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Branchenbericht Ukraine Krieg in der Ukraine

"Der Schwerpunkt verlagert sich in die Westukraine"

Die bayerische Fixit Gruppe baut trotz des Krieges ihre Produktion in der Ukraine aus. Im Interview beschreibt Osteuropa-Geschäftsführer Michael Kraus die Geschäftslage im Land.

Von Gerit Schulze | Berlin

 | © Kreisel PL, B. Mieszala

Der bayerische Baustoffhersteller Fixit Gruppe ist seit 2004 mit seiner Tochtergesellschaft Kreisel in der Ukraine tätig. Der russische Angriffskrieg stellt das Unternehmen vor enorme Herausforderungen. Wie diese gemeistert werden, berichtet Michael Kraus, Geschäftsführer für Osteuropa, im Interview mit Germany Trade & Invest.

Herr Kraus, welche Bedeutung hatte der ukrainische Markt für die Fixit Gruppe vor Russlands Invasion am 24. Februar?

Die Ukraine war das am schnellsten wachsende Land im Konzern, der in 18 Ländern Europas tätig ist. Hier konnten wir die Umsätze innerhalb von vier Jahren auf 12 Millionen Euro verdreifachen, bei stark steigender Tendenz. Entsprechend haben wir in den letzten drei Jahren richtig viel Geld in die Hand genommen, um unser Werk in Fastiw auf den neuesten Stand zu bringen. Zur bestehenden Trockenproduktionslinie kam eine Linie im Nassverfahren hinzu. Außerdem haben wir einen zweiten Standort gesucht.

Nach dem Kriegsausbruch mussten Sie ihre Fabrik schließen, konnten aber schon im März wieder produzieren. Wie haben Sie das geschafft?

Tatsächlich haben wir schon Ende März das Werk wieder hochgefahren, unter Einhaltung massiver Sicherheitsvorkehrungen und in Abstimmung mit den lokalen Behörden. Rückblickend gesehen waren wir da sehr optimistisch. Denn Fastiw lag in der Nähe des russischen Aufmarschgebiets. Der Bahnhof ist ein Knotenpunkt und wurde massiv beschädigt. Das hat auch uns getroffen, weil der Bahnverkehr unterbrochen war. Eine Rakete ist in Sichtweite unseres Werkes abgefangen worden. Das waren erschreckende Momente.

Hat sich die Eile beim Wiederhochfahren dennoch gelohnt?

Ich denke ja, denn bis Anfang Oktober hatten wir 75 Prozent unseres Vorjahresumsatzes erreicht. Die Nachfrage unserer Kunden ging relativ schnell wieder nach oben. Das lag auch daran, dass Werke von Mitbewerbern zerstört oder nicht mehr funktionsfähig waren. Außerdem wollten unsere Beschäftigten arbeiten und meldeten sich bei uns. Wir beschäftigen in Fastiw rund 60 Leute, inklusive Versand und Kundenbetreuung. Ab Mai fuhren wir wieder Vollbetrieb mit drei Schichten pro Tag.

"Die hohe Nachfrage hat uns selbst überrascht."

Warum sind Ihre Produkte trotz des Krieges weiterhin stark nachgefragt?

Das hat uns selbst positiv überrascht. Immerhin sind die Märkte in der Ost- und Südukraine komplett weggefallen. Aber unser Schwerpunkt hat sich in die Westukraine verlagert. Dort konnten wir die Kunden im Vergleich zum Vorjahr besser versorgen, weil ihnen die volle Produktionskapazität gewidmet wurde. Zunehmend wächst die Nachfrage in Kiew. Große Bauvorhaben werden meist fortgeführt. Ich kenne kein Projekt, das komplett eingestellt worden ist.

Wie haben sich die Zahlungsmodalitäten verändert?

Wir mussten die Zahlungsziele unserer Kunden einvernehmlich mit diesen kürzen, um die Außenstände unter Kontrolle zu halten. Auch wir bekommen von unseren Lieferanten Ware fast nur noch gegen Vorkasse. Viele Vorprodukte beziehen wir aus Westeuropa. Titandioxide und andere Spezialchemikalien können wir lokal nicht beziehen, brauchen diese aber dringend für unsere Qualitätsbaustoffe. Unsere deutschen Lieferanten stellten quasi von heute auf morgen das Zahlungsziel von 90 Tagen auf Vorauskasse um. Das war sehr ernüchternd.

Inwieweit erschwert das Kriegsrecht die Geschäfte in der Ukraine?

Bevor wir einem Lieferanten Geld überweisen, müssen wir aufwändig prüfen, wer sein Eigentümer ist. Mit einem großen Maschinenlieferanten haben wir es bis heute nicht geschafft, die Dokumentenlage so abzuklären, dass die Nationalbank die Zahlungen freigibt. Die Motivation der Ukrainer ist verständlich. Aber es erschwert das grenzüberschreitende Zusammenarbeiten und Investieren ungemein.

Mit welchen Problemen haben Sie beim Transport zu kämpfen?

Das wird zunehmend komplizierter durch die Bombardierungen der Infrastruktur. Sobald Luftalarm ausgelöst wird, darf nichts mehr fahren. Viele Frachtkapazitäten benötigt das Militär. Eisenbahnwaggons sind kurzfristig nicht verfügbar. Wir müssen alternative Lieferrouten Richtung Kunden aufbauen. Zum Glück haben wir es geschafft, die Logistik von der Straße auf die Schiene zu verlagern. Aber auch das ist eine Herausforderung, weil bei vielen Angriffen auch die Eisenbahn steht.

Welche Auswirkungen haben die jüngsten russischen Angriffe auf die Energieversorgung für Ihr Werk?

Unser Werk in Fastiw ist auf Ersuchen der lokalen Behörden in den Nachtbetrieb gegangen. Wir produzieren nur noch eine Nachtschicht. Damit sollen die Stromnetze tagsüber entlastet werden. Zugleich kommt es immer wieder zur Stromausfällen Unsere Generatoren liefern nur für die Verwaltung ausreichend Strom. Produzieren können wir damit nicht, denn unsere Anlagen sind vor allem bei der Sandtrocknung sehr energieintensiv.

Halten Sie trotzdem an Ihrem neuen Investitionsvorhaben in Lwiw fest?

Wir bauen vorerst weiter, verarbeiten den gelieferten Stahl und die Konstruktionsteile und machen die begonnenen Abschnitte winterfest. Entscheidend für den Fortlauf des Projektes ist eine staatliche Garantie. Wir sind seit drei Monaten mit dem Partner der deutschen Bundesregierung in intensiven Vorbereitungen, um eine Versicherungszusage zu bekommen. Ohne die Versicherung von Kriegsrisiken und politischen Risiken wird es sehr schwer sein, weiterzubauen. Etwa fünf Millionen Euro für Fundamente und Stahlbau haben wir schon investiert. Jetzt sind die Maschinen dran, die überwiegend von deutschen Lieferanten kommen. Wenn wir die Garantien zeitnah bekommen, planen wir die Inbetriebnahme bis Ende 2023.

An der Auslastung des neuen Werkes haben Sie trotz des starken Wirtschaftseinbruchs in der Ukraine also keine Zweifel?

Wir sind mehr denn je überzeugt von dem zweiten Werk. Nicht nur bei der laufenden Modernisierung sondern auch beim Wiederaufbau benötigt das Land an erster Stelle Baumaterialien. Die Ukrainer legen immer mehr Wert auf Energieeffizienz und Wärmedämmung. Hier wird ein neues Zeitalter eingeleitet.

Fixit Gruppe

Die Freisinger Fixit Gruppe ist die Dachorganisation der Baustoffmarken Fixit, Greutol, Hasit, Kreisel und Röfix. Mit 67 Standorten in 18 Ländern gehört der Konzern zu den führenden Systemanbietern der europäischen Baustoffbranche. Seit 2004 ist die Gruppe mit ihrer Tochtergesellschaft Kreisel auch in der Ukraine tätig. In Fastiw, rund 70 Kilometer südwestlich von Kiew, produziert das Unternehmen zementbasierte Baustoffe wie Mörtel und Putze, Verbundsysteme für die Wärmedämmung sowie Farben und Grundierungen für Fassaden.


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