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Branchen | Ungarn | Landwirtschaft

Struktur der Landwirtschaft

Große Zahl kleiner Betriebe dominiert. Weitere Konsolidierung wird notwendig sein. Neue lokale Akteure engagieren sich im Sektor.

Von Waldemar Lichter | Budapest

Der Agrarsektor trägt rund 4 Prozent zum ungarischen Bruttoinlandsprodukt bei. Zusammen mit der ausgebauten Nahrungsmittelindustrie sorgt er für eine relativ hohe Selbstversorgung der Bevölkerung. Eigene Produkte genießen bei den ungarischen Verbrauchern einen klaren Vertrauensvorschuss und Kaufpriorität.

Dennoch wird ein Teil des Bedarfs an Nahrungsmitteln und Getränken auch durch Einfuhren gedeckt (2010: 1,4 Milliarden Euro, 2020: 2,3 Milliarden Euro). Per Saldo exportiert Ungarn jedoch sowohl bei Agrarrohstoffen als auch bei Nahrungsmitteln deutlich mehr als es importiert (Saldo 2020: 270 Millionen beziehungsweise 1,9 Milliarden Euro).

Potenzial bei weitem noch nicht ausgeschöpft

Ungeachtet der beträchtlichen Produktionssteigerungen und der Exporterfolge wird dem ungarischen Agrarsektor ein weitaus höheres Potenzial zugesprochen. Notwendig wären stärkere Anstrengungen zur Steigerung der Effizienz, Verbesserung der Vermarktung, aber auch strukturelle Veränderungen, etwa bei den Betriebsgrößen.

Eckdaten zur Landwirtschaft in Ungarn

Kennziffer

2021

Einwohner (Mio.) 

9,7

Ackerfläche (Mio. ha)

5,47

Anteil der Landwirtschaft an der Entstehung des BIP (in %) (Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Fischerei) 1)

4

Exporte Agrargüter in Mio. US-Dollar (SITC 0) 1)

597

1) 2020Quelle: KSH

Die ungarische Landwirtschaft ist durch einige Disparitäten geprägt. Ein großer Teil (über 80 Prozent) der Betriebe entfällt auf kleine Farmen und Höfe, meist im Familienbesitz, mit unter 5 Hektar. Sie bearbeiteten aber weniger als 5 Prozent der gesamten Agrarnutzfläche. Sie konzentrieren sich auf arbeitsintensive Bereiche, wie Früchte und Gemüse. Große Betriebe stellen rund 3 Prozent, bewirtschaften aber rund die Hälfe der landwirtschaftlich genutzten Fläche. Sie spezialisieren sich auf weniger arbeitsintensiven Getreideanbau.

Eine stärkere Konsolidierung im Bereich der mittleren und kleinen Betriebe wird für notwendig gehalten. Größere Unternehmen seien von besonderer Bedeutung, weil sie bei der Anwendung modernster Agrartechniken an vorderster Front stehen, so ein Agrarexperte.

Investitionen müssten sich auf Senkung der in jüngster Zeit stark gestiegener Produktionskosten (stark gestiegene Preise bei Inputs wie Kraftstoffe oder Dünger) richten. Ein hoher Anpassungsbedarf wird für die ungarischen Agrarbetriebe durch neue rechtliche Standards und Vorschriften (etwa bezüglich Klima- und Tierschutz) entstehen.

Neue Player kommen in die Branche

In jüngster Zeit ist ein gestiegenes Interesse ungarischer Geschäftsleute an Investitionen im Agrarsektor und in der Nahrungsmittelindustrie sowie Bemühungen um stärkere Integration von Wertschöpfungsketten in diesen Bereich festzustellen. Als wichtigste Beispiele seien Sándor Csányi, Eigentümer von OTP, der größten Geschäftsbank in Ungarn, und Lőrinc Mészáros, Freund von Ministerpräsident Viktor Orbán und Eigentümer des Fimenkonglomerats Mészáros Gruppe und Opus Global Nyrt genannt.

Csányi gehört der Agrar- und Nahrungsmittelkonzern Bonafarm, der sich unter anderem mit der Saat- und Futtermittelproduktion, dem Pflanzenbau, dem Futtermittelhandel, Geflügel-, Schweine-, Milchviehzucht sowie Milch- und Fleischverarbeitung befasst. Bonafarm bietet Beratung und Versorgung mit hochwertigen Rohstoffen an.

Lőrinc Mészáros ist mit der Gründung des Unternehmens AgroLink Zrt. im Sommer 2021 in den Agrarsektor eingestiegen. Dessen Aufgabe ist nicht nur, die Produktion kleinerer Agrarbetriebe aufzukaufen und für deren Vermarktung zu sorgen (Ziel: bis zu 1 Million Tonnen Getreide pro Jahr). Gleichzeitig sollen diese auch mit Saatgut, Mineraldünger und Pflanzenschutzmitteln versorgt werden. Festgestellt wird großer Bedarf der Kleinbetriebe an einem stabilen und unterstützenden Netzwerk, heißt es.

Die Gründung von AgroLink ist auf die Partnerschaft von Talentis Agro, der Agrarsparte der Meszaros-Gruppe, und dem Takarek Agricultural Investment and Development Private Equity fund, einem Fonds der Takarek-Bankengruppe, zurückzuführen. Angestrebt wird eine Partnerschaft mit Agrarbetrieben, die in nächster Zukunft bis zu 700.000 Hektar bearbeiten werden - das wären etwa 15 Prozent der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche des Landes. Zur Messaros-Gruppe gehören auch die Unternehmen Viresol und Kall Ingredients.

Größere ausländische Investitionen spielen in der ungarischen Landwirtschaft eine eher untergeordnete Rolle. Zu den Gründen dafür dürften unter anderem die einschränkenden Regularien bezüglich des Erwerbs von Agrarland durch natürliche und juristische Personen gehören. „Die Agrarpolitik wollte fast hysterisch ausländisches Kapital vom ungarischen Land fernhalten“, kritisiert ein ungarischer Agrarexperte.

Zu den wenigen ausländischen Investoren zählt Frankreichs größter Geflügelverarbeiter LDC. Das Unternehmen übernahm 2018 insgesamt 70 Prozent an der ungarischen Tranzit Gruppe. Die restlichen 30 Prozent verbleiben im Besitz der ungarischen Eigentümerfamilie. Ziel von LDC war, eine Produktionsbasis in Ungarn für Gänse- und Entenfleisch zu schaffen. Tranzit war einer der größten Gänselieferanten in Europa, verarbeitete 2017 rund 36.000 Tonnen Gänse und Enten, 60 Prozent der Erlöse wurden im Exportgeschäft erzielt.

Außerdem ist in Ungarn seit 1995 die belgische Claessens Group aktiv. Das Unternehmen (Hauptsitz: Somogyszob/Nagybaráti-puszta; 350 Mitarbeiter; im Besitz der Familie Claessens) ist in der Schweine- und Milchwirtschaft sowie in Futterpflanzenproduktion aktiv. Der Umsatz belief sich 2020 auf umgerechnet 62 Millionen Euro. Zur Gruppe gehört Agrár Kft., einer der erfolgreichsten ungarischen Agrarkonzerne.

Wichtige Agrarbetriebe in Ungarn (Auswahl; Umsatz in Millionen Euro; Veränderung in Prozent)

Name 

Geschäftsfeld

Umsatz 2020 

Veränderung 2020/2019

KITE Zrt.

Handel mit Inputprodukten für Agrarbetriebe und mit Landmaschinen, Aufkauf von Agrarprodukten

966

-3,7

Glencore Agriculture Hungary Kft.

Agrargroßhandel und Finanzdienstleistungen

533

-7,1

Cargill Magyarorszag Kereskedelmi Zrt.

Getreidehandel, Futtermittel

409

11,9

IKR Agrar Kft. 

Agrarrohstoffe und -halbprodukte

372

12,5

Hunland-Trade Kft.

Tierhandel 

302

-7,8

Hungrana Kft.

Maisverarbeitung

292

2,3

Quelle: EMIS Intelligence


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