnissen; Maschinen und Apparate zum Versetzen von Getränken mit Kohlensäure (HS 842240)

27,2

16,0

0,6

Melkmaschinen (HS 843410)

0,8

1,2

0,1

Maschinen, Apparate und Geräte zum Verarbeiten von Milch zu Milcherzeugnissen (ausg. Kühlapparate oder Warmbehandlungseinrichtungen, Milchentrahmer, Klärzentrifugen, Filterpressen und andere Filtrierapparate, HS 843420)

0,0

0,1

0,0

Pressen, Mühlen und ähnl. Maschinen, Apparate und Geräte, zum Bereiten von Wein, Most, Fruchtsäften oder ähnl. Getränken (ausg. Maschinen, Apparate und Geräte zum Behandeln dieser Getränke, einschl. Zentrifugen, Filterpressen und andere Filtrierapparate sowie Haushaltsgeräte, HS 843510)

0,3

0,0

0,0

Maschinen, Apparate und Geräte für die Futterbereitung in landwirtschaftlichen oder ähnl. Betrieben (ausg. für die Futtermittelindustrie, Feldhäcksler sowie Viehfutterdämpfer und dergl., HS 843610)

0,3

0,9

0,0

Brutapparate und Aufzuchtapparate für die Geflügelhaltung (HS 843621)

0,3

0,5

0,0

Maschinen, Apparate und Geräte für die Geflügelhaltung (ausg. Eiersortiermaschinen, Rupfmaschinen der Pos. 8438 sowie Brut- und Aufzuchtapparate, HS 843629)

4,6

13,9

9,3

Maschinen, Apparate und Geräte zum Reinigen, Sortieren oder Sieben von Körner- oder Hülsenfrüchten (HS 843710)

2,2

0,2

0,0

Maschinen, Apparate und Geräte für die Müllerei oder zum Behandeln von Getreide oder Hülsenfrüchten (ausg. von der in der Landwirtschaft verwendeten Art, Warmbehandlungseinrichtungen, Zentrifugaltrockner, Luftfilter sowie Maschinen, Apparate und Geräte zum Reinigen, Sortieren oder Sieben von Körner- oder Hülsenfrüchten, HS 843780)

1,3

0,4

0,0

Maschinen und Apparate, in Kapitel 84 a.n.g., zum industriellen Auf- oder Zubereiten oder Herstellen von Lebensmitteln, Futtermitteln oder Getränken, Teile davon (ausg. Maschinen und Apparate zum Gewinnen oder Aufbereiten von tierischen oder pflanzlichen Ölen oder Fetten, HS 8438)

25,0

17,1

-

Maschinen, Apparate und Geräte zum Gewinnen oder Aufbereiten von tierischen oder fetten pflanzlichen Ölen oder Fetten (ausg. Zentrifugen, Filtrier- und Heizapparate, HS 847920)

7,5

20,5

0,1

Quelle: United Nations Statistics Division, Oktober 2022

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