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Markets International 05/23 I Ukraine I Wirtschaftsumfeld

Ukraine entscheidet sich endgültig für den Westen

Seit Januar 2023 ist Reiner Perau Geschäftsführer der AHK Ukraine. Er pendelt zwischen Berlin und Kiew, um die Interessen der rund 160 Mitgliedsunternehmen zu vertreten. Aus dem Interview geht hervor, dass sich das Land endgültig für den Westen entschieden hat.

Von Gerit Schulze | Prag

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Rainer Perau; Geschäftsführer AHK Ukraine Rainer Perau; Geschäftsführer AHK Ukraine | © Deutsch-ukrainische Industrie- und Handelskammer

Herr Perau, wie viele deutsche Unternehmen sind nach AHK-Schätzungen noch in der Ukraine tätig?

Die Schätzungen vor dem Krieg lagen bei etwa 2.000 und ich habe nicht von Unternehmen gehört, die sich zurückgezogen hätten.

Wie haben sich die deutschen Unternehmen anderthalb Jahre nach Kriegsbeginn auf die neuen Bedingungen in der Ukraine eingestellt?

Die Lage ist sehr unterschiedlich, je nach Unternehmen, Branche und Region, in der man arbeitet. Firmen, die im Westen der Ukraine für den Export arbeiten, haben kaum Einschränkungen gehabt und produzierten weiter. Am anderen Ende des Spektrums gibt es Beispiele wie den Gipsplattenhersteller Knauf, der sein Werk im Donbass verloren hat. Viele müssen sich neue Transportwege suchen, weil für sie der Seetransport wichtig war. Sie haben entsprechend höhere Kosten. Andere hatten für Russland produziert, ein Markt, der weggebrochen ist. Einige haben profitiert, weil etwa belarussische Wettbewerber jetzt nicht mehr im Markt sind. Alle mussten im Winter Energieknappheit managen und kontinuierlich auch die Mobilisierung von Mitarbeitern fürs Militär.

In welchen Branchen sieht die AHK aktuell gute Geschäftsmöglichkeiten?

Wir sehen Landwirtschaft, Energie und Bau als große Themen. Wenn wir über den Wiederaufbau der Ukraine sprechen, dann geht es natürlich auch um eine umfassende Modernisierung. Das Land hat sich endgültig für den Westen entschieden und will Mitglied der EU werden.

Was sollten Unternehmen jetzt tun, die sich am Wiederaufbau der Ukraine beteiligen wollen?

Sie sollten am Ball bleiben und verfolgen, was sich wirtschaftlich tut. Wir haben extra dafür einen Infodienst aufgelegt, den Rebuild Ukraine Weekly. Damit können die Unternehmen die Wirtschaft in der Ukraine im Auge behalten. Außerdem könnten sie sich jetzt nach Partnern umsehen. Wenn der Krieg zu Ende geht, werden viele Unternehmen Geschäftskontakte suchen, dann wird es entsprechend eng.

Welche Zukunftsperspektiven hat die Ukraine mittel- und langfristig?

Das hängt von der militärischen Lage ab und wann es gelingt, den Krieg zu beenden. Danach wird es wichtig sein, wie sich die Rahmenbedingungen entwickeln. Damit die Ukraine prosperiert, braucht sie weitere Reformen. Aber ich bin optimistisch, dass alles gelingt. Die Einstellung dafür ist bei den Ukrainerinnen und Ukrainern auf jeden Fall da.

Wie erleben Sie die Atmosphäre vor Ort? Wie läuft das öffentliche Leben in Kiew?

Es ist ein gemischtes Bild. Mein Alltag in Kiew unterscheidet sich nicht wirklich von dem in Berlin. An der Oberfläche sind die Leute auch positiv. Aber der Krieg hinterlässt natürlich Spuren. Fast alle haben im Bekanntenkreis gefallene oder verwundete Soldaten zu beklagen und sorgen sich um die Zukunft. Sie sind trotzdem entschlossen, alles zu einem guten Ausgang für die Ukraine zu bringen.

LESETIPP:  Lesen Sie den ausführlichen Artikel "Farbe bekennen" zum Wiederaufbau in der Ukraine in der aktuellen Ausgabe der Markets International.
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