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Branchen | Ukraine | Schiffsverkehr, Häfen

"Wir halten durch, bis bessere Zeiten kommen"

Seit Kriegsbeginn sind ukrainische Häfen weitgehend blockiert. Betroffen sind auch die Aktivitäten der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) beim Containerumschlag in Odessa.

Von Gerit Schulze | Berlin

Philip Sweens; Geschäftsführer HHLA-International Dies ist ein eingebettetes Bild | © HHLA/Nele Martensen

Die Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) betreibt seit 2001 in Odessa den größten und modernsten Containerterminal der Ukraine. Seit Beginn des russischen Angriffskrieges im Februar 2022 ist der Seeumschlag dort weitgehend eingestellt. Dennoch funktioniert der Terminal und wickelt wieder Transporte ab, erklärt Philip Sweens, Geschäftsführer der HHLA International GmbH, im Interview mit Germany Trade & Invest.

Herr Sweens, gleich nach Kriegsbeginn haben die ukrainischen Behörden die Schließung der Seehäfen angeordnet. Welche Arbeiten können Sie derzeit am Terminal in Odessa durchführen?

Das Terminal ist seeseitig für Container weiterhin geschlossen. Landseitig wurde der Hafen aber schon kurz nach Beginn des Krieges wieder geöffnet. Das heißt, wir übernehmen und lagern Container, die das Land per Bahn und Lkw erreichen, und liefern diese aus. Denn die Hinterlandtransporte für wichtige Güter laufen wieder. Seit Ende des Jahres 2022 übernehmen wir wasserseitig auch den Getreideumschlag und haben schon einige Schiffe abgefertigt. Wir sind zwar kein Getreideterminal, aber mit Spezialcontainern, die sich unten öffnen lassen, können wir unsere Containerkräne zum Beladen der Schiffe nutzen. Damit helfen wir der ukrainischen Landwirtschaft. Containerschiffe dürfen aber nach wie vor nicht in ukrainische Häfen einlaufen oder diese verlassen.

Wie funktioniert der landseitige Transport an dem Hafen?

Schon 2020 hatten wir unsere Bahntochter Ukrainian Intermodal Company (UIC) gegründet. Mit dieser Gesellschaft bringen wir Container auf der Schiene von Odessa zu westeuropäischen Destinationen. Das ist ein gutes Beispiel dafür, wie unsere einzelnen Gesellschaften zusammenarbeiten. Wir nutzen unser Terminal in Odessa, unsere Bahntochter UIC in der Ukraine sowie unser Bahnunternehmen Metrans in Zentral- und Osteuropa und fahren damit unsere Standorte in Triest und Hamburg an.

Hatten Sie solche Bahnverbindungen auch schon vor dem Krieg genutzt?

Nein, damals gingen Containerfahrten auf der Schiene von Odessa in Richtung ukrainisches Inland. Das findet zurzeit so gut wie gar nicht mehr statt. Stattdessen bringen wir jetzt Seecontainer aus der ganzen Welt nach Odessa und von dort zurück auf die Exportmärkte.

Welche Waren werden dabei vor allem transportiert?

Richtung Ukraine sind meist Leercontainer unterwegs. Allerdings gibt es häufiger Sendungen mit Hilfsgütern, die wir für verschiedene Organisationen ins Land bringen. Raus aus der Ukraine gingen vor dem Start des Getreideabkommens im August 2022 vor allem Getreideprodukte. Entweder direkt in Containern oder in sogenannten Bigbags. Seitdem das Getreideabkommen läuft, hat sich die Warenstruktur verändert. Jetzt werden auch andere Güter aus der Ukraine gebracht. Insgesamt ist das Volumen aber nicht zu vergleichen mit dem Umschlag, den wir vor dem Krieg über den Seeweg hatten. Das Güteraufkommen ist auch viel diffuser, und viele Transporte laufen per Lkw.

In den Monaten nach Kriegsbeginn gab es viele Klagen über die Flaschenhälse in der Transportlogistik. Sie scheinen damit gut klar zu kommen.

Im Sommer hatten wir auch größere Probleme. Allerdings weniger auf der ukrainischen, als auf der europäischen Seite. Die Häfen waren überlastet, die Transportwege schwierig. Vor allem im August kam es im Hinterland durch viele Baustellen im Bahnnetzwerk zu vielen Verzögerungen. In der Ukraine macht die Bahngesellschaft Ukrzaliznytsia einen exzellenten Job und die Züge rollen. Natürlich kann es mal einige Tage dauern, bis ein Zug von Odessa an der Grenze ist. Aber angesichts dessen, dass es durch Kriegsgebiet geht, ist das eine sehr gute Leistung. Schwieriger sind die Nadelöhre, an denen die Umladung stattfindet. Da kann es mal etwas länger dauern. Aber unterm Strich funktioniert es.

"Vor Ort haben wir ein extrem motiviertes Team."

Die HHLA hatte vor Russlands Angriff fast 500 Beschäftigte in Odessa. Haben Sie diese alle halten können?

Einige Mitarbeiter und ihre Angehörigen sind in Deutschland oder in Rumänien untergekommen. Aber wir beschäftigen fast alle weiter. Vor Ort haben wir ein extrem motiviertes Team. Die Kollegen gehen weiter zur Arbeit, auch wenn sie zwischendurch bei Luftalarm in den Schutzbunker müssen. Wir glauben fest daran, dass die Ukraine wieder stark wird. Und dann wollen wir schnell in den Vollbetrieb gehen können und beim Wiederaufbau unterstützen. Deshalb honorieren wir die Loyalität der Kollegen und versuchen durchzuhalten, bis bessere Zeiten kommen.

Gibt es Beschädigungen am Terminal in Odessa?

Das Terminal ist voll funktionsfähig. Jeden Tag kontrollieren Mitarbeiter die Anlagen und stellen sicher, dass sie instandgehalten werden.

Wie halten Sie den Kontakt nach Odessa?

Es gab keinen Moment ohne Kommunikation mit dem Terminal. Mehrmals pro Woche tauscht sich unser Krisenmanagement-Team aus und diskutiert die nötigen Maßnahmen. Der Vorstand wird regelmäßig informiert, das Thema hat höchste Priorität bei uns. Die Philosophie der HHLA war immer, auf lokales Management der Auslandsterminals zu setzen, die vor Ort selbständig Entscheidungen treffen können. Jetzt zeigt sich, dass das der richtige Ansatz war.

Hamburg in Odessa

Das von der HHLA betriebene Containerterminal Odessa (CTO) hat eine Kapazität von 850.000 Standardcontainern (TEU) pro Jahr. Die HHLA hat dort vor Kriegsausbruch jährlich rund 300.000 TEU umgeschlagen. Gemessen am Gesamtvolumen der HHLA (2021: 6,94 Millionen TEU) ist das aber nur ein kleiner Teil der konzernweiten Aktivitäten. Gleich nach Kriegsbeginn hat das Unternehmen einen Hilfsfonds über eine Million Euro eingerichtet. Mit dem Geld werden vorrangig Projekte in Odessa unterstützt. Außerdem organisiert die HHLA Transporte von Hilfsgütern in die Ukraine. Rund 100 CTO-Mitarbeitende aus Odessa und deren Familien sind in Hamburg untergekommen.

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