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Bausektor hofft auf EU-Gelder und Kriegsende

Die ungarische Bauwirtschaft hat sich zwar von der Coronakrise erholt, doch die Probleme und Risiken nehmen zu und bremsen das Wachstum der Branche aus.

Von Waldemar Lichter | Budapest

Der russische Angriffskrieg in der Ukraine wirkt sich auf den ungarischen Bausektor aus. Die durch den Krieg verursachte allgemeine Konjunkturabschwächung lässt auch die Aussichten in der Bauwirtschaft schlechter werden. Besonders negativ machen sich die stark gestiegenen Preise bemerkbar, etwa für Baustoffe und Energie. Der Branche setzt nach wie vor auch der Fachkräftemangel zu.

Nach dem Einbruch von fast 10 Prozent infolge der Coronapandemie im Jahr 2020 hatte die Bauproduktion 2021 wieder ein kräftiges Plus von 13,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr verbucht. Die Branche hat den Schwung von 2021 auch ins laufende Jahr mitgenommen. In den ersten vier Monaten 2022 stieg die Bauproduktion um 12,1 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum.

Doch die weiteren Aussichten beginnen sich zu verdüstern. Der Ukrainekrieg hat die allgemeinen konjunkturellen Erwartungen für die ungarische Wirtschaft verschlechtert. Es ist zwar weiterhin Wachstum zu erwarten, jedoch spürbar schwächer als noch vor Beginn des Krieges erwartet. Jüngsten Prognosen des Wiener Instituts für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW) zufolge könnte das ungarische Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2022 real um 3,1 Prozent, 2023 um nur noch 1,5 Prozent und 2024 um 2,7 Prozent jeweils gegenüber dem Vorjahr zunehmen. Das schwächere BIP-Wachstum wird seine Spuren auch im Bausektor hinterlassen.

Verschiebung staatlicher Investitionsvorhaben

Zudem hat die ungarische Regierung Maßnahmen zur Konsolidierung der Staatsfinanzen eingeleitet. Infolge der Coronakrise sowie durch Entlastungsmaßnahmen im Vorfeld der Parlamentswahlen im April 2022 war das Budgetdefizit zuletzt angestiegen. Die Folge sind nun reduzierte Budgetausgaben, was sich auf eine Reihe von staatlich (ko)finanzierten Investitionsvorhaben negativ auswirkt und vor allem den Tiefbau ausbremsen wird. Es geht dabei um Vorhaben von umgerechnet 2,1 Milliarden Euro, die noch nicht begonnen wurden und die auf 2024 und 2025 verschoben werden könnten.

EU-Mittel dringend benötigt

Ungewiss ist auch, ob und wann Ungarn erste Zahlungen aus der Aufbau- und Resilienzfazilität der Europäischen Union (EU) und aus den Kohäsionsfonds der EU-Finanzierungsperiode 2021 bis 2027 erhalten wird. Ungarn stünden daraus immerhin 5,8 Milliarden Euro beziehungsweise 22,5 Milliarden Euro zu. Die Genehmigung der Europäischen Kommission für die entsprechende Auszahlung stand Anfang Juli 2022 noch aus.

Hintergrund ist der anhaltende Konflikt zwischen der ungarischen Regierung und der Europäischen Kommission beim Thema Rechtsstaatlichkeit. Es häufen sich jedoch zunehmend Anzeichen, dass die ungarische Regierung einen Kompromiss sucht und sich über strittige Sachverhalte mit der Europäischen Kommission einigen will. Dann stünde der Freigabe der EU-Mittel bald nichts mehr im Wege.

Prognosen für den Bausektor verdüstern sich

Angesichts der Konjunkturabschwächung und weiterer Unwägbarkeiten durch Krieg, steigende Preise, teurer gewordene Finanzierung und knapper Kapazitäten in der Bauindustrie werden die Prognosen für die weitere Entwicklung im Bausektor nach unten revidiert. So rechnet das europäische Baunetzwerk Euroconstruct für 2022 mit einer Stagnation und für 2023 nur mit einem leichten Wachstum von 1,3 Prozent.

Bauproduktion in Ungarn nach Sparten (in Millionen Euro, reale Veränderung in Prozent)

Bauvolumen 20211) 

20222)

20232,3)

20242,3)

Hochbau

13.004

-0,1

-3,7

-0,7

  Neubau

6.972

-0,2

-4,9

-2,9

  Renovierung

6.031

-0,1

-2,4

1,7

darunter

  Wohnungsbau

4.556

3,5

-4,0

-4,0

    Neubau

2.335

2,0

-5,0

-6,0

    Renovierung

2.221

5,0

-3,0

-2,0

  übriger Hochbau

8.448

-2,1

-3,5

1,1

Tiefbau

5.545

0,3

13,1

9,0

  Neubau

3.068

2,0

15,0

10,0

  Renovierung

2.119

-9,0

-0,3

0,3

Insgesamt

18.548

0,0

1,3

2,5

1) zu Preisen von 2021, ohne Steuern, Abweichungen durch Rundung; 2) gegenüber Vorjahr; 3) PrognoseQuelle: Euroconstruct 2022

Recht gut sind die Aussichten für 2022 im Wohnungsbau. Das gilt für Neubauprojekte, noch stärker jedoch für den Bereich Sanierung und Renovierung. Neben der guten Einkommensentwicklung der privaten Haushalte in Ungarn tragen auch zahlreiche staatliche Förderprogramme dazu bei. Zu den Fördermaßnahmen gehören das Programm zur Unterstützung des Wohnungserwerbs durch Familien mit Kindern (CSOK), aber auch die zumeist aus EU-Mitteln kofinanzierten Programme zur Verbesserung der Energieeffizienz von Gebäuden.

Für 2023 und 2024 gibt sich Euroconstruct jedoch pessimistisch. Die Erwartungen an die Einkommensentwicklung werden sich verschlechtern, die Finanzierung wird teurer und das eine oder andere Förderprogramm könnte der Haushaltskonsolidierung zum Opfer fallen beziehungsweise reduziert werden. Auch weitere Hochbausparten (Bürobau, Schulen, öffentliche Gebäude) dürften sich schwächer entwickeln. Positiv wird sich dagegen weiterhin der Industriebau abheben, wofür nicht zuletzt der starke Zustrom ausländischer Investitionsvorhaben sorgt.

Tiefbau ab 2023 wieder dynamisch

Der Tiefbau wird sich laut Prognosen von Euroconstruct 2023 und 2024 dynamisch entwickeln. Einen wichtigen Beitrag dazu wird die Finanzierung aus EU-Fonds (Wiederaufbaufonds und Kohäsionsfonds) leisten – wenn die Mittel von der Europäischen Kommission erwartungsgemäß freigegeben werden. Vor allem im Bahnsektor hat Ungarn eine ganze Reihe von Neubau- und Modernisierungsvorhaben auf den Weg gebracht. Im Autobahnbau dürfte ein beträchtlicher Teil der Ausbau- und Instandhaltungsinvestitionen künftig von privaten Konzessionären getragen werden.

Tiefbauproduktion in Ungarn (in Millionen Euro, reale Veränderung in Prozent)

Bauvolumen 20211)

20222,3)

20232,3)

20242,3)

Tiefbau insgesamt

5.545

0,4

13,1

9,0

  Transportinfrastruktur

4.135

-0,3

14,0

9,4

  Straßen

2.505

-5,0

15,0

10,0

  Bahnanlagen

735

13,0

20,0

7,0

  Übrige Verkehrsinfrastruktur

895

2,0

6,0

10,0

  Telekommunikation

248

3,0

3,0

3,0

  Energieversorgung

350

5,0

30,0

15,0

  Wasserversorgung

519

-2,0

15,0

10,0

  Sonstiges

292

5,0

-15,0

-5,0

1) zu Preisen von 2021, ohne Steuern, Abweichungen durch Rundung; 2) gegenüber Vorjahr; 3) PrognoseQuelle: Euroconstruct 2022

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