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Milliardenzusagen für den Wiederaufbau der Ukraine
Die enormen Zerstörungen der Infrastruktur schwächen die Wirtschaftskraft der Ukraine. Doch internationale Hilfszusagen in Milliardenhöhe stehen für den Wiederaufbau bereit.
13.04.2022
Von Gerit Schulze | Berlin
Neben der humanitären Tragödie erleidet die Ukraine durch Russlands Angriffskrieg erhebliche materielle Verluste. Nach Schätzung der Regierung summieren sich die Schäden an der Infrastruktur, im Gesundheits- und Bildungswesen bereits auf 1 Billion US-Dollar (US$). Das ist das Fünffache der jährlichen Wirtschaftsleistung des Landes.
10 Milliarden Euro für Geflüchtete und Wiederaufbau
Doch weltweit wächst die Bereitschaft, die Ukraine beim Wiederaufbau zu unterstützen. Im Rahmen der internationalen Initiative "Stand Up for Ukraine" fand am 9. April 2022 eine Geberkonferenz in Warschau statt. Eingeladen hatten EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und der kanadische Premierminister Justin Trudeau. Auf der Veranstaltung wurden finanzielle Zusagen in Höhe von insgesamt 9,1 Milliarden Euro gegeben. Zusätzlich stellt die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) Kredite über 1 Milliarde Euro bereit.
Regierungen, Unternehmen und Einzelpersonen stellen 4,1 Milliarden Euro als direkte Finanzhilfen und Sachspenden für die Kriegsflüchtlinge zur Verfügung. Weitere 5 Milliarden Euro sollen als Darlehen und Zuschüsse an die Ukraine gehen. Geberinstitutionen sind die Europäische Investitionsbank (EIB), der Europarat und die Entwicklungsbank des Europarates (CEB).
Die Zusagen für Binnenflüchtlinge verteilen die ukrainischen Behörden hauptsächlich auf zentraler und lokaler Ebene. Spenden des Privatsektors koordinieren die Vereinten Nationen. Bisher verließen 6,5 Millionen Ukrainer ihre Heimatorte und suchten Zuflucht innerhalb des Landes, weitere 4 Millionen in benachbarten Ländern.
Unternehmen bringen Sachspenden ein
Um größere Sachspenden kümmert sich auch die Europäische Kommission. Sie organisiert unter anderem die Lieferung von Medikamenten, Impfstoffen, Medizintechnik, Zelten, Betten und Rettungsdecken. Auf diese Weise konnten bereits 100.000 Ampullen chemischer Gegenmittel, 300.000 Dosen Impfstoff und 515 Ventilatoren in die Ukraine und die angrenzenden Länder mit vielen Flüchtlingen geschickt werden. Unternehmen, die Sachspenden leisten wollen, können sich direkt über die E-Mail-Adresse ECHO-private-donations@ec.europa.eu an die EU-Kommission wenden.
Neben der gemeinschaftlichen Initiative der EU-Kommission und der Regierung Kanadas Stand Up for Ukraine bereitet auch die Weltbank weitere Hilfspakete für das Land vor. Am 10. April 2022 hatte das Finanzinstitut eine neue Prognose zur Entwicklung der ukrainischen Wirtschaft veröffentlicht. Demnach rechnet die Weltbank für das laufende Jahr nahezu mit einer Halbierung des Bruttoinlandsproduktes (minus 45 Prozent), wenn der Krieg noch mehrere Monate andauert. Die Exporte könnten gegenüber dem Vorjahr um 79 Prozent schrumpfen, die Importe um 66 Prozent.
Enormer Schaden für die Infrastruktur
"Die russische Invasion versetzt der ukrainischen Wirtschaft einen schweren Schlag und hat der Infrastruktur enormen Schaden zugefügt", sagte Anna Bjerde, Vizepräsidentin der Weltbank für Europa und Zentralasien. Die Ukraine brauche sofort massive finanzielle Unterstützung, um die Wirtschaft am Laufen zu halten.
Die Weltbank beleuchtet in ihrem Bericht War in the Region ausführlich die wirtschaftliche Entwicklung in Osteuropa und in Zentralasien infolge des Krieges in der Ukraine.
Seit Beginn der russischen Invasion hat die Weltbankgruppe ein Notfinanzierungspaket über 925 Millionen US$ mobilisiert. Es soll helfen, Löhne für Krankenhausangestellte, Renten für ältere Menschen und Sozialprogramme für Bedürftige zu zahlen. Die Summe ist Teil eines Unterstützungspakets in Höhe von 3 Milliarden US$, das die Weltbank für die Ukraine vorbereitet.
Die EBRD hatte Ende März 2022 einen Rückgang des ukrainischen Bruttoinlamdsproduktes (BIP) um 20 Prozent für das Gesamtjahr vorhergesagt.
Ein Achtel des Straßennetzes beschädigt
Während die Kämpfe vor allem im Süden und Osten des Landes unvermindert weitergehen, zieht die Ukraine eine erste Bilanz der Infrastrukturschäden. Nach Angaben der staatlichen Straßenverkehrsbehörde Ukrawtodor wurden bis Anfang April 2022 bereits 23.000 Kilometer Straßen beschädigt. Das entspricht 13 Prozent des gesamten Wegenetzes. Außerdem zerstörte die russische Armee 273 Brücken.
Den bislang entstandenen Schaden beziffert Ukrawtodor auf 874 Milliarden Hrywnja (27,5 Milliarden Euro; Wechselkurs der ukrainischen Nationalbank am 13. April 2022: 1 Euro = 31,78 Hrywnja).
Obwohl in einigen Landesteilen weiter heftige Gefechte toben, plant die Behörde bereits eine umfassende Sanierung des Straßennetzes. Laut Vizedirektor Andrij Iwko arbeite die Agentur an den Projektunterlagen, um nach Ende des Krieges möglichst schnell mit den Maßnahmen beginnen zu können. Ukrawtodor rechnet damit, dass die Ausbesserungsarbeiten an einer Brücke durchschnittlich zwei bis drei Monate beanspruchen.
In den von russischen Truppen geräumten Gebieten müssen die Straßen allerdings häufig erst von Landminen geräumt werden, bevor die Sanierung beginnen kann.
Erste Aufbauarbeiten laufen bereits
Derzeit laufen bereits Brückenbauarbeiten an der Fernstraße M-06 (Kiew - Tschop) bei Stojanka im Großraum Kiew sowie an der Umgehungsstraße P-30 über den Fluss Irpin. Das zeigen neue Facebook-Einträge von Ukrawtodor.
Die Bahngesellschaft Ukrzaliznytsia nimmt derzeit eine Bestandsaufnahme der Schäden am Schienennetz vor. An der S-Bahn-Strecke Swjatoschino - Klawdijew lässt das Staatsunternehmen die Haltepunkte und Gleise reparieren.