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Branchen | Ukraine | Chemische Industrie
Die Chemieindustrie ist ein wichtiger Industriezweig der Ukraine. Oligarchen und Staatsfirmen dominieren die Sparten Düngemittel und Petrochemie.
28.09.2020
Von Fabian Nemitz | Kiew
Nach den Krisenjahren 2014/15 zeigt die Produktion in den meisten Zweigen der Chemieindustrie seit 2016 wieder nach oben. Trotz der Coronakrise setzt sich der Aufwärtstrend in den meisten Sparten 2020 fort. Im Jahr 2019 bezifferte sich der realisierte Absatz der Branche einschließlich Petrochemie auf 8,9 Milliarden US-Dollar (US$). Damit stand die Chemieindustrie für 9,3 Prozent der landesweiten Industrieproduktion.
Trotz Erfolgen bei der Erschließung neuer Absatzmärkte wiegt der Wegfall traditioneller Absatzmärkte in Russland und weiteren GUS-Staaten weiter schwer. Exportierte die Ukraine 2012 noch Chemiewaren (HS-Warengruppen 28 bis 40) im Wert von knapp 6,1 Milliarden US$, so waren es 2019 weniger als 2,7 Milliarden US$. Große Einbußen hinnehmen musste vor allem die Düngemittelindustrie.
Sparte | 2019 1) | Januar bis Juli 2020 1) | Veränderung 2020/2019 2) | |
---|---|---|---|---|
Koks und Erdölprodukte, darunter | 2.770 | 1.332 | -0,2 | |
Erdölprodukte | 1.154 | 610 | k. A. | |
Chemische Erzeugnisse, darunter | 2.792 | 1.492 | 8,6 | |
Grundstoffchemie, Düngemittel | 1.911 | 950 | 13,0 | |
Pestizide und andere agrochemische Produkte | 55 | 42 | 25,7 | |
Farben und Lacke | 238 | 147 | 13,0 | |
Kosmetika, Wasch- und Reinigungsmittel | 326 | 203 | 5,0 | |
Pharmazeutische Erzeugnisse | 1.408 | 783 | 1,0 | |
Kunststoff und Gummierzeugnisse | 1.962 | 1.047 | -6,2 |
Produkt | 2012 | 2018 | 2019 |
Ammoniak (wasserfrei) | 4.148 | 801 | 1.502 |
Polyurethane (in Primärformen) | 18,9 | 21,4 | 17,6 |
Farben und Lacke auf Basis von Acryl- oder Vinylpolymeren | 70,1 | 75,9 | 78,1 |
Farben und Lacke, basierend auf Polyestern | 73,0 | 49,3 | 48,3 |
Waschmittel und Reinigungsmittel mit oder ohne Seife | 251 | 200 | 185 |
Schönheits-, Make-up- und Hautpflegepräparate einschließlich Sonnenschutzmittel | 7,8 | 7,4 | 7,2 |
Seife und organische oberflächenaktive Produkte in Riegeln usw. für Toilettenzwecke | 33,6 | 21,2 | 13,2 |
Organische oberflächenaktive Produkte und Präparate zum Waschen der Haut; mit und ohne Seife | 5,2 | 14,8 | 13,8 |
Andere Mittel (Parfums, Toilettenwässer etc.) | 16,3 | 24,1 | 31,5 |
Andere Medikamente | 40,3 | 43,5 | 45,8 |
Landwirtschaftsreifen, andere Reifen aus Gummi (in 1.000 Stück) | 186 | k. A. | 146 |
Die Produktion von Düngemitteln (Schwerpunkt: Stickstoffdünger) ist einer der wichtigsten Zweige der ukrainischen Chemieindustrie. Für die ersten sieben Monate 2020 meldet Derzhstat ein Wachstum der Produktion von Grundstoffen und Düngemitteln um 13 Prozent. Die Düngemittelbranche profitiert von den gesunkenen Erdgaspreisen und 2018 eingeführten Importschutzmaßnahmen gegen Anbieter aus Russland.
Im Frühjahr 2020 strengten die größten Branchenfirmen und der Verband Ukrainian Chemists Union ein Verfahren zur Einführung einer 30-prozentigen Importquote auf Stickstoffdünger an, das die Regierung nach Protesten der Bauern im Juni 2020 abgelehnt hat. Während die Düngemittelproduzenten vor dem Abbau von Arbeitsplätzen warnen, befürchten die Bauern Preiserhöhungen um bis zu 30 Prozent. Laut Angaben des Verbands UCAB liegen die Preise für Düngemittel in der Ukraine schon heute 20 bis 30 Prozent über dem Weltmarktniveau.
Die Düngemittelsparte wird dominiert vom Unternehmen Ostchem, Teil der Firmengruppe Group DF des Oligarchen Dmytro Firtasch, mit Werken in Tscherkassy, Sjewjerodonezk und Riwne sowie einer Fabrik in Horliwka im besetzten Teil des Gebiets Donezk. Gegen Firtasch, der im Exil in Österreich lebt, besteht ein Auslieferungsgesuch der USA wegen Korruption. Ostchem kontrolliert 80 Prozent des lokalen Marktes für Mineraldünger, schreibt die Kyiv Post. Eine von den Wettbewerbsbehörden geforderte Aufspaltung des Konzerns wurde im Sommer 2020 von einem Kiewer Gericht abgelehnt.
Weitere Spieler sind Dniproazot, Teil von Privat Group des Oligarchen Ihor Kolomojskyj, und der Staatsbetrieb Odessa Port Plant (OPP). OPP soll schon seit einigen Jahren privatisiert werden. Abschreckend auf Käufer wirken sich die Schulden in Höhe von 250 Millionen US$ aus, die OPP gegenüber zu Firtasch gehörenden Gasversorgungsunternehmen hat. In den vergangenen Jahren war OPP nur unregelmäßig als Auftragsfertiger in Betrieb, darunter aktuell für Agrogastrading. OPP investiert in die Modernisierung der Anlagen.
Weitere kleinere Hersteller von Düngemitteln sind Blau Chem, Dneprovskiy Plant of Fertilizers, Grossdorf, TerraTarsa und Ukrajinska Ahropromyslowa Hrupa.
Die bedeutendsten Akteure in der Petrochemie sind die Raffinerie in Krementschuk (Gebiet Poltawa) und Shebelynka Gas Processing Plant (SGPP, Gebiet Charkiw). Die Raffinerie in Krementschuk gehört zu Ukrtatnafta, SGPP zum Gasförderer UGV. Weiterer Player ist der Ölförderer Ukrnafta, der über drei Gasverarbeitungswerke verfügt. An allen genannten Unternehmen ist die staatliche Naftogaz beteiligt.
Partner bei Ukrnafta ist Privat Group, die trotz ihrer Minderheitsbeteiligung von 42 Prozent das Management kontrolliert. Laut Angaben der Kyiv Post nutzt der Oligarch Kolomojskyj das Unternehmen zur eigenen Bereicherung. Ukrnafta schuldet dem Staat Steuern in Höhe von 500 Millionen US$. Kolomojskyj setzt sich für Importbeschränkungen bei Treibstoffen ein.
Neben der Raffinerie in Krementschuk gibt es in der Ukraine weiterere größere Raffinerien in Cherson, Drohobytsch, Lyssytschansk, Nadwirna und Odessa, die jedoch seit einigen Jahren stillstehen, sowie eine Vielzahl kleiner Anlagen, die in der Schattenwirtschaft tätig sind. Den Großteil des Bedarfs an Treibstoff muss die Ukraine importieren, darunter überwiegen aus Belarus und Russland. Die Pläne der Regierung zur Ausweitung der Öl- und Gasförderung bleiben hinter den Zielen zurück. Der Gesetzentwurf Nr. 3356 sieht die vermehrte Beimischung von Biokraftstoffen vor.
Nach fünfjährigem Stillstand hat im Sommer 2017 KarpatNaftoChim (KNH) die Produktion wieder aufgenommen. Auf Betreiben von KNH hat die Regierung Ende Mai 2020 die Einführung eines Schutzzolls in Höhe von 18 Prozent auf Suspensions-PVC beschlossen. Nach Protesten zahlreicher Hersteller, die auf Importe dieses Vorprodukts angewiesen sind, hat das Wirtschaftsministerium den betroffenen Produktkreis eingeschränkt.
Zu den größeren Herstellern von Kunststoff und Gummierzeugnissen zählen Ukrplastic, Rosava, Sirius Extrusion, Polikom, Kievguma. Viele kleinere Unternehmen haben ihre Produktion in den letzten Jahren eingestellt.
Unternehmen | Sparte | Umsatz 2019 |
---|---|---|
Ostchem (Tochterunternehmen von Group DF) | Düngemittel (Stickstoffdünger) | k. A. |
Kunststoffe (u.a. Polyethylen, Polyvinylchlorid, Benzol, kaustische Soda | 526,8 | |
Harnstoff, Chlor zur Wasserreinigung | k. A. | |
Arzneimittel | 247,7 | |
Arzneimittel | 128,2 | |
Arzneimittel | 51,6 (2018) | |
Schwefelsäure, Düngemittel etc. | k. A. |
Eine wichtige Säule der Chemieindustrie ist die Pharmabranche. Große Akteure sind Arterium, Borshchahivskiy CPP , Darnitsa, Farmak und Zdorovye. Die Hersteller investieren in die Entwicklung neuer Generikapräparate und den Ausbau der Kapazitäten. Die Branche entwickelt sich positiv. Ein Zeichen hierfür ist die Übernahme der Pharmasparte des Unternehmens Biopharma durch Stada.
Die Ukraine könnte künftig eine wichtige Rolle bei den Wasserstoffplänen der EU spielen. Im Sommer 2020 fanden erste Tests zur Einspeisung von Wasserstoff in das Gaspipelinenetz statt. Beim Wasserkraftwerk Dniprovska HES gibt es Pläne zum Bau eines Elektrolyseurs (200 Megawatt) für 300 Millionen US$.
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