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Branchen | Ungarn | Abfallwirtschaft

Marktchancen

Abfuhr und Entsorgung des Siedlungsabfalls liegt zukünftig in den Händen eines Monopolisten. Der Umbau des Sektors eröffnet Chancen. Es besteht hoher Investitionsbedarf.

Von Waldemar Lichter, Marta Gömöry | Budapest

Reform im Abfallsektor sorgt für Investitionen

Die Investitionen im Abfallsektor sind seit 2015 deutlich gesunken. Der Trend dürfte sich jedoch umkehren. Die 2022 eingeleitete Reform der Abfallwirtschaft wird Investitionen in Infrastruktur und Verarbeitungsanlagen zur Folge haben. Die unbefriedigende Entwicklung und die wenig tragfähige finanzielle Situation der im Bereich Siedlungsabfall tätigen Unternehmen hat die Regierung 2022 dazu verleitet, eine grundlegende Reform durchzuführen.

Im neuen Modell übernimmt der Staat die Organisation öffentlicher Entsorgungsdienste von den Kommunalverwaltungen. Er vergibt Konzessionen für Sammlung, Transport, Vorbehandlung, Handel und Entsorgung von Abfällen von Produkten, die unter das System der erweiterten Herstellerverantwortung fallen, und von Abfällen aus dem Rücknahmesystem sowie den Betrieb eines Rücknahmegebührensystems. Die öffentliche Ausschreibung zur Vergabe des Rechts, die betreffenden Abfallwirtschaftsaufgaben im ganzen Land über 35 Jahre wahrzunehmen, erfolgte bereits. 

Mineralölkonzern MOL gewinnt Ausschreibung 

Sieger der Ausschreibung wurde Mitte 2022 der ungarische Mineralölkonzern MOL. Das Unternehmen übernimmt als einziger Lizenznehmer die landesweite Sammlung und Behandlung von bis zu 5 Millionen Tonnen Siedlungsabfall pro Jahr. Mit der Konzession sind Investitionsverpflichtungen verbunden. So wird MOL in den ersten zehn Jahren der Vertragslaufzeit rund 125 Millionen Euro in den Aufbau benötigter Sammel- und Verarbeitungsinfrastruktur ausgeben. Der Großteil soll in Müllsortieranlagen fließen, der Rest unter anderem in den Aufbau des Fuhrparks und die Beschaffung von Sondermüllcontainern. Geplant ist ferner der Bau einer Müllverbrennungsanlage zur Energiegewinnung mit einer Verarbeitungskapazität von 100.000 Tonnen pro Jahr.

Der Konzessionsbetrieb von MOL soll am 1. Juli 2023 starten. Mit der Sammlung und Verarbeitung der Abfälle in den Regionen werden Subunternehmen beauftragt. MOL hatte im Herbst 2022 einen Aufruf an dafür interessierte Firmen veröffentlicht, sich bei dem Konzern für die Erbringung entsprechender Dienstleistungen zu registrieren.

EU-Mittel verfügbar

Einen Betrag zu den steigenden Investitionen dürfte auch die Finanzierung aus den EU-Kohäsionsfonds der Budgetperiode 2021 bis 2027 und der Corona-Wiederaufbaufazilität der EU (RRF) leisten. Mithilfe der EU-Gelder sollen unter anderem der Ausbau des getrennten Sammelsystems, der Aufbau von Kapazitäten für alle am Übergang zur Kreislaufwirtschaft beteiligten Akteure und die Verwendung von Recyclingmaterialien gefördert werden. Weitere Einzelheiten zu den für Ungarn vorgesehenen Mitteln aus dem EU-Kohäsionsfonds werden voraussichtlich im Laufe des Jahres 2023 bekannt gegeben, wenn die Europäische Kommission die Gelder endgültig freigibt.

Industrieunternehmen investieren in eigene Recyclingkapazitäten

Zusätzlich sind in den nächsten Jahren auch erhebliche private Investitionen von Unternehmen im verarbeitenden Gewerbe in Abfallverarbeitung, Wertstoffgewinnung und -wiederverwendung zu erwarten. Die Themen Klimaschutz und ressourcenschonende Produktion gewinnen auch in Ungarn immer mehr an Bedeutung. Das verleitet eine steigende Anzahl von Unternehmen dazu, in die Verbesserung ihrer Ökobilanz einschließlich Abfallreduzierung und Recycling zu investieren.

Bereits realisierte Beispiele dafür sind Projekte in der Automobil- und Zulieferindustrie, wie etwa des Autokonzerns Audi am nordungarischen Standort Győr. Zu den wichtigsten gehört das im Juli 2021 eingeführte System des geschlossenen Aluminiumkreislaufs ("Aluminium Closed Loop"). Dabei werden Aluminiumabfälle aus der Produktion gesammelt, vom Zulieferer zu neuen Aluminiumblechen aufbereitet und von Audi wieder in der Fertigung eingesetzt.

Ähnliches führt in diesem Sektor das Unternehmen Hydro Extrusions durch. Die Norweger investieren derzeit rund 88 Millionen Euro in den Bau einer Aluminiumrecyclinganlage in Székesfehérvár. Dort soll Aluminiumschrott zur Produktion von Legierungen für Strangpressteile eingesetzt werden. Abnehmer werden Premiumkunden im Autosektor sein.

Ungarn hinkt bei Behandlung von Siedlungsabfall hinterher

Die ungarische Abfall- und Recyclingwirtschaft entwickelte sich in den vergangenen Jahren nur teilweise zufriedenstellend. Bewertungen der Europäischen Kommission zufolge gab es bei der Bewirtschaftung der Siedlungsabfälle begrenzte Fortschritte. Die erreichten Recyclingquoten ließen weiterhin zu wünschen übrig, heißt es. Bisherige Reformen verbesserten die finanzielle Lage der im Abfallsektor tätigen Unternehmen kaum. Die letzte, bis dahin wichtigste Reform wurde Ende 2012 durchgeführt. Ab dem 1. Januar 2013 durften nur noch staatliche oder kommunale Non-Profit-Gesellschaften Siedlungsabfälle einsammeln und transportieren. Private, darunter auch ausländische Entsorger, wurden damit aus dem Siedlungsabfallsektor verdrängt.

Siedlungsabfallaufkommen und -beseitigung in Ungarn (in 1.000 Tonnen)

2010

2015

2019

2020

  Stoffliche Verwertung

789

1.194

1.358

1.171

  Energetische Verwertung

406

525

515

601

  Deponierung

2.838

1.991

1.919

1.770

Insgesamt

4.033

3.710

3.791

3.546

Quelle: Statistikamt Ungarn KSH


Bei der Deponierung von Siedlungsabfällen gab es Fortschritte. Die Deponierungsquote ging nach Angaben des ungarischen Statistikamts KSH von 65 Prozent 2015 auf 54 Prozent 2021 zurück. Der Anteil dieser Art der Entsorgung ist jedoch doppelt so hoch wie im Durchschnitt der EU (2020: 23,6 Prozent).

Auch beim Recycling von Siedlungsabfällen belegt Ungarn einen der hinteren Plätze in der EU mit einer Recyclingquote von 32,2 Prozent 2020 (EU: 48,2 Prozent). Bei Verpackungsabfällen stieg die Recyclingquote zwar von 50,1 Prozent 2015 auf 52,4 Prozent 2020. Auch hier liegt Ungarn aber in der EU eher im unteren Bereich (2020; EU27: 64,3, Polen: 55,5, Tschechien: 74,3, Österreich: 67,1 Prozent).

Weiterer Abfall nach Art und Entstehung sowie Behandlung 2020 (in 1.000 Tonnen)

Agrarsektor und Nahrungsmittel

Bau- und Abbruchabfall

Industrie und anderer Wirtschaftsabfall

Gefährlicher Abfall

  Stoffliche Verwertung

367

6.965

3.032

239

  Energetische Verwertung

207

1

255

34

  Verbrennung ohne Energiegewinnung

1

-

2

77

  Deponierung

4

1.331

2.311

94

  Andere Behandlung

2

-

70

224

Insgesamt

581

8.297

5.670

668

Quelle: Statistikamt Ungarns KSH

Im Bereich Industrie- und Wirtschaftsabfall nahm der Anteil des Recyclings und der energetischen Verwertung nach den Daten von KSH von 2010 bis 2020 zu, während die Deponierungsquote abnahm. Auch bei Bau- und Abbruchabfall stieg der Anteil der stofflichen Verwertung auf über 80 Prozent zulasten der Deponierungsquote. 

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