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Deutsche Wettbewerbsposition | Tunesien

Deutsche Exporteure halten Lieferungen nach Tunesien konstant

Für deutsche Unternehmen hat Tunesien weniger eine Bedeutung als Absatzmarkt, sondern vor allem als Produktionsstandort. 

Von Peter Schmitz | Tunis

Die europäische Automobilindustrie bezieht verschiedene Komponenten aus Tunesien, vor allem elektrische und elektronische Bauteile, Kabelsätze, aber auch Textilien und Cockpitelemente. Das prägt auch den Handel mit Deutschland.

Als Drehscheibe für den Handel mit dem afrikanischen Kontinent nutzen deutsche Unternehmen Tunesien bisher kaum. Die Infrastruktur, aber auch die Abwicklungsprozesse müssten dafür noch verbessert werden. Für das Libyengeschäft bietet sich Tunesien jedoch durchaus als Hub an.

Tunesien auf einen Blick

Tunesien importierte 2019 laut UN Comtrade Waren im Wert von 21 Milliarden US$ , davon stammten 6,8 Prozent aus Deutschland. Destatis zufolge lag das Land auf Rang 63 der wichtigsten deutschen Absatzmärkte.

Tunesien exportierte 2019 Waren im Wert von 14,9 Milliarden US$., davon gingen 12,8 Prozent nach Deutschland - Rang 51 der wichtigsten deutschen Bezugsmärkte.

Laut FIPA (Foreign Investment Promotion Agency) waren 2020 rund 280 deutsche Unternehmen in Tunesien ansässig, hauptsächlich in den Regionen Grand Tunis und Nord Est. Damit stellen deutsche Firmen etwa 80.000 Arbeitsplätze im Land.

Tunesien ist mehr Beschaffungs- als Absatzmarkt

Der Lieferanteil deutscher Unternehmen blieb in den vergangenen Jahren relativ konstant, während beispielsweise Frankreich und Italien Marktanteile verloren, auch wenn sie weiterhin wichtige Maschinenlieferanten sind. Insbesondere China, in einigen Segmenten aber auch die Türkei, konnten ihre Position stärken. Das betrifft betrifft insbesondere die Bauindustrie.

Ein Grund für die Konstanz der deutschen Lieferungen liegt in der Struktur des Handels: Aus Deutschland kommen nicht zuletzt Komponenten, die in Tunesien verbaut oder montiert werden, um danach wieder exportiert zu werden. Der Markt für diese Produkte liegt also nicht in Tunesien.


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Deutschland beliefert exportorientierte Branchen

Wichtige Abnehmer deutscher Ausrüstungsgüter sind daher oftmals deutsche oder internationale Unternehmen, die in Tunesien für den europäischen oder globalen Markt produzieren, dabei aber auf bewährte Technik zurückgreifen wollen oder Vorprodukte benötigen, die vor Ort nicht verfügbar sind. Tunesische Unternehmen tun sich mit Investitionen schwer und müssen umso mehr auf den Preis achten. Kredite sind für sie kaum finanzierbar, die Zinsen im zweistelligen Bereich. Deutschland konnte seinen Marktanteil an Maschinenlieferungen konstant halten, bei chemischen Erzeugnissen sogar leicht ausbauen. Sollten in den kommenden Jahren weitere internationale Industrieansiedelungen in Tunesien umgesetzt werden, könnten auch die Lieferungen aus Deutschland zunehmen.

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Hauptlieferanten wichtiger Produkte (Anteil in Prozent) 1)

Rang

Produkt

2000

2010

2019

Maschinen 2)

1

Italien

26,7

21,5

19,5

2

Frankreich

24,5

21,1

13,3

3

China

1,9

9,4

12,4

4

Deutschland

11,2

8,9

10,5

Bearbeit. Waren, vorwieg. n. Beschaffenheit gegliedert 3)

1

Italien

22,5

27,7

25,9

2

Frankreich

29,2

18,7

13,8

3

Türkei

1,8

6,3

11,5

6

Deutschland

11,7

7,1

5,4

Chemische Erzeugnisse 4)

1

Frankreich

31,1

20,9

16,9

2

Deutschland

8,1

8,7

11,3

3

Italien

14,0

12,1

11,2

1) Anteile der größten Liefernationen bei den für Deutschland bedeutendsten Exportprodukten nach Tunesien; 2) SITC-71 bis 74; 3) SITC-6; 4) SITC-5Quelle: UN Comtrade

Bedeutung als europäischer Beschaffungsmarkt könnte zunehmen

Wenn es gelingt, die Geschäftsbedingungen zu verbessern, könnte Tunesien sein Potenzial als Zulieferer der europäischen Industrie noch stärker entfalten. Bereits jetzt kommen wichtige Zulieferprodukte für die deutsche Industrie, vor allem die Automobilindustrie, aus Tunesien. Trotz politischer Volten der vergangenen Jahre blieb das Land relativ stabil und versucht, sich als Standort für Produktionsverlagerungen im Zuge der Coronapandemie oder aktuell des Konflikts zwischen Russland und der Ukraine zu profilieren. Zwar gibt es immer wieder Berichte über Verzögerungen in der Zollabwicklung oder bei Genehmigungsprozessen. Die große Stärke liegt aber in der Verfügbarkeit von qualifiziertem Personal zu vergleichsweise günstigen Lohnkosten. Von Deutschland aus sind es etwas mehr als zwei Flugstunden nach Tunesien, wichtige Seefrachtverbindungen bestehen ab Marseille und Genua.

Auch für höherwertige Tätigkeiten, beispielsweise Ingenieurs- oder IT-Dienstleistungen, Forschung und Entwicklung besteht noch Potenzial. Es gibt mehr Absolventen in MINT-Fächern als entsprechende Arbeitsplätze zur Verfügung stehen. Internationale Softwareunternehmen lassen in Tunesien programmieren, die Luftfahrtindustrie lagert Engineering Design hierin aus, und einige tunesische Start-ups ziehen das Interesse der europäischen Industrie auf sich. Die vor Ort vertretenen deutschen Unternehmen haben Tunesien als Sourcing-Standort für IT-Dienstleistungen identifiziert. Darin steckt noch viel Potenzial, ebenso wie im Ausbau der erneuerbaren Energien.

Gelingt letzterer endlich in der Breite, bietet sich Tunesien für die Produktion und den Export von grünem Wasserstoff an. Die deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) ließ dazu bereits eine Potenzialstudie erstellen,  die AHK Tunesien betreute ein Projekt zur Konsortialbildung im Rahmen der Exportinitiative Erneuerbare Energien und erstellte dazu ein Factsheet.

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