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Ukrainische Donauhäfen sollen Getreidekrise entschärfen

Der russische Angriffskrieg stellt die Ukraine vor enorme logistische Herausforderungen. Die Donauhäfen im Süden sollen ausgebaut werden.

Von Viktor Ebel | Bonn

Odessa, Mykolajiw, Mariupol – die Namen der unter russischem Beschuss leidenden Orte sind spätestens nach Kriegsbeginn in aller Munde. Doch gleichzeitig bilden diese Städte auch das Rückgrat der ukrainischen Exportwirtschaft. Über seine Schwarzmeerhäfen wickelte das Land 80 Prozent seiner Ausfuhren ab. Seitdem diese von der russischen Marine blockiert sind, stecken 70 Schiffe in den Häfen fest, in denen sich unter anderem Millionen Tonnen an Agrarerzeugnissen befinden. Die Verluste der Seeblockade betragen laut ukrainischer Regierung 170 Millionen US-Dollar (US$) pro Tag.

In vielen Teilen der Welt drohen nun Hungerkrisen, denn die Hauptabnehmer landwirtschaftlicher Erzeugnisse aus der Ukraine sind Entwicklungs- und Schwellenländer. Im Jahr 2021 exportierte die „Kornkammer Europas“ noch 44,9 Millionen Tonnen Getreide. Nun drohen 20 Millionen Tonnen der letztjährigen Ernte in Silos zu verderben. Hinzu kommen laut einer Schätzung der Food and Agriculture Organization der Vereinten Nationen bald 50 Millionen Tonnen an frischem Weizen, Mais, Gerste, Hafer, Roggen und andere Arten. Alternative Transportwege sind dringend notwendig. Während der Schienengüterverkehr als mühsam und teuer gilt, fehlen an der Donau Abfertigungskapazitäten. Das soll sich bald ändern.

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Export über Donauhäfen soll zunehmen

Vom 4. bis 5. Juli 2022 fand die Wiederaufbaukonferenz für die Ukraine in Lugano statt. Der ukrainische Minister für Infrastruktur, Oleksandr Kubrakov, kündigte dabei den Plan an, die drei Donauhäfen Ismail, Reni und Ust-Dunaijsk zu modernisieren. Hierfür seien 200 Millionen US$ an Investitionen notwendig. Ziel ist es, die Kapazitäten der Häfen auf 25 Millionen Tonnen pro Jahr zu erhöhen. Bereits zwischen März und Juni 2022 konnte die Kapazität fast vervierfacht werden, wenn auch von einem niedrigen Niveau. 

Ausbauprogramm für die Donauhäfen in der Ukraine
  • Vertiefung der Hafenbecken in Ismail und Reni
  • Modernisierung der Hafenanlagen
  • Bau einer direkten Eisenbahnverbindung zwischen den Häfen Ismail und Reni
  • Einführung einer neuen Navigationsflotte
  • Modernisierung der Transportschiffe

Gegenüber Wirtschaftsvertretern hat der Infrastrukturminister auch erste private Investitionen in Hafen- und Eisenbahnterminals sowie zinsgünstige Kredite für interessierte Unternehmen angekündigt. Um das volle Potenzial zu entfalten, seien aber Gelder internationaler Partner nötig. Mithilfe eines neuen elektronischen Systems sollen sich Geber und Investoren in Kürze über neue Projekte, Wiederaufbaumaßnahmen sowie die Verwendung der Mittel informieren können. 

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Donau-Schwarzmeer-Kanal wieder befahrbar

Nachdem die ukrainische Armee Anfang Juli 2022 die Schlangeninsel im Schwarzen Meer zurückerobert hatte, öffneten die Behörden die Zuflüsse wieder für die Schifffahrt. Die Kontrolle der strategisch wichtigen Insel erlaubt der Ukraine, den See- und Luftverkehr in den Gewässern rund um das Donaudelta zu kontrollieren. Den Bystroe-Kanal durchfuhren Mitte Juli 2022 die ersten ausländischen Schiffe, um in den Donauhäfen ukrainisches Getreide zu laden. Doch die geringe Tiefe des Flusses (maximaler Tiefgang: 3,90 Meter), der nur bei Tag befahren werden kann, lässt keine großen Schiffe zu. Der nächste Engpass ist der Sulina-Kanal auf der rumänischen Seite, der nur in eine Seite befahrbar ist, weshalb nur 4 bis 8 Schiffe pro Tag ihre Fracht dort entladen können. Über 130 Schiffe haben Mitte Juli 2022 auf Einfahrt in den Sulina-Kanal gewartet.

Kurzfristige Besserung ist in Sicht, wenn die Durchfahrten für die ganze Woche statt tageweise geplant werden. Die Gespräche mit den rumänischen Kollegen laufen bereits. Dennoch ist das Potenzial der Donauschifffahrt begrenzt. Das Ministerium für Infrastruktur stellt fest:

„Selbst wenn die Logistik durch die Donauhäfen optimiert wird, wird ihre Kapazität immer noch nicht ausreichen, um die Seehäfen vollständig zu ersetzen."

Im Juni 2022 konnten über alle bestehenden Routen rund 2,5 Millionen Tonnen landwirtschaftliche Erzeugnisse exportiert werden, während der monatliche Bedarf an Exportkapazitäten 8 Millionen Tonnen sei.

Rumänien verbindet ukrainische Breitspurbahn mit seinem Donauhafen

Der Transport über den Schienenverkehr ist grundsätzlich eine gute Alternative für den Getreidetransport, doch die unterschiedliche Spurweite in der Ukraine und der Europäischen Union macht den Transit umständlich und kostspielig. Die Fracht muss entweder auf LKW umgeladen oder die Spurweite des rollenden Materials mithilfe von Umspuranlagen geändert werden.

Rumänien hat daher zwischen seinem Donauhafen Galati und dem Grenzdorf Giurgiulesti in der Republik Moldau, bis wohin ukrainische Güterzüge bisher fahren konnten, ein Stück Breitspurbahn instandgesetzt. Seit Anfang Juli 2022 können die Züge nun bis nach Galati rollen. Von dort aus wird die Ladung über die Donau zum rumänischen Schwarzmeerhafen Constanta verschifft. Auch dieser soll umfassend modernisiert werden.

Langfristige Perspektive bleibt ungewiss

Neben den natürlichen Gegebenheiten des Donaudeltas, die Menge und Größe der durchfahrenden Schiffe begrenzen, sorgen noch weitere Faktoren bei Investoren für Ungewissheit. Ausschlaggebend dürfte der Ausgang der Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine in der Türkei sein. Wenn diese erfolgreich sind, kann das Getreide über die unter ukrainischer Kontrolle stehenden Schwarzmeerhäfen wie Odessa und Chernomorsk exportiert werden. Das Interesse an den Donauhäfen könnte schnell wieder schwinden.

Aber auch wenn die Verhandlungen platzen, bleibt die Unberechenbarkeit des Krieges. Schon jetzt beschießt Russland Ziele im Westen und Südwesten der Ukraine, nach eigenen Angaben um die Lieferung von Waffen zu verhindern. Infrastrukturobjekte geraten daher besonders oft ins Visier. Die russischen Raketen trafen auch schon Bahnhöfe und Züge. Sollten die Schäden an der Eisenbahninfrastruktur zunehmen, könnten in Zukunft auch die Kapazitäten fehlen, das Getreide bis zu den Donauhäfen zu transportieren.

Kontaktadressen

  • Ministerium für Infrastruktur
    (Ansprechpartnerin für Investitionen im See- und Flusstransport: Lilia Kondzerska; T +380 44 351 44 79; kondzerska@mtu.gov.ua)
  • Hafen Ismail; T +380 4841 25 102; iscp-secret@izmport.com.ua
  • Hafen Reni; T +380 67 558 75 96; chief@dp.portreni.com.ua
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