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IT-Branche erzielt auch in Kriegszeiten gute Umsätze

Der ukrainische IT-Sektor gewinnt trotz des Krieges neue Kunden. Die Softwarefirmen verlegen ihre Filialen aber zunehmend in den Westen des Landes oder ins Ausland.

Von Gerit Schulze | Berlin

Die Ukraine bleibt ein beliebter Standort für das Outsourcing von Programmierdienstleistungen. Dank der günstigen Kosten und gut ausgebildeter IT-Spezialist:innen vergeben westliche Konzerne viele Aufträge an ukrainische Softwarefirmen.

Exporterlöse steigen auch während des Krieges

Das Konzept scheint trotz des russischen Angriffskrieges weiter Erfolg zu haben. Von März bis Mai 2022 steigerten die ukrainischen IT-Unternehmen ihre Exporterlöse im Vergleich zur Vorjahresperiode um 6 Prozent auf 1,7 Milliarden US-Dollar (US$).

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Mehr als die Hälfte der Softwarefirmen erwartet 2022 Umsatzzuwächse zwischen 5 und 30 Prozent. Das hat eine Umfrage des Verbandes IT Ukraine im Juni 2022 ergeben. Drei von vier Unternehmen konnten in den Kriegsmonaten neue Kunden gewinnen.

Die Branche hat sich auf die neue Realität eingestellt, schnell ihre Belegschaft in die Westukraine oder ins Ausland gebracht und die Kunden davon überzeugt, weiterhin Aufträge abwickeln zu können. Viele IT-Firmen schaffen Geräte zur unterbrechungsfreien Stromversorgung an und versuchen, Anschluss an das US-Satellitennetzwerk Starlink zu bekommen. Damit können sie ihre Arbeit auch dann fortsetzen, wenn die Telekommunikations-Infrastruktur zerstört ist.

Server in Sicherheit gebracht und Reservekopien angelegt

Wichtig war in den ersten Kriegstagen auch, die Server in Sicherheit zu bringen. Die Onlinebank Monobank verlegte laut Medienberichten einen Teil ihrer Datenzentren von Kiew nach Lwiw und transferierte Daten in die Amazon-Cloud. Der ukrainische Cloudbetreiber GigaCloud, der mehrere tausend Unternehmen im Land betreut, legte schon vor Kriegsbeginn Reservekopien seiner Daten auf Servern in Lwiw an. Nach den ersten Angriffen schaffte der Dienstleister seine Hardware ebenfalls von Kiew in den Westen des Landes.

Nach Angaben der Wirtschaftszeitschrift Forbes hatten bis Anfang Mai 2022 schon 13 der 50 größten IT-Unternehmen Programmierzentren verlegt. In der Ukraine stehen die westlichen Großstädte Lwiw, Iwano-Frankiwsk oder Chmelnyzkyj hoch im Kurs, unter den Auslandsstandorten dominieren Polen, Rumänien und Kroatien.

Transkarpatien will den IT-Zentren Konkurrenz machen

Ganz im Westen der Ukraine, in Uschhorod, will die Region Transkarpatien sich zu einem IT-Cluster des Landes entwickeln und mit Kiew, Charkiw und Lwiw konkurrieren. Wie die Regionalverwaltung mitteilte, seien seit Kriegsausbruch 35.000 IT-Spezialist:innen in die Region umgezogen.

Eine spezielle "IT Town" für Startups und Softwarefirmen soll in Lwiw auf acht Hektar Fläche entstehen. Ab Sommer könnte der Bau von temporären Unterkünften am Campus beginnen, teilte die International Technology Transfer Association ITTA mit.

Auch die ukrainische Regierung will den Sektor im Rahmen des Programms eRobota weiter unterstützen. Seit dem 1. Juli 2022 können Startups aus der IT-Branche nicht rückzahlbare Zuschüsse beim Ukrainian Startup Fund beantragen. Voraussetzung ist die Schaffung von mindestens fünf neuen Jobs und die Entwicklung neuer Produkte.

Veranstaltungshinweis

Am 17. August 2022, 10:00 bis 11:15 Uhr, lädt die IHK Düsseldorf, in Kooperation mit der Plattform Do Business with Ukrainians, der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und dem Kompetenzzentrum Ukraine der IHK Rheinhessen zu einem kostenlosen Webinar über MS Teams in englischer Sprache ein.


In der virtuellen Kooperationsbörse stellen sich 12 ausgewählte ukrainische IT-Firmen in kurzen Pitches vor und bieten sich für Kooperationen mit deutschen Partnern an. Im Anschluss an die Pitches besteht Gelegenheit, mit den ukrainischen Unternehmen ins Gespräch zu kommen.


Einberufung und Devisenbeschränkungen bereiten Sorgen

Probleme bereiten den ukrainischen IT-Unternehmen die Devisenbeschränkungen und die drohende Einberufung junger Wehrpflichtiger. Teilweise kommen Militärrekrutierer direkt in die Firmen, um Einberufungsbescheide auszuhändigen. Dagegen protestieren die Softwareverbände und verweisen auf den volkswirtschaftlichen Nutzen der Programmierer. Der IT-Sektor sorgt 2022 für rund die Hälfte der Dienstleistungsexporte und ist ein wichtiger Devisenbringer.

Diskutiert wird derzeit, ob IT-Spezialisten die Ausreise erlaubt werden soll. Ein entsprechender Gesetzesentwurf zu Änderungen an den Verfahren zur Mobilmachung liegt derzeit im Parlament. Die Regierung kündigte an, einen Mechanismus für Beschäftigte der IT-Industrie zu erarbeiten, der eine Ausreise ermöglichen könnte. Eine Umsiedlung in sichere Länder gewährleistet einerseits die Abwicklung von Aufträgen. Kritiker warnen allerdings vor einer massiven Talenteabwanderung (Brain Drain), sollte das Gesetz angenommen werden. Außerdem könnte die Erteilung von Ausnahmegenehmigungen Spielraum für Korruption eröffnen.

Stabiles Wachstum und hohe Beschäftigung

Die Regierung hat den IT-Sektor schon seit einigen Jahren als stabilen Wachstumsanker für die Volkswirtschaft erkannt und entwickelt. Nach Angaben des Verbandes IT Ukraine arbeiten in der Branche rund 285.000 Beschäftigte. Sie trug vor Ausbruch des Krieges 4 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt bei.

Viele Behördendienstleistungen können online über das Webportal und die mobile App Diia erledigt werden. Im Jahr 2020 initiierte das Ministerium für Digitalisierung die "Diia City" - ein virtuelles Land für Menschen aus der Informationstechnologie. Die "Bewohner" profitieren von niedrigen Steuern, Zugang zu ausländischen Investitionen und Schutz vor Kontrollen durch die Strafverfolgungsbehörden. Ziel des Projektes war es, den IT-Sektor zu einer Beschäftigungs- und Wachstumslokomotive zu machen.

Die russischen Angriffe auf die Ukraine treffen aber auch die IT-Infrastruktur. Laut Regierung wurde bereits jeder zehnte Mobilfunkmast und ein Fünftel der Breitbandkabel beschädigt. In den besetzten Gebieten muss aus Sicherheitsgründen der Zugang zu den Open-Data-Portalen eingeschränkt werden. Außerdem sind ukrainische IT-Unternehmen und Behörden zunehmenden Hackerattacken von russischer Seite ausgesetzt.

Digitalisierung beim Wiederaufbau fest eingeplant

Bei der Wiederaufbaukonferenz für die Ukraine Anfang Juli 2022 in Lugano stand die weitere Digitalisierung des Landes auf der Tagesordnung. Dafür plant die Regierung bis 2025 umgerechnet 2,4 Milliarden Euro ein. Das Geld fließt in den Ausbau der Netzinfrastruktur, in Risikokapitalfonds, in Ausbildungsprogramme und die Verbesserung der Cybersicherheit. Ziel ist ein Anteil der IT-Branche von 10 Prozent am Bruttoinlandsprodukt.

Die 10 größten IT-Unternehmen der Ukraine

Unternehmen

Standorte (Auswahl)

Beschäftigtenzahl

EPAM Ukraine

Winnyzja, Odessa, Lwiw, Kiew, Charkiw, Dnipro

11.600

SoftServe

Lwiw, Dnipro, Tschernowitz, Iwano-Frankiwsk

9.500

GlobalLogic

Kiew, Charkiw, Lwiw, Mykolajiw

6.400

Luxoft Ukraine

Kiew, Odessa, Dnipro

3.600

Ciklum

Kiew, Lwiw, Charkiw, Odessa, Dnipro, Winnyzja

3.000

NIX

Charkiw

2.700

DataArt

Kiew, Charkiw, Dnipro, Lwiw, Cherson, Odessa

2.600

Evoplay

Kiew

2.300

Intellias

Lwiw, Kiew, Odessa, Charkiw, Iwano-Frankiwsk

2.000

Zone3000

Charkiw, Lwiw

2.000

Stand: Juli 2021Quelle: Programmiererforum DOU.ua (August 2021)

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