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Wirtschaftsumfeld | Ukraine | Investitionsgarantien

"Eine wichtige Unterstützung für deutsche Investoren"

Trotz der gestiegenen Risiken vergibt der Bund weiter Garantien für deutsche Investitionen in der Ukraine. Herwig Maaßen von PwC erklärt im Interview die geltende Deckungspolitik.

Von Verena Matschoß | Bonn

Im Auftrag der Bundesregierung bearbeitet PricewaterhouseCoopers GmbH (PwC) die staatlichen Investitionsgarantien. PwC ist somit die erste Anlaufstelle für Unternehmen, die ihre Investition im Ausland gegen politische Risiken absichern wollen.

Herwig Maaßen, Senior Manager PricewaterhouseCoopers Herwig Maaßen, Senior Manager PricewaterhouseCoopers | © Anne Moldenhauer / PwC

Herwig Maaßen ist seit fast 30 Jahren bei PwC und Teil eines 30-köpfigen Teams, das für die Investitionsgarantien des Bundes zuständig ist. Im Interview mit Germany Trade & Invest berichtet er, welche Absicherungsmöglichkeiten es für Projekte in der Ukraine gibt und was Unternehmen bei der Antragstellung beachten müssen.

Herr Maaßen, wie hat sich die Vergabepraxis bei der Ukraine und bei Russland seit Kriegsbeginn entwickelt?

Russland war in der Vergangenheit ein wichtiger Standort für deutsche Direktinvestitionen und bei den Investitionsgarantien regelmäßig unter den größten Zielmärkten vertreten. Seit 24. Februar 2022 hat der Bund einen Deckungsstopp für Russland und Belarus verhängt. Auch die Ukraine war traditionell immer ein wichtiger Investitionsstandort für deutsche Unternehmen - aufgrund der räumlichen Nähe gerade für kleine und mittlere Unternehmen. Es ist und bleibt das Ziel der Bundesregierung, die Ukraine bestmöglich wirtschaftlich zu unterstützen. Investitionsgarantien können hierbei eine wichtige Rolle spielen, um privatwirtschaftliche Investitionsprojekte zu ermöglichen.

Über Anträge wird auf Basis der jeweiligen Risikosituation im Einzelfall entschieden, wobei insbesondere der Standort und die Branche des Projekts von Bedeutung sind. Auf dieser Grundlage hat der Bund im Jahr 2022 weiterhin Deckungen für Projekte in der Ukraine übernommen - sowohl für Erweiterungsinvestitionen als auch für neue Vorhaben. Und das zu den Standardkonditionen. Das bedeutet, dass weder das Entgelt noch der Selbstbehalt im Schadensfall erhöht wurden.

Welche Risiken sind abgedeckt und wie wird über die Garantievergabe entschieden?

Es sind politische Risiken einschließlich des Kriegsrisikos abgedeckt. Aufgrund der Devisensituation in der Ukraine kann der Bund derzeit jedoch keine Absicherung der Erträge vornehmen. Darüber hinaus sind Einschränkungen bei der Absicherung von Konvertierungs- und Transferrisiken und/oder Zahlungsverboten oder Moratorien erforderlich.

Bei jedem Projekt findet eine Einzelfallprüfung statt. Dabei beachten wir insbesondere die für den Bund wichtigen Aspekte der Förderungswürdigkeit und der risikomäßigen Vertretbarkeit. Die Entscheidung, ob eine Investitionsgarantie vergeben wird, trifft ein Interministerieller Ausschuss, der sechsmal im Jahr tagt. Die Termine werden auch auf der Homepage der Investitionsgarantien veröffentlicht.

Wie können Sie die Risikolage vor Ort einschätzen und wie lange dauert diese Prüfung?

In der Regel wird die Deutsche Botschaft in Kiew in den Prozess einbezogen. Wir schauen uns ansonsten die eingereichten Unterlagen genau an, stellen im Zweifel Rückfragen beim Investor und nutzen vielfältige weitere Informationsquellen. Es wird sehr intensiv geprüft, aber immer noch vergleichbar mit Anträgen für andere Länder. Wenn die Unterlagen schnell zur Verfügung gestellt werden, ist für ein Projekt ohne größere Besonderheiten ein Zeitrahmen von etwa zwei Monaten von Antragstellung bis Entscheidung möglich.

Ich empfehle den Unternehmen, einen Antrag frühzeitig zu stellen. Das kann auch erstmal formlos per Mail erfolgen. Ab dann können wir den Prozess begleiten. Leistungen vor Antragstellung sind grundsätzlich nicht von der Investitionsgarantie abgedeckt. Das heißt: Rechtzeitig den Antrag stellen, bevor Geld fließt!

"Die deutschen Unternehmen engagieren sich weiterhin."

Wie hoch ist überhaupt die Nachfrage nach Garantien für Ukraine-Investitionen?

Wie bereits angesprochen, war die Ukraine in der Vergangenheit immer ein wichtiger Standort für deutsche Investoren, insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen. Bei den Investitionsgarantien war die Ukraine meist unter den Top-10 der Zielmärkte vertreten. Trotz der aktuell schwierigen Rahmenbedingungen planen deutsche Investoren weitere Projekte im Land, wobei die Verfügbarkeit einer Investitionsgarantie oftmals Voraussetzung für die Investitionsentscheidung ist. Deutsche Unternehmen engagieren sich also weiterhin in der Ukraine. Und die Bundesregierung ist grundsätzlich bereit, dies durch Garantien zu unterstützen.

Können Sie uns mehr Details zu den im letzten Jahr genehmigten Garantien geben?

Im Jahr 2022 wurden Anträge für Neuinvestitionen und Erweiterungsinvestitionen positiv beschieden sowie Garantielaufzeiten bei bestehenden Garantien verlängert. Investitionsgarantien werden bei Beteiligungen für lange Laufzeiten vergeben, nämlich für 15 Jahre. Auf Antrag können sie jeweils um weitere fünf Jahre verlängert werden. Besondere Nachfrage an Garantien stammten aus den Branchen Landwirtschaft und Bauindustrie. Bei den Anfragen sehen wir auch wichtige Vorhaben im Bereich der Energieinfrastruktur.

Wie ist die Zusammenarbeit auf europäischer Ebene?

EU-Investitionsgarantien gibt es nicht, aber es gibt natürlich auch andere staatliche Garantiegeber in der EU. Es gibt einen Austausch im Rahmen der Berner Union. Das ist der Zusammenschluss der Investitions- und Exportkreditversicherer weltweit. Auch die Multilaterale Investitions-Garantie-Agentur (MIGA) der Weltbank ist dort vertreten. Ich glaube, der politische Wille ist überall zu spüren, die Ukraine nach Kräften zu unterstützen. Und natürlich ist der Wiederaufbau ein Thema, das insgesamt in der EU vorangetrieben wird.

"Bereits durch Corona kam es zu großen Verschiebungen."

Gab es seit Kriegsbeginn Verschiebungen bei der Ländernachfrage?

Bereits durch Corona kam es zu großen Verschiebungen. Das hat sich durch den Ukrainekrieg noch verschärft. Unternehmen haben nun immer mehr die Resilienz von Lieferketten auf dem Schirm. Das Thema Nearshoring spielt eine größere Rolle und die Unternehmen reduzieren ihre Abhängigkeiten von China. So war bereits im letzten Jahr beim Antragsvolumen China nicht mehr unter den Top-5-Staaten. Insgesamt verteilten sich die neu übernommenen Investitionsgarantien 2022 auf deutlich mehr Zielmärkte als noch im Jahr zuvor. Die Nachfrage nach Investitionsgarantien für Projekte in Russland war schon seit 2014, also seit der Annexion der Krim, rückläufig.

Wie unterstützt die Bundesregierung die Diversifizierungsbestrebungen der Unternehmen? 

Wir sehen aktuell viele Anfragen zu Ländern wie Indien, Vietnam und Indonesien, aber auch die Türkei gewinnt an Bedeutung. Andere nachgefragte Regionen waren unter anderem die Länder des Westbalkan, Lateinamerika und Nordafrika. Der Bund unterstützt den Trend zur Diversifizierung. Konkret geplant sind günstigere Garantiekonditionen, die Anreize für Investitionen in Staaten beinhalten, die bisher nicht im Fokus der Wirtschaft standen, jedoch großes Potential bieten.

Zudem wurde bereits eine moderate Verschärfung der Deckungskonditionen für solche Länder umgesetzt, bei denen es zu einer übermäßigen Konzentration an abgesicherten Projekten gekommen ist. Zusätzlich wurde eine Absicherungsgrenze von maximal 3 Milliarden Euro pro Unternehmensgruppe und Zielstaat eingeführt, um sogenannte Klumpenrisiken auch auf Ebene der einzelnen Unternehmen zu vermeiden.

Kontakt

Ansprechpartner und weitere Informationen zu den Investitionsgarantien des Bundes sind auf der Homepage der Investitionsgarantien abrufbar.

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