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Wirtschaftsumfeld | Ukraine | Kriegsrecht, Verstaatlichung

Ukraine verstaatlicht kriegswichtige Unternehmen

Die ukrainische Regierung verstaatlicht strategische Großunternehmen, um den Nachschub für das Militär zu sichern. Es ist der größte Eingriff in die Industrie seit Kriegsbeginn.

Von Edda Wolf | Bonn

Die Ukraine verstärkt die Kontrolle über strategische Wirtschaftsbereiche und unterstellt fünf wichtige Großunternehmen direkt dem Verteidigungsministerium. Diese Entscheidung traf die Nationale Wertpapier- und Börsenkommission (NCSCFR) am 6. November 2022 nach einem Beschluss des Präsidenten.

Betroffen sind:

  • Erdölförderer Ukrnafta (bereits teilverstaatlicht),
  • Erdölverarbeiter Ukrtatnafta (bereits teilverstaatlicht),
  • Flugzeugmotorenbauer Motor Sich,
  • Lastkraftwagenproduzent AvtoKrAZ,
  • Transformatorenhersteller Zaporizhtransformator (ZTR).

Dabei nutzt die Regierung erstmals für Enteignungen das Kriegsrecht, das nach der russischen Invasion Ende Februar 2022 verhängt wurde. Möglich ist die Übertragung der Unternehmensanteile an das Verteidigungsministerium durch das Gesetz "Über die Übertragung, Zwangsveräußerung oder Beschlagnahme von Eigentum unter den Bedingungen des gesetzlichen Regimes des Kriegsrechts oder des Ausnahmezustands". Bei der Sitzung des Obersten Befehlshabers der ukrainischen Streitkräfte am 5. November 2022 ordnete Präsident Wolodymyr Selenskyj die Verstaatlichung an.

Maßnahme soll Versorgung der Streitkräfte sichern

Die Vermögenswerte der Unternehmen sollen künftig vom Verteidigungsministerium verwaltet werden, "um den dringenden Bedarf der Streitkräfte zu sichern", sagte Verteidigungsminister Oleksij Resnikov. Dazu gehören die Bereitstellung von Treibstoff und Schmiermitteln sowie die Reparatur von militärischer Ausrüstung und Waffen.

Die Unternehmen stellen "Produkte her, die äußerst wichtig für den Bedarf der Armee und des Energiesektors sind", betonte der ukrainische Ministerpräsident Denys Schmyhal. "Diese Unternehmen müssen rund um die Uhr für die Verteidigungsbedürfnisse des Staates arbeiten."

Unternehmen gehören einflussreichen Geschäftsleuten

Die Verstaatlichung betrifft strategisch wichtige Unternehmen, die mit einflussreichen ukrainischen Geschäftsleuten verbunden sind. Deren politische Macht versucht Präsident Selenskyj seit langem einzuschränken. Ukrnafta, Ukrtatnafta, Motor Sich, AvtoKrAZ und Zaporizhtransformator werden von den umstrittenen Oligarchen Ihor Kolomoisky, Vyacheslav Boguslaev, Konstantin Zhevago und Konstantin Grigorishin kontrolliert. Dies berichtete die "Ukrainska Pravda" am 7. November 2022 unter Berufung auf Gesprächspartner bei der Nationalen Wertpapier- und Börsenkommission (NCSCFR) und Minderheitsaktionäre von Ukrnafta.

Ukrnafta ist der größte Erdölproduzent der Ukraine. Etwa 42 Prozent der Aktien besitzt die Privat-Gruppe, deren Eigner Ihor Kolomoiskyi und sein Partner Gennady Bogolyubov sind. Dem Staat gehören 50 Prozent plus 1 Aktie in Form von JSC Naftogaz. Die restlichen Aktien verteilen sich auf Minderheitsaktionäre.

Von Ukrtatnafta gehören laut Forbes Ukraine 56 Prozent der Aktien zu gleichen Teilen dem Geschäftsmann Oleksandr Yaroslavskyi und ebenfalls der Privat-Gruppe. Die anderen Anteile besitzt JSC Naftogaz. Der wichtigste Aktivposten von Ukrtatnafta ist die Ölraffinerie Krementschuk, die im Mai 2022 durch russisches Raketenfeuer lahmgelegt wurde.

Motor Sich in Saporischschja war bis vor kurzen im Besitz von Vyacheslav Boguslaev. Im Jahr 2017 verkaufte er insgesamt 56 Prozent der Anteile an die chinesische Holdinggesellschaft Beijing Skyrizon Aviation Industry Investment Co Ltd. Aufgrund von Verstößen gegen die Antimonopolgesetzgebung wurden Transaktionen mit Aktien von Motor Sich blockiert. Der 84-jährige Eigentümer Boguslaev wurde am 23. Oktober 2022 von den ukrainischen Behörden verhaftet und des Hochverrats beschuldigt. Er wird verdächtigt, mit Russland zu kollaborieren.

Das Unternehmen AvtoKrAZ gehört zur Finances and Credit Group des flüchtigen Oligarchen Konstantin Zhevago. Das Unternehmen stellt schwere Lastkraftwagen her.

Zaporizhtransformator ist ein hochverschuldetes Unternehmen, das Transformatoren- und Reaktorausrüstung produziert. Eigentümer ist Konstantin Grigorishin.

Entschädigung noch unklar

Um das Eigentum von Oligarchen zu beschlagnahmen, seien Beweise für ihre Beteiligung an kooperativen Aktivitäten und die Eröffnung von Strafverfahren erforderlich, erklärte der Leiter der Nationalen Agentur für Korruptionsprävention (NAZK), Oleksandr Novikov, in einem Forbes-Interview.

Ob den ursprünglichen Anteilseignern Entschädigungen gezahlt werden, wurde zunächst nicht mitgeteilt. Nach der Aufhebung des Kriegsrechts könnten die Vermögenswerte an ihre Eigentümer zurückgegeben oder ihr Wert erstattet werden, sagte der Sekretär des ukrainischen Sicherheitsrats, Oleksij Danilov.

Für ausländische Geschäftspartner der Unternehmen bedeutet die Verstaatlichung, dass künftig das Verteidigungsministerium als Verhandlungspartner mit am Tisch sitzt und staatliche Ausschreibungsregeln gelten.

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