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Neuwagen finden in der Ukraine nur wenige Käufer

Blockierte Häfen, eine abgestürzte Landeswährung und die Flucht von Millionen Menschen – das Kriegsjahr 2022 war sehr herausfordernd für den ukrainischen Automarkt.

Von Gerit Schulze | Berlin

Der ukrainische Fahrzeugmarkt ist stärker von Russlands Angriffskrieg betroffen als andere Branchen im Land. Der Absatz neuer Pkw ging 2022 im Vergleich zum Vorjahr um fast zwei Drittel zurück, auf nur noch 38.000 Autos. Das war der niedrigste Stand seit Beginn der 2000er Jahre. Ähnlich stark waren die Rückgänge bei Bussen und Lastkraftwagen.

Absatz von Kfz in der Ukraine (Stückzahl)

Kategorie

2020

2021

2022

Veränderung 2022/2021 in %

Pkw

85.450

103.245

37.890

-63,3

Nutzfahrzeuge

11.578

15.846

6.857

-56,7

Busse

1.958

2.681

914

-65,9

Quelle: UkrAutoProm 2023

Günstige Gebrauchtwagen dank Zollbefreiung

Im Frühjahr litten die Neuwagenverkäufe nicht nur unter Russlands Angriff. Weil durch den Krieg sehr viele Fahrzeuge zerstört wurden (die Kyiv School of Economics spricht für 2022 von 195.000 Stück), hatte die Regierung in den Monaten April bis Juni die Zölle auf Autoimporte abgeschafft. Dadurch sollte der Fahrzeugbestand mit günstigen Einfuhrwagen wieder aufgefüllt werden. Die Regelung galt für Neu- und Gebrauchtwagen.

Allerdings führte die Zollbefreiung vor allem bei Gebrauchtwagen zu einem Importboom. Nach Angaben des Kiewer Automotive Market Research Institute wurden im Gesamtjahr 405.000 Autos ins Land gebracht. Das war aber immer noch ein Viertel weniger als im Jahr vor Kriegsbeginn. Etwa 78 Prozent der Fahrzeuge hatten einen Zollwert bis 5.000 US-Dollar (US$). Besonders beliebt waren Modelle von Volkswagen (77.000 Stück), Renault (35.000) und Ford (29.000).

Das Neuwagengeschäft stabilisierte sich mit der Abschaffung der Zollpräferenzen ab dem Sommer. Im Dezember erreichte der Absatz mit 3.860 neuen Fahrzeugen ein vorläufiges Monatshoch seit Ausbruch des Krieges. Beliebteste Automarke bei den Neuwagen war 2022 Toyota (Marktanteil 18 Prozent) vor Renault (10 Prozent) und Skoda (7 Prozent). Die meisten deutschen Automarken dürften 2023 wieder unter die Luxussteuer fallen. Sie beträgt 25.000 Hrywnja (UAH, rund 620 Euro, durchschnittlicher Wechselkurs 2022: 1 Euro = 33,98 UAH) für Autos, die mehr als 2,25 Millionen UAH (56.200 Euro) kosten.

Weiterhin nur sehr niedrige Einkommen

Das Potenzial für weiteres Wachstum ist allerdings begrenzt. Nach Einschätzung des Automotive Market Research Institute kann sich die Mehrheit der Haushalte derzeit nur Autos im Preissegment  von 5.000 bis 10.000 US-Dollar (US$) leisten. Das Neuwagensegment beginne erst bei 15.000 US$. Ohne Kreditprogramme oder einen Anstieg der Realeinkommen werde das Käuferpotenzial kaum größer. 

Laut ukrainischer Zentralbank NBU sind die Reallöhne 2022 um ein Viertel gesunken und dürften 2023 um höchstens 5 Prozent steigen. Unterm Strich bleibt seit Kriegsbeginn ein erheblicher Kaufkraftverlust durch die hohe Inflationsrate und die Abwertung der Landeswährung Hrywnja.

Elektroautos gewinnen Marktanteile

Sehr widersprüchlich war 2022 die Entwicklung bei Elektroautos. Gleich nach Kriegsbeginn kam es in der Ukraine zu Engpässen bei der Benzin- und Dieselversorgung. Die Preise an den Tankstellen stiegen, gleichzeitig blieb Strom verfügbar und billig. Laut Berechnungen der Zeitschrift Forbes kostete im Sommer 2022 ein Kilometer Fahrt im Elektroauto 0,22 UAH oder 0,006  Euro, ein Kilometer mit Verbrennungsmotor dagegen 5,20 UAH (0,15 Euro). Das führte zu einer hohen Nachfrage nach strombetriebenen Fahrzeugen. Nach den gezielten russischen Angriffen auf die Energieinfrastruktur ab Oktober 2022 war die Stromversorgung der Autos nicht mehr gesichert und das Marktwachstum verlangsamte sich.

Unterm Strich wurden im Gesamtjahr in der Ukraine 13.600 neue und gebrauchte Elektroautos verkauft, ein Anstieg um die Hälfte gegenüber dem Vorjahr. Darunter waren rund 2.300 Neuwagen. Die wichtigsten Hersteller waren Nissan, Volkswagen und Tesla. 

Französische Kleintransporter besonders beliebt

Das Geschäft mit neuen und gebrauchten Kleintransportern bis 3,5 Tonnen schrumpfte 2022 um 33 Prozent auf 46.734 Einheiten. Etwa 3.000 Fahrzeuge davon waren Neuwagen, wobei Renault Express, Fiat Doblo und Renault Master am häufigsten gekauft wurden. Das Neuwagengeschäft ging um über 60 Prozent gegenüber 2021 zurück. Diese Zahlen veröffentlichte das Automotive Market Research Institute in Kiew. 

Bei Lastwagen mit einem zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 3,5 Tonnen wurden 19.900 Stück verkauft. Darunter waren aber nur 1.472 neue Lkw (635 importierte und 837 im Inland produzierte oder umgebaute). Die führenden Hersteller waren Scania, Ford, Mercedes-Benz, Iveco und Kamaz.

Geschäft mit Bussen bricht ein

Einen Einbruch erlebte 2022 das Geschäft mit Bussen. Nach Angaben des Automotive Market Research Institute wurden 6.000 neue und gebrauchte Busse verkauft. Dazu zählten auch Kleinbusse wie Ford Transit oder Mercedes-Benz Sprinter. Gegenüber dem Vorjahr ergab sich ein Rückgang um 41 Prozent. Im Gesamtjahr wurden nur 159 neue Busse importiert. Außerdem wurden 475 Busse neu zugelassen, die im Inland montiert wurden. Die beliebtesten Busmodelle unter den neu verkauften Fahrzeugen waren Bogdan/Ataman, BAZ und Ford Transit.

Kaum noch eigene Inlandsproduktion

Nach Angaben des Branchenverbands UkrAvtoprom wurden in den ersten zehn Monaten 2022 im Land 1.756 Pkw hergestellt. Das war ein Rückgang um 37 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Der einzige wieder produzierende Pkw-Hersteller ist Eurocar in Transkarpatien. Das Unternehmen montiert als Auftragsfertiger Skoda-Modelle des Volkswagen-Konzerns im SKD-Verfahren (Semi-Knocked-Down). 

Das bislang auf Busse spezialisierte Automobilwerk Luzk in Wolhynien plant die Produktion von Kleintransportern mit Elektromotor. Die Fahrzeuge sollen im Basismodell 5.100 US$ kosten. Außerdem hat das Unternehmen ein elektrisches Pick-up-Modell unter dem historischen Markennamen LuAZ angekündigt. Das Werk gehört zum Bogdan-Konzern.

Der Lkw-Hersteller AutoKrAZ wurde auf Beschluss von Präsident Wolodymyr Selenskyj im November 2022 für die Zeit des Kriegszustandes verstaatlicht. Das Unternehmen produziert auch Militärfahrzeuge, war zuletzt aber in Zahlungsschwierigkeiten. AutoKrAZ entwickelt derzeit das autonom fahrende gepanzerte Fahrzeug "Spartan".

Fahrzeugbauer im Nischensektor produzieren wieder

Das auf Feuerwehrautos spezialisierte Unternehmen Pozhmashina aus dem Gebiet Tschernihiw nahm im Oktober 2022 wieder die Produktion auf. Die Fahrgestelle kommen von Isuzu und werden vor Ort montiert. Ansonsten sollen 60 Prozent der verbauten Teile aus ukrainischer Fertigung stammen, teilte Pozhmashina mit. 


Ebenfalls im Gebiet Tschernihiw produziert das Chernihiv Autoplant wieder Schulbusse in kleinen Stückzahlen.


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